Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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wie jeder Miteigentümer von Gemeindegründen 
verlangen, daß die Teilnahmerechte sämtlicher 
Berechtigten auf ein bestimmtes Maß fixiert und 
demnach die Nutzungen geordnet werden. Er kann 
insbesondere verlangen, daß die Art und Zahl 
des aufzutreibenden Viehs, die Zeit der Ausübung 
der Hütung genau festgesetzt, daß bei Holzungs- 
berechtigungen das Brennholz auf ein bestimmtes 
Deputat normiert werde. Auch darüber, ob ver- 
mengte, mit gegenseitigen Dienstbarkeiten belastete 
Acker auf mehr Jahre, als bisher üblich war, be- 
sät oder nicht besät, zur Hütung oder Aufforstung 
niedergelegt, ob Weideplätze zu Wiesen eingeschont 
oder zu Ackern aufgebrochen, ob Wiesen mit der 
Hütung gänzlich verschont, ob gemeinschaftliche 
Forsten gerodet oder abgeholzt, ob Sandschollen 
gedeckt, Be= und Entwässerungsanstalten angelegt 
werden sollen, äußert sich der betreffende zweite 
Hauptabschnitt dieses Gesetzes. Ungleich weiter 
geht der erste. Er verfolgt dreierlei Zwecke: die 
gänzliche Aufhebung der den ländlichen Grund- 
besitz beschwerenden Servituten, die Teilung von 
Grundstücken, die irgend einer gemeinschaftlichen 
Nutzung unterliegen, auch der Forsten, und in 
Gemeinschaft mit der Teilung die Zusammenlegung 
des übrigen zersplitterten, im Gemenge liegenden 
Grundbesitzes. Nur innerhalb einer derartigen 
Gemeinheit konnte ohne Einwilligung des Eigen- 
tümers ein Grundstück verlegt, mit seiner Ein- 
willigung aber jedes zweckmäßig verwendbare 
Grundstück in eine anhängige Gemeinheitsteilung, 
Separation, wie der technische Ausdruck lautet, 
hereingezogen werden. Die Praxis erhob diesen 
anfänglich sekundären Zweck des Separationsver- 
fahrens gar bald zum hauptsächlichsten, der dann 
durch ein neueres Gesetz vom 2. April 1872 seine 
gebührende Berücksichtigung gefunden hat durch 
die Ausdehnung des Zusammenlegungsverfahrens 
auch auf solche Grundstücke, die einer gemeinschaft- 
lichen Benutzung nicht unterliegen, und durch An- 
wendung desselben auch auf einzelne bestimmt oder 
natürlich abgegrenzte Feldteile einer oder mehrerer 
Gemarkungen. Alle in solcher Weise dem Verfahren 
unterworfenen Grundstücke werden als eine 
Masse betrachtet, deren Teilung auf die der all- 
gemeinen Landeskultur möglichst förderliche Art 
und in der Weise vorzunehmen war, daß jeder 
Beteiligte den seinen Anrechten entsprechenden 
Teil an dem allgemeinen Wert erhält. Das ist 
der Gesichtspunkt, worauf der Rechtskreis der Um- 
und Zusammenlegung beruht und von welchem der 
einzelne Interessent in Beurteilung seiner Stel- 
lung zur Gesamtheit der Interessenten auszugehen 
hat. Die Wahrnehmung des dabei hervortreten- 
den höheren Landeskulturinteresses steht den Aus- 
führungsbehörden Generalkommissionen) 
zu, die an die Stelle der ordentlichen Regierungs- 
und Polizeibehörden treten, und zwar mit richter- 
licher Kompetenz, aber auch mit richterlicher Ver- 
antwortlichkeit. Vorgeschriebene Regel nun ist, 
daß jeder Interessent für seine sich nach der Größe 
Arrondierung. 
  
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und Güte des eingeworfenen Besitzes bestimmende 
Forderung (Sollhaben) in entsprechender Entfer- 
nung von seinem Wirtschaftshof, womöglich in 
einem einzigen Plan, abzufinden ist, daß er sich 
dabei einen Austausch von Acker-, Weide- und 
Wiesenboden, ferner den Verlust an Fläche gegen 
Ersatz in der Bonität und umgekehrt gefallen lassen, 
ausnahmsweise sogar, wenn eine gerechte land- 
wirtschaftliche Ausgleichung nicht zu ermöglichen 
ist, mit einer Entschädigung in Kapital oder Rente 
sich begnügen muß. Voraussetzung ist nur, daß 
ihm dadurch in dem bisherigen Wirtschaftsbetrieb 
seines Hauptguts keine Betriebsänderung aufge- 
nötigt wird. Für zufällige und vorübergehende 
Wertsgegenstände, als Düngung, Einhegung 
usw., findet, auch nach allen andern Gesetzge- 
bungen, nur eine Ausgleichung und Entschädi- 
gung in Geld statt. Als eine Veränderung im 
Wirtschaftsbetrieb gilt es, wenn eine bisherige 
Ackerwirtschaft im wesentlichen in eine Viehzüchterei 
verwandelt werden müßte, und umgekehrt; wenn 
ein überwiegender Hauptzweig der Wirtschaft ganz 
oder größtenteils aufgegeben oder wenn ein ge- 
spannhaltender Ackerwirt sein Gespann abschaffen 
und seine Ländereien mit der Hand bebauen müßte, 
und umgelehrt. Bei Zumessung der Planabfin- 
dungen, bezüglich deren die Interessenten vorher 
mit ihren bezüglichen Anträgen und Wünschen ge- 
hört werden sollen, sind (nach den darüber erlassenen 
Instruktionen) folgende Rücksichten zu nehmen: 
auf die Nähe und wirtschaftlich bequeme Lage zu 
dem Wirtschaftsgehöft, für welches sie ausgewiesen 
werden;, auf den möglichst vollständigen Zusammen- 
hang der zu einem Gut gehörenden (d. h. aus- 
zuweisenden) Grundstücke; auf wirtschaftlich zweck- 
mäßige und bequeme Zugänge zu denselben vom 
Wirtschaftshofe her und auch zu den einzelnen Teil- 
stücken; auf Hinwegräumung physischer Kultur- 
hindernisse und Benutzung vorhandener physischer 
Vorteile und Gelegenheiten zu nützlichen Kultur- 
anlagen, wie Bäche, abzulassende Seen usw.; auf 
wirtschaftlich zweckmäßige geometrische Gestalt der 
Pläne. Als vollkommenste Planfigur wird das 
Rechteck anempfohlen; spitze und stumpfe Winkel 
sind möglichst zu vermeiden, ebenso zu lang ge- 
streckte Pläne. Die Abfindung in einem einzigen 
Plan, welche, wie gesagt, die Regel bilden soll, 
gelingt in den meisten Fällen nicht und läßt sich 
nur bei größeren Besitzungen und da erzielen, wo 
eine Feldmark in Bezug auf Gattung, Bodengüte, 
Wert und Klassenverhältnis aller Grundstücke sehr 
gleichmäßig ist. 
Diesem preußischen Konsolidationssystem steht 
am schärfsten gegenüber das nassauische. Gestützt 
auf ältere, zum Teil sogar im 15. und 16. Jahrh. 
schon ergangene Bestimmungen und berechnet auf 
einen weit vorgeschrittenen Kulturzustand, insbe- 
sondere aber auf die weit vorgeschrittene Zerstück- 
lung des Grundbesitzes, tritt bei ihr überwiegend 
als der Zweck des Verfahrens die Einführung 
neuerlandwirtschaftlicher Meliorationen selbstdurch
	        
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