239
zerstreut leben. Hauptorte: Andorra la Vieja (etwa
600 Einwohner), San Julian (500), Canillo
(500). — Die Regierungsgewalt befindet sich im
Besitz bestimmter Familien der Bevölkerung (aristo-
kratische Verfassung); vier mindestens 25 Jahre
alte Familienchefs aus jeder der sechs Gemeinden,
in welche die Republik zerfällt, wählen auf vier
Jahre einen Generalrat von 24 Mitgliedern,
welcher die gesetzgebende Gewalt ausübt. Den
Vorsitz führen zwei von dem Generalrat ernannte
Syndiezi, von welchen der erste mit der vollziehen-
den Gewalt betraut ist; derselbe besorgt auch das
Auswärtige. — Die Justizverwaltung ruht in
den Händen von zwei Vegueres (Landvögten), von
denen jeder einen Unterrichter (Baile) zur Seite
hat, welche in bürgerlichen Streitsachen entscheiden;
die Appellation an den Kassationshof zu Paris
oder an das bischöfliche Kollegium zu Urgel steht
frei. Das Kriminalgericht besteht aus den beiden
Begueres, einem Oberrichter (Zivilrichter), dem
Landschreiber und vier Landräten; Appellation
findet nicht statt. Von den Vegueres muß der eine
ein Franzose, der andere ein Andorraner sein. Den
ersteren wählt Frankreich auf Lebenszeit, denletzteren
der Bischof von Urgel auf drei Jahre; den Zivil-
richter ernennen sie abwechselnd. Ein Gesetzbuch
hatte schon Napoleon I. den Bewohnern Andorras
versprochen; da er aber sein Versprechen nicht ge-
halten hatte, wurde ein solches später von ihnen
selbst gesammelt und am 7. Nov. 1847 publiziert.
— Nach dem Gesetz vom 27. März 1806 leisteten
drei Deputierte einen Eid in die Hände des Prä-
fekten von Ariége, dessen Vollmachten durch das Ge-
setz vom 3. Juni 1882 auf den Unterpräfekten von
Prades (Dep. Pyrénées-Orientales) übergegangen
sind. Derselbe vertritt zugleich als beständiger
Delegierter Frankreich den einheimischen Autori-
täten und dem Bischof von Urgel gegenüber. Letz-
terer kommt gewöhnlich nur einmal im Jahr ins
Land, teils um als Schiedsrichter Streitigkeiten
beizulegen teils um sein kirchliches Amt auszu-
üben. Die Ernennung der kirchlichen Behörden
steht vier Monate des Jahres dem Bischof zu, die
übrigen acht Monate dem Papst.— Landesfarben
sind Gold und Rot in senkrechter Teilung, nach
dem zweiten Feld des Landeswappens, das in
Gold drei rote Pfähle zeigt (Wappen der Grafen
von Foix). — Administrativ zerfallen die drei
Täler, welche die Republik umfaßt, in sechs Ge-
meinden (Pfarreien): San Julian, Andorra,
Encam, Canillo, La Marana und Ordino. Diese
Gemeinden wählen durch die 25 Jahre alten Fa-
milienhäupter je zwei Konsuln als Bürgermeister
und Vizebürgermeister (passives Wahlrecht mit
30 Jahren). Andorra bezahlt jährlich an den
Bischof von Urgel 460 und an Frankreich 960
Franken, wofür von letzterem Zollfreiheit gewähr-
leistet ist. Die Einnahmen bestehen in den Pacht-
geldern für die Gemeindeweiden und im Ertrag
einer geringen Personal-, Grund= und Viehsteuer.
— Münzen, Maße und Gewichte sind dieselben
Androlepsie — Anerbe, Anerbenrecht.
240
wie in Spanien. — Die Einwohner, ein streng
sittliches, fleißiges Völkchen, sind katalonischer Ab-
kunft und gehören der römisch-katholischen Kirche
an. Sie betreiben Landwirtschaft und einen un-
bedeutenden Handel mit Holz, Holzkohle, Eisen-
erz, Schafwolle und Käse; auch soll der Schmuggel
von französischen Manufakturen und Tabak nach
Spanien nicht unbedeutend sein. Da der Anbau
von Zerealien geringfügig ist, wird der Bedarf
zollfrei aus Frankreich eingeführt. Der Grund-
besitz vererbt nach Majoratsordnung. Alle männ-
lichen Einwohner sind vom 16. bis 60. Jahr zur
Landesverteidigung verpflichtet; sie können von
den Vegueres zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe,
aber nicht zum Angriff ausgeboten werden; über
letzteren Fall entscheidet die Volksversammlung.
Die Kosten der Ausrüstung muß jeder Waffen-
fähige selbst tragen. Für den Sicherheitsdienst
besteht auch eine aus Landesbewohnern gebildete
Gendarmerie, die an mehreren Punkten in be-
festigten Gebäuden untergebracht ist.
Literatur. J. F. Blade, Etudes géogr. sur.
la vallée d’Andorre (Par. 1875); E. Berthet, Le
val d’Andorre (ebd. 1879); L. Basserau, La répu-
blique d'’Andorre (Montvpellier 1884).
Franz, rev. Dresemann.)
Androlepsie, die Festnahme fremder Staats-
angehöriger im Frieden als Geisel zur eigenmäch-
tigen Durchsetzung eines behaupteten Anspruchs.
Vgl. d. Art. Repressalien und Garantien, völker-
rechtliche.
Anerbe, Anerbenrecht. Der Anerbe,
altdeutsch (nach Grimm) anerwe, ist zunächst der
Gegensatz zum ganerwe, Ganerben, des alleinigen
Erben zum Genossenschaftserben, des heres, heres
proximus zum coheres. Es erscheint aber auch
in den alten Weistümern der berechtigte Mark-
genosse, der waltgreve, Waldsasse, unter dieser
Benennung. Seinem eigentlichsten Wesen und
Rechtsbegriff nach ist das Recht des Anerben kein
ausschließliches Erbrecht, sondern nur ein Vorzugs-
recht bei der schon gesetzlich oder observanzmäßig
bestimmten Verteilungsart eines untrenn-
baren Teils einer Erbschaft, vorzugsweise eines
bäuerlichen Kolonats; die Anteile der übrigen
Erben liegen dann in der vom Anerben zu leisten-
den Abfindung. Das neue B. G.B. für das Deutsche
Reich läßt zwar grundsätzlich auch für ländliche
Bevölkerung und deren Grundbesitz das gemeine
Erbrecht gelten, wonach der gesamte Nachlaß ein-
schließlich des Grundbesitzes unter die Erben, zu-
nächst Ehefrau und Kinder, weiterhin auch ent-
fernte Verwandte, sich teilt. Eine Teilung in
Natur erfolgt jedoch nur insoweit, als sich die
Nachlaßsachen ohne Verminderung des Werts in
gleichartige Teile zerlegen lassen, was bei ge-
schlossenen ländlichen Gütern in der Regel nicht
anzunehmen ist, so daß mangels einer anderweitigen
Verständigung zwischen den Erben öffentliche Ver-
steigerung und Teilung des Erlöses erfolgt. Im
Interesse der Erhaltung des zusammenhängenden