43
wie jeder Miteigentümer von Gemeindegründen
verlangen, daß die Teilnahmerechte sämtlicher
Berechtigten auf ein bestimmtes Maß fixiert und
demnach die Nutzungen geordnet werden. Er kann
insbesondere verlangen, daß die Art und Zahl
des aufzutreibenden Viehs, die Zeit der Ausübung
der Hütung genau festgesetzt, daß bei Holzungs-
berechtigungen das Brennholz auf ein bestimmtes
Deputat normiert werde. Auch darüber, ob ver-
mengte, mit gegenseitigen Dienstbarkeiten belastete
Acker auf mehr Jahre, als bisher üblich war, be-
sät oder nicht besät, zur Hütung oder Aufforstung
niedergelegt, ob Weideplätze zu Wiesen eingeschont
oder zu Ackern aufgebrochen, ob Wiesen mit der
Hütung gänzlich verschont, ob gemeinschaftliche
Forsten gerodet oder abgeholzt, ob Sandschollen
gedeckt, Be= und Entwässerungsanstalten angelegt
werden sollen, äußert sich der betreffende zweite
Hauptabschnitt dieses Gesetzes. Ungleich weiter
geht der erste. Er verfolgt dreierlei Zwecke: die
gänzliche Aufhebung der den ländlichen Grund-
besitz beschwerenden Servituten, die Teilung von
Grundstücken, die irgend einer gemeinschaftlichen
Nutzung unterliegen, auch der Forsten, und in
Gemeinschaft mit der Teilung die Zusammenlegung
des übrigen zersplitterten, im Gemenge liegenden
Grundbesitzes. Nur innerhalb einer derartigen
Gemeinheit konnte ohne Einwilligung des Eigen-
tümers ein Grundstück verlegt, mit seiner Ein-
willigung aber jedes zweckmäßig verwendbare
Grundstück in eine anhängige Gemeinheitsteilung,
Separation, wie der technische Ausdruck lautet,
hereingezogen werden. Die Praxis erhob diesen
anfänglich sekundären Zweck des Separationsver-
fahrens gar bald zum hauptsächlichsten, der dann
durch ein neueres Gesetz vom 2. April 1872 seine
gebührende Berücksichtigung gefunden hat durch
die Ausdehnung des Zusammenlegungsverfahrens
auch auf solche Grundstücke, die einer gemeinschaft-
lichen Benutzung nicht unterliegen, und durch An-
wendung desselben auch auf einzelne bestimmt oder
natürlich abgegrenzte Feldteile einer oder mehrerer
Gemarkungen. Alle in solcher Weise dem Verfahren
unterworfenen Grundstücke werden als eine
Masse betrachtet, deren Teilung auf die der all-
gemeinen Landeskultur möglichst förderliche Art
und in der Weise vorzunehmen war, daß jeder
Beteiligte den seinen Anrechten entsprechenden
Teil an dem allgemeinen Wert erhält. Das ist
der Gesichtspunkt, worauf der Rechtskreis der Um-
und Zusammenlegung beruht und von welchem der
einzelne Interessent in Beurteilung seiner Stel-
lung zur Gesamtheit der Interessenten auszugehen
hat. Die Wahrnehmung des dabei hervortreten-
den höheren Landeskulturinteresses steht den Aus-
führungsbehörden Generalkommissionen)
zu, die an die Stelle der ordentlichen Regierungs-
und Polizeibehörden treten, und zwar mit richter-
licher Kompetenz, aber auch mit richterlicher Ver-
antwortlichkeit. Vorgeschriebene Regel nun ist,
daß jeder Interessent für seine sich nach der Größe
Arrondierung.
414
und Güte des eingeworfenen Besitzes bestimmende
Forderung (Sollhaben) in entsprechender Entfer-
nung von seinem Wirtschaftshof, womöglich in
einem einzigen Plan, abzufinden ist, daß er sich
dabei einen Austausch von Acker-, Weide- und
Wiesenboden, ferner den Verlust an Fläche gegen
Ersatz in der Bonität und umgekehrt gefallen lassen,
ausnahmsweise sogar, wenn eine gerechte land-
wirtschaftliche Ausgleichung nicht zu ermöglichen
ist, mit einer Entschädigung in Kapital oder Rente
sich begnügen muß. Voraussetzung ist nur, daß
ihm dadurch in dem bisherigen Wirtschaftsbetrieb
seines Hauptguts keine Betriebsänderung aufge-
nötigt wird. Für zufällige und vorübergehende
Wertsgegenstände, als Düngung, Einhegung
usw., findet, auch nach allen andern Gesetzge-
bungen, nur eine Ausgleichung und Entschädi-
gung in Geld statt. Als eine Veränderung im
Wirtschaftsbetrieb gilt es, wenn eine bisherige
Ackerwirtschaft im wesentlichen in eine Viehzüchterei
verwandelt werden müßte, und umgekehrt; wenn
ein überwiegender Hauptzweig der Wirtschaft ganz
oder größtenteils aufgegeben oder wenn ein ge-
spannhaltender Ackerwirt sein Gespann abschaffen
und seine Ländereien mit der Hand bebauen müßte,
und umgelehrt. Bei Zumessung der Planabfin-
dungen, bezüglich deren die Interessenten vorher
mit ihren bezüglichen Anträgen und Wünschen ge-
hört werden sollen, sind (nach den darüber erlassenen
Instruktionen) folgende Rücksichten zu nehmen:
auf die Nähe und wirtschaftlich bequeme Lage zu
dem Wirtschaftsgehöft, für welches sie ausgewiesen
werden;, auf den möglichst vollständigen Zusammen-
hang der zu einem Gut gehörenden (d. h. aus-
zuweisenden) Grundstücke; auf wirtschaftlich zweck-
mäßige und bequeme Zugänge zu denselben vom
Wirtschaftshofe her und auch zu den einzelnen Teil-
stücken; auf Hinwegräumung physischer Kultur-
hindernisse und Benutzung vorhandener physischer
Vorteile und Gelegenheiten zu nützlichen Kultur-
anlagen, wie Bäche, abzulassende Seen usw.; auf
wirtschaftlich zweckmäßige geometrische Gestalt der
Pläne. Als vollkommenste Planfigur wird das
Rechteck anempfohlen; spitze und stumpfe Winkel
sind möglichst zu vermeiden, ebenso zu lang ge-
streckte Pläne. Die Abfindung in einem einzigen
Plan, welche, wie gesagt, die Regel bilden soll,
gelingt in den meisten Fällen nicht und läßt sich
nur bei größeren Besitzungen und da erzielen, wo
eine Feldmark in Bezug auf Gattung, Bodengüte,
Wert und Klassenverhältnis aller Grundstücke sehr
gleichmäßig ist.
Diesem preußischen Konsolidationssystem steht
am schärfsten gegenüber das nassauische. Gestützt
auf ältere, zum Teil sogar im 15. und 16. Jahrh.
schon ergangene Bestimmungen und berechnet auf
einen weit vorgeschrittenen Kulturzustand, insbe-
sondere aber auf die weit vorgeschrittene Zerstück-
lung des Grundbesitzes, tritt bei ihr überwiegend
als der Zweck des Verfahrens die Einführung
neuerlandwirtschaftlicher Meliorationen selbstdurch