Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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völlige Umwandlung der bisherigen Kulturart bei 
Gelegenheit und in Veranlassung der Zusammen- 
legung in den Vordergrund. Diese neuen, erst 
aus dem Verfahren hervorgehenden Meliorationen 
und Kulturen werden, abweichend und im Gegen- 
satz zum preußischen Gesetz, auch bei der Zu- 
teilungsberechnung zugrunde gelegt. Es gehören 
dahin z. B. die Ausrodung der für den Acker- 
und Wiesenbau nutzbaren Waldstücke, die Um- 
wandlung der beständigen Weiden und des Od- 
lands in Wiesen und Ackerland, die Umschaffung 
unbrauchbarer Ländereien zu Forsten, die An- 
legung von Rieselwiesen, die größere oder geringere 
Ausdehnung der Viehzucht oder des Handels- 
gewächsbaus usw. Zur Erreichung dieser Zwecke 
werden nun in einer Flur, worunter nach der 
örtlich geschlossenen Zusammenlage der dritte oder 
vierte Teil des sämtlichen Ackerlandes einer Ge- 
markung zu verstehen ist, je nachdem die Drei- 
oder Vierfelderwirtschaft obwaltete, Unterabtei- 
lungen, Distrikte gebildet, welche nach Art ihrer 
besondern Produktionsfähigkeit sich unterscheiden, 
je nachdem sie sich vorzugsweise zu Weizen und 
Klee, oder zu Korn, Rüben und Flachs, oder zu 
Gerste, Kartoffeln, Kohlrabi usw. eignen, und 
diese Distrikte dann wieder in 30 bis 60 Morgen 
große Gewanne zerlegt behufs zweckdienlicher 
Bebauung und Bewässerung. Jede der solcher- 
gestalt getrennten und abgegrenzten Abteilungen 
wird dann als ein besonderer Verlosungs= und 
Einteilungsbezirk behandelt, in welchem jedem Be- 
sitzer das wieder in der besondern Bodengattung, 
in Klee= oder Kartoffelboden usw., ungeschmälert 
zugeteilt wird, was er darin besessen hat. Dies 
geschieht durch Bildung von unteilbaren Normal- 
parzellen, deren Minimalgröße für Frucht= und 
Ackerland auf 700, für Wiesenland auf 350, für 
Kraut= und Gemüseland auf 210 und für Garten 
auf 140 am bemessen ist. Bei der Zuteilung, die 
in Ermanglung freier Einigung in Form des 
Losens geschieht, findet eine Ausnahme von der 
Bildung zu dieser Größe nur dann statt, wenn 
ein Besitzer in einer Verlosung nicht den Gehalt 
Arrondierung. 
  
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Produkt der freien, in den fränkischen Volksstäm- 
men hergebrachten, und insofern tragen beide Sy- 
steme Rechtsanschauungen und Rechtsgewohnheiten 
dieser Volksstämme Rechnung. So haben sich die 
nord= und mitteldeutschen Staaten in ihren Kon- 
solidationsgesetzen mehr dem preußischen System 
alkommodiert; die südwestdeutschen Staaten sind 
mehr dem nassauischen System gefolgt, insbeson- 
dere, was die Beschränkung der Teilbarkeit der 
zusammengelegten Komplexe betrifft. Im ehe- 
maligen Königreich Hannover gelten die Gesetze 
von 1802 und 1842, die im preußischen Sinn 
durch das Gesetz von 1883 umgestaltet wurden, 
die preußisch gewordenen hessischen Landesteile er- 
hielten durch die Gesetze von 1867, 1869 und 
1876 eine gute Grundlage für die Zusammen- 
legung, ebenso wurden die in Schleswig-Holstein 
geltenden Gesetze dem preußischen Verfahren durch 
Gesetz von 1876 angepaßt. Die thüringischen 
Staaten befolgten im allgemeinen bei ihren Ge- 
setzen preußische Grundsätze. In Süddeutschland 
ist es bei dem vorwiegenden Kleinbesitz nicht 
gelungen, durchgreifende Regulierungsgesetze zu 
schaffen, einesteils ist die Bildung der Majorität, 
wie in Baden und Bayern, sehr erschwert, andern- 
teils sind überhaupt nur Wegeregulierungsgesetze, 
wie in Württemberg (1862), erlassen. (Vgl. darüber 
G. Meyer, Lehrb. des deutschen Verwaltungsrechts, 
1883). — In Osterreich, wo schon Joseph 1I. die 
sog. Kommassationen eifrig begünstigt hatte, be- 
steht seit 7. Juni 1883 das Gesetz betr. die Zu- 
sammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke. 
In Bayern gab es seit 1834 die sog. Verein- 
ödung, die Ausscheidung eines Interessenten 
mit Abbau unter Zusammenlegung seines Be- 
sitzes und Aufhebung der wechselseitigen Servi- 
tuten aus der Feldmarksgemeinschaft. Durch diese 
Ausbauten wurden vielfach günstige Erfolge er- 
reicht, da es auf diese Weise möglich war, für die 
im Dorf Bleibenden bessere Planlagen zu erzielen 
und den neuen Hofbesitzern zusammenhängende 
wirtschaftliche Grundstücke zu geben. In Preußen 
sucht man bei abgelegenen Flächen diese Bestre- 
einer Normalparzelle anzusprechen hat, und im bungen auf Abbau ebenfalls zu unterstützen. Am 
Anschluß an diese Bestimmung ist dann ferner 
l 
29. Mai 1886 kam ein neues Flurbereinigungs- 
vorgeschrieben, daß übermäßig große verloste gesetz zustande, da das Gesetz vom 10. Nov. 1861 
Normalparzellen für einen Besitzer, mithin teil- 
bare Parzellen auf der Karte und im Stock- 
und Lagerbuch wirklich in solchen (wie gesagt, 
unteilbaren) Parzellen unter verschiedenen Num- 
mern einzutragen sind. Der Empfänger kann 
diesen seinen neuen Komplex als ein Ganzes be- 
bauen, denselben aber auch zum Zweck der Ver- 
äußerung oder der Realteilung unter verschiedene 
Erben teilen, immer aber nur nach Maßgabe und 
in dem Umfang einer oder mehrerer Normalpar- 
zellen, die dann als solche im Lager= und Grund- 
buch ab= und umgeschrieben werden. — Wie die 
preußische Gesetzgebung ein Ausfluß der gebun- 
denen, in dem sächsischen Volksstamm vorherr- 
schenden Agrarverfassung, so ist die nassauische ein 
  
von geringem Erfolg begleitet gewesen war. Leider 
hat man bei den süddeutschen Zusammenlegungen 
oft zu viel Rücksicht walten lassen. Es war nur 
erlaubt, eine Umlegung in den einzelnen Feld- 
lagen vorzunehmen, wodurch eine großzügige 
Politik direkt unmöglich gemacht wurde. Diese 
Anschauungen waren die natürlichen Folgeerschei- 
nungen des Ubergewichts der vielen Kleinbesitzer. 
Die wirtschaftlichen Vorteile eines solchen Ver- 
fahrens sind einleuchtend. Die Befreiung des 
Bodens von den Servituten allein schon führt zur 
Aufhebung des Flurzwangs, zur Beseitigung der 
Dreifelderwirtschaft, überhaupt zur rationellen 
Landwirtschaft. Ein gleiches gilt von der sach- 
gemäßen Teilung der Gemeinheitsgründe. Das
	        
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