Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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gericht ausgeübt. — Anhalt gehört zum Bezirk des 
preuß. Oberlandesgerichts zu Naumburg a. d. S. 
(Vertrag vom 9. Okt. 1878). Ein anhaltisches 
Landgericht befindet sichin Dessau. Die Handels- 
kammer (Gesetze vom 15. März 1889 und 
5. April 1898) besteht aus 24 Mitgliedern, die 
auf sechs Jahre in nach Kreisen getrennten Wahl- 
bezirken gewählt werden. Die Lan dwirtschafts- 
kammer (Gesetz vom 2. April 1900) besteht 
aus 35 Mitgliedern, davon werden 30 durch die 
Kreistage auf sechs Jahre gewählt, die andern 
fünf durch Selbstergänzung hinzugewählt. Die 
Handwerkskammer (Ministerialverfügung 
vom 27. Dez. 1899) zählt 26 Mitglieder. 
Die Finanzen des Herzogtums befinden sich 
in gutem Zustand. Die eigenen Einnahmen und 
Ausgaben für 1906/07 sollten sich mit 13,98 Mill. 
Mdecken, der Hauptfinanzabschluß ergab aber kinen 
Überschuß von nahezu 0,85 Mill. Al. Die Staats- 
schuld betrug am 30. Juni 1905 4,9 Mill. M, 
ihr standen 14,5 Mill. Aktiva gegenüber. — Das 
Kontingent des Herzogtums ist laut Militär- 
konvention vom 16. Sept. 1873 (28. Juni 1867) 
ganz in den Etat und die Verwaltung des preuß. 
Heers übergegangen. Das Herzogtum stellt das 
Infanterieregiment Nr 93, das der 8. Division 
des IV. Armeekorps zugeteilt ist. 
Die Landesfarben sind Rot-Grün-Weiß. 
Das Wappen ist in zwölf Felder geteilt, das 
mittlere Feld derzweiten Reihenthält das Stamm- 
wappen. An Orden besteht der Hausorden Al- 
brechts des Bären (Albrechtsorden) und der ihm 
affiliierte Verdienstorden für Wissenschaft und 
Kunst. 
4. Religion und Unterricht. 1596 
wurde in Anhalt, wo die lutherische Lehre früh 
(1521 in Gernrode) Verbreitung gefunden hatte, 
die reformierte Konfession eingeführt. Nach 1697 
durften die Lutheraner wieder Kirchen bauen; 
doch blieb die reformierte Lehre vorherrschend; 
1820 trat Bernburg, 1827 Dessau der Union 
bei, die im Cöthenschen Anteil durch Gesetz vom 
29. Jan. 1880 auch vollzogen ist. Die evan- 
gelische Kirchenverfassung beruht auf dem Syn- 
odalsystem. Die Synode (Gesetze vom 14. Dez. 
1878 und 24. März 1879) besteht aus 39 Mit- 
gliedern, von denen 10 aus den amtierenden Geist- 
lichen, 10 aus den Mitgliedern der kirchlichen 
Gemeindekörperschaften, 9 aus angesehenen, kirch- 
lich erfahrenen Männern gewählt, 5 vom Landes- 
herrn ernannt werden; die 5 übrigen Mitglieder 
sind die Kreissuperintendenten. Die Synodal- 
periode ist sechsjährig. Besondere Kirchenvertre- 
tungen sind die Diözesanversammlungen. Oberste 
Kirchenbehörde ist das Konsistorium in Dessau. 
Die Katholiken besaßen seit 1719 eine 
von Franziskanern geleitete Missionsstation in 
Dessau, welche 1787 durch Herzog Franz ver- 
schiedene Rechte und 1804 eine Kapelle erhielt. 
Eine zweite Mission wurde 1772 in Zerbst er- 
richtet; in beiden blieb die Zahl der Katholiken 
  
Anleihen — Antisemitismus. 
  
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unbedeutend. An die Konversion des Herzogs 
Friedrich Ferdinand und seiner Gemahlin (24.Okt. 
1825 in Paris) knüpft sich die Gründung der 
katholischen Pfarrei in Cöthen (17. Mai 1826) und 
die Errichtung des Apostolischen Vikariats 
Anhalt (1834). An die vom Herzog gebaute 
Marienkirche in Cöthen wurden Jesuitenpatres 
berufen, die aber nach dem frühen Tod des Her- 
zogs (1830) das Land verlassen mußten; die 
Pfarrei behielt jedoch ihre Güter. Jetzt (1908) 
umfaßt das Apostolische Vikariat Anhalt 4 Pfar- 
reien und 3 Frlialen mit eigenen Geistlichen. 
Administrator des Apostolischen Vikariats Anhalt 
ist seit 1868 der Bischof von Paderborn. 
Die Israelilen stehen unter einem Landes- 
rabbiner und bilden 16 Kultusgemeinden. 
Die Schulpflicht währt vom 6. bis 14. Le- 
bensjahr. Die öffentlichen Schulen sind Staats- 
anstalten. Daneben bestehen Privatschulen, zum 
Teil mit staatlicher Unterstützung. Privatschulen 
sind auch die Konfessionsschulen der zur evan- 
gelischen Landeskirche nicht gehörenden Religions- 
gesellschaften und Kultusgemeinden. Diese Kon- 
fessionsschulen können auf Antrag der betreffenden 
Religionsgesellschaft durch Beschluß des Mini- 
steriums zu öffentlichen Volksschulen erklärt 
werden. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn die 
betreffende Schule ständig von mindestens 50 
Schulkindern besucht wird oder sonst genügende 
Bürgschaften gegeben sind. Der Aufwand für die 
Volksschulen wird teils vom Staat teils von den 
Schulverbänden getragen. Schulgeld wird er- 
hoben. Die Fortbildungsschule ist je nach kom- 
munaler Bestimmung pflichtmäßig oder freiwillig. 
Literatur. Beckmann, Historie des Fürsten- 
tums A. (2 Bde, Zerbst 1710); Lentz, Becmannus 
enucleatus, suppletus et continuatus (Cöthen u. 
Dessau 1757); Linder, Gesch. u. Beschreibung des 
Landes A. (1833); Siebigk, Das Herzogtum A. 
(1867); v. Heinemann, Codex diplomaticus An- 
haltinus (6 Bde, 1867/83); Weyhe, Landeskunde 
des Herzogtums A. (2 Bde, 1907). Mitteilungen des 
Ver. für anhalt. Geschichts= u. Altertumskunde (seit 
1875); Mitteilungen des Herzogl. Anhalt. Statist. 
Bureaus (seit 1867). — Pietscher, Staatsrecht von 
A. (im Handbuch des öffentl. Rechts, hrsg. von 
Marquardsen, III. Bd, 1884); Günther u. Schnei- 
der, Grundzüge der Gesetzes= u. Wirtschaftskunde 
für anhalt. Staatsbürger (1907); Knorre, Samm- 
lung der Gesetze u. Verfügungen, die das anhalt. 
Volksschulwesen betreffen (1894); Zusammenstel- 
lung von Kirchengesetzen für das Herzogtum A. 
(1895). Freisen, Staat u. kathol. Kirche in den 
deutschen Bundesstaaten Lippe usw. II (1906) 1 bis 
142). — Hof= u. Staatshandbuch für das Herzog- 
tum Anhalt. LEd. Franz, rev. Sacher.] 
Anleihen s. Staatsschulden. 
Annam s. Frankreich. 
Annexion s. Staatsgebiet. 
Annuität s. Staatsschulden. 
Ansiedlungsgesetzgebung s. Renten- 
üter. 
Antisemitismus s. Jraeliten.
	        
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