417
private Eigentum liefert erfahrungsmäßig im all-
gemeinen einen größeren Roh= und Reinertrag
als das gemeinschaftlich benutzte. Die Zusammen-
legung der zerstreut liegenden Grundstücke erleichtert
in bedeutendem Grad ihre Bearbeitung, kürzt die
Entfernungen vom Wirtschaftshof ab und erspart
viele Zeit wie Arbeitskräfte in der Beackerung und
Ernte, ganz abgesehen von der erleichterten Mög-
lichkeit des Ausbaus. Als weitere Vorteile, die
jedem Teilnehmer zuwachsen, stellen sich dann fol-
gende dar: Es hören alle Grenzstreitigkeiten auf,
indem alle Grenzen der Abfindungspläne durch
Steine gehörig bezeichnet werden. Ferner werden
auch die Streitigkeiten wegen Beschädigung durch
Überfahrten, Wenden beim Pflügen usw. be-
seitigt. Jeder kann von dem vorbeiführen-
den Weg aus zu seinem Grundstück gelangen.
Das neu hergestellte, vorzugsweise die erleich-
terte Zugänglichkeit der Höhen und der steiler
gelegenen Teile der Feldmark in Rücksicht neh-
mende Wegenetz ist überhaupt einer der wesent-
lichsten Vorteile des ganzen Verfahrens; die Ge-
radelegung erspart zudem manche Flächen. Ganz
dasselbe gilt vom Gräbennetz und den allgemeinen
Be- und Entwässerungsanlagen, zu denen, wie zur
Herstellung gemeinschaftlicher Anstalten — von
den Sand-, Lehm-, Kalk= und Mergelgruben, den
Viehtränken, Rötegruben, Steinbrüchen usw. an
bis zu den Kirchhöfen, Schieß= und Vergnügungs-
plätzen hinauf —, das Verfahren leichte Hand
bietet. Noch weit mehr läßt sich dies behaupten
von den Meliorationen in größerem Maßstab,
von Drainagen, Eindeichungen, Wiesenbauten,
wenn die Verhältnisse danach angetan sind. Durch
die ersparten Furchen zwischen den einzelnen Par-
zellen sowie durch Urbarmachung nutzlos da-
liegender Flächen, des sog. Unlands, wird und
läßt sich wenigstens viel kulturfähiges Land ge-
winnen; überhaupt besteht in der Teilnahme an
den allgemeinen Kulturverbesserungen, in der
Weckung der geistigen Kräfte, der wirtschaftlichen
Einsicht und Herstellung der vollkommensten Rechts-
sicherheit der unbestreitbar größte Vorzug des Kon-
solidationsverfahrens. Die Prozesse haben in den
Ortschaften, die ihre Feldmarken konsolidiert haben,
abgenommen, der Realkredit hat sich erhöht. Es
sind denn auch diese bedeutenden, fast überall an-
erkannten Erfolge gewesen, welche der preußischen
Agrargesetzgebung eine solch ausgedehnte Wirk-
samkeit zugesichert haben, und zwar sowohl im
Innern des Staats wie nach außen hin.
Gleichwohl zählt auch die Konsolidationsgesetz-
gebung ihre prinzipiellen Gegner. Diese weisen
zunächst auf die Unbill hin, die ihrer Ansicht nach
in der Verletzung des Privateigentums liegt. Mit
demselben Recht aber müßte man dann auch die
Expropriation, die Enteignung im allgemeinen
Interesse, verurteilen, die noch viel weiter geht,
indem sie dem Eigentümer für sein abzutretendes
Grundeigentum eine Geldentschädigung aufnötigt,
während die Konsolidation ihrem eigentlichen Wesen
Staatslexikon. I. 3. Aufl.
Arrondierung.
418
nach nichts weiter ist als der Tausch eines Grund-
stücks gegen ein anderes. Sie führen weiter an,
daß dieselbe, um wirksam zu bleiben, zu einer Um-
gestaltung des Erb= und Familienrechts hindränge
und damit auf diesem Rechtsgebiet Ungleichheiten
erzeuge. Grundsätzlich hat aber das Zusammen-
legungsverfahren mit der Veräußerlichkeit und Teil-
barkeit infolge Erbgangs, wie dies die preußischen
und die nassauischen Gesetze beweisen, gar nichts
zu tun. Sind einmal die allgemeinen Meliora-
tionszwecke, die gemeinnützigen Anlagen bleibend,
so kann die Gesetzgebung eine Wiederholung des
Verfahrens bei wieder eintretender Zersplitterung
vorsehen, wie denn auch das preußische Gesetz vom
2. April 1872 nach einem 30jährigen Zeitraum
seit Ausführung des ersten Verfahrens bei einer
Zweidrittelmehrheit der beteiligten Grundbesitzer
solche für zulässig erklärt. Endlich hat man die
Kostspieligkeit des Verfahrens, das Mißverhältnis
zwischen den aufzuwendenden Kosten und den be-
absichtigten Vorteilen entgegengestellt. Das preu-
Kische Kostengesetz vom 24. Juni 1874 beseitigt
diesen für minder fruchtbare und kleinere Feld-
marken allerdings oft zutreffend gewesenen Ein-
wand durch Einführung von Minimal= und Ma-
rximalbauschsätzen, die sich nach der Fläche des ins
Verfahren einzuwerfenden Besitzes mit Berücksich-
tigung seiner Bonität bestimmen, so daß nicht nur
die Gesamtheit der Kosten, sondern auch der Bei-
trag jedes einzelnen im voraus sich berechnen läßt.
Dies gilt für die eigentlichen Regulierungs-, nicht
aber auch zugleich für die Prozeßkosten. Sind
auch die skizzierten Vorwürfe wohl in der Haupt-
sache unbegründet, so mögen doch immerhin an-
dere stichhaltigere mit Recht und Nachdruck erhoben
werden. War es auch vielfach nötig, die großen um-
oder übergenutzten Weiden und Odländereien einer
besseren und nachhaltigeren Kultur zuzuführen, so
erschien es meist durchaus verkehrt, die gemeinschaft-
lichen Wälder der Aufteilung zu unterwerfen.
Große, nicht oder kaum wieder gutzumachende
Schäden hat unsere Volkswirtschaft durch die ein-
seitige, oft rein juristisch formale Ausdehnung des
Zus legungsverfahrens auf viele Flächen
erlitten; die Uberspannung einer Idee „Gemein-
gut ist schädlich“ (§ 21 der Gemeinheitsteilungs-
ordnung) und ihre übereifrige Ausführung ohne
Anpassung an Klima, Gegend und Lebensgewohn-
heiten hat recht bedenklich gewirkt. Die Technik
des Verfahrens war vielfach ungenügend entwickelt;
jetzt sucht man eifrig ehemalige Gemeinflächen wie-
der zu Waldgenossenschaften zusammenzuschließen
und überhaupt Gemeingut zu begründen (An-
siedlungskommission). Es wird die Zeit nicht mehr
fern sein, wo man ein nicht so rosig liberal ge-
färbtes Bild von den Folgen der Agrargesetzgebung
aufstellt, unsere kommunistischen Anschauungen
drängen von selbst auf gemeinsame Betätigung
hin. Leitender Grundsatz für ein Verfahren muß
sein und bleiben, daß es auf solche Grundstücke
und Flächen nicht ausgedehnt wird, bei deren Um-
14