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1878 (Jahrbücher f. Nat-Okon. u. Statistik, 1881);
Karpeles, Die engl. Fabrikgesetze (1900); Tait,
Die Arbeitergesetzgeb. in den Ver. Staaten (1884);
Schwiedland, Fabrikgesetzgeb. v. Neuseeland (1896);
Tugan-Baranowsky, Gesch. der russischen Fabrik
(1900); J. Simon, L'ouvrier de huit ans (Par.
1867); ders., L'ouvrière (ebd. 71891); Leroy-
Beaulieu, Le travail des femmes au XIXe siecle
(ebd. 1873); C. Caire, La législation sur le travail
industriel (ebd. 1898); P. Louis, LT'ouvrier de-
vant I’Etat; Etude comparée des lois du travail
dans les deux mondes (ebd. 1906); A. Vermersch,
La législation et les euvres en Belgique (Löwen
1900); Staicovici, De la protection du travail
en Roumanie (Bukarest 1893); Howell, A Hand-
book of the Labour Laws (Lond. 1895); Whittel-
sey, Massachusetts Labour Legislation (Philadel-
phia 1901); Willoughby, Essais sur la législation.
ruvrière aux Etats-Unis (Par. 1903); Lloyd,
Newest England (bd. h. Australia, Neuyork 1900);
Metin, Législation ouvrière et sociale en Austra-
lie et Nouvelle Zealand (Par. 1901). [Hitze.]
Arbeitervereine s. Gewerkvereine.
Arbeiterversicherung. 1. Grund-
gedanke und Zweck. Der „Preis" der
Arbeit soll wenigstens die „Produktionskosten“
decken, d. h. der gesamte Arbeitslohn, den ein
Durchschnittsarbeiter während seiner Arbeitsjahre
erzielt, muß nicht bloß für den Lebensunterhalt
der Arbeitsjahre ausreichen, sondern es müssen
auch das „Anlagekapital“ der Jugendzeit, die
Auslagen für die unproduktiven Tage der Krank-
heit, des Alters, der unverschuldeten Arbeitslosig-
keit gedeckt werden. Den Teil des Einkommens,
welchen der Arbeiter als Familienvater für seine
Kinder verwendet, kann man als Amortisations=
quote seines eigenen Erziehungskapitals und als
Sparfonds für sein eigenes Alter — wo die
Kinder für ihn sorgen — betrachten. Jugend-
versorgung und Altersversorgung vollzieht sich
so in der Familie in der Aufeinanderfolge der
Geschlechter. Natürlich findet dieser Austausch in
freier, unbewußter Weise statt, ohne Abwägung
des Mehr oder Weniger. In der Familie ist so
die nächste normale Altersversorgung gegeben; aber
weil leider das Familienleben vielfach gar sehr
gelockert ist und die Kinder ihrer Pflichten ver-
gessen, und, insoweit es sich um unverheiratete
oder kinderlose Arbeiter handelt, diese meistens
nicht sparen, erscheint eine gesetzliche Altersversor-
gung notwendig. — Der Zweck der Versicherungen
liegt einerseits in dem Sparzwang, anderseits
in der Ausgleichung der individuellen Zufällig-
keiten durch die Solidarität der Berufsgenossen.
Die Versicherung ist ohne Zweifel das sicherste
Mittel, dem Arbeiter den Lebensunterhalt für alle
Lebenslagen zu garantieren; aber nur wenn die
Versicherung obligatorisch ist, erfüllt sie tatsächlich
diesen Zweck. Der Arbeiter kommt eben aus
eigenem Entschluß nicht dazu, regelmäßig den
Beitrag einzuzahlen, selbst wenn sein Einkommen
Arbeitervereine — Arbeiterversicherung.
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„vom Mund absparen“, und dazu gehört eine hohe
moralische Kraft. Anderseits denkt der Arbeiter
in gesunden Tagen, zumal in der Jugend, wo er
am besten sparen kann, zu wenig an die Möglich-
keit der Erkrankung, der Verunglückung, des
Alters, der unverschuldeten Arbeitslosigkeit usw.
Oft ist es auch die Gewinnsucht und der Mangel
an Umsicht von seiten der Eltern und Angehörigen,
welche die Vorsorge für die Zukunft hindern. —
Die Versicherung muß obligatorisch sein auch zu
zweckmäßiger Ausgleichung der Zufälle.
Diese wird um so schwieriger und bedeutungs-
voller, je weiter das Ziel der Versicherung gesteckt
wird. Während die Krankenversicherung schon in
kleinerem Kreis möglich ist, erfordert die Unfall-
versicherung schon größere Bezirke zum Ausgleich
der Unfälle. Für die Krankenversicherung genügt
noch der Versicherungszwang und kann für
die Wahl und Organisation der Kasse weiter
Spielraum gegeben werden, während die Unfall-
versicherung schon die gesetzliche Zwangsge-
nossenschaft erfordert. Die Invaliden-,
Witwen= und Waisenversorgung erfordert erst
recht eine breitere Basis, damit sowohl die Frei-
zügigkeit der Arbeiter ohne Schädigung der er-
worbenen Rechte gewahrt bleibt, als auch durch
Beteiligung aller Lebensalter ein Ausgleich zwischen
Beiträgen und Renten erleichtert wird. — Um
das Ziel der Versicherung allgemein und sicher zu
erreichen, ist auch in anderer Beziehung die gesetz-
liche Versicherungspflicht unter staatlicher Ober-
aufsicht der einzig gegebene Weg. Nur wenn die
Versicherung obligatorisch, dem Gebiet des freien
Arbeitsvertrags entrückt ist, wird auch der Bei-
trag allmählich zu einem festen, gegebenen
Bestandteil des Arbeitslohns bzw.
der „durchschnittlich und gewohnheitsmäßig zur
Fristung der Existenz und zur Fortpflanzung er-
forderlichen Lebensnotdurft“. Die Lebenshaltung
der Arbeiter wird so um diese Prämie, welche
der Arbeiter zahlt, sich steigern und diese in einem
höheren Arbeitslohn sich Ausdruck verschaffen.
Für den Arbeitgeber wird sie als eine Erhöhung
der Produktionskosten sich darstellen, die aber auch
wieder im Preis der Produkte zum Ausdruck
kommt. Früher war es die offizielle und frei-
willige Armenpflege, welche für den kranken, in-
validen, arbeitslosen Arbeiter und seine Familie
eintreten und die durch den Arbeitslohn zu deckende
durchschnittliche Lebensnotdurft ergänzen mußte;
durch die obligatorische Versicherung werden der
Industrie selbst diese Kosten aufgelegt. Diese
Prämien sind eben als die „Produktionskosten“ der
Arbeit anzusehen, welche die Industrie decken muß.
Was den Beitrag des Arbeitgebers
anbelangt, so stellt sich dieser nur als eine neue,
der heutigen wirtschaftlichen Entwicklung entspre-
chende Ausgestaltung der guten alten patriarcha-
lischen Auffassung dar, daß der Arbeiter, Dienst-
allein (ohne den Zuschuß des Arbeitgebers) dafür bote und Geselle, welcher seine Kräfte in treuer
ausreichen würde. Oft muß er sich die Prämie Hingabe für den Arbeitgeber aufgerieben hat, auch