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legung es an einem Interesse der Landeskultur
fehlt, oder für welche sich ein Aquivalent in Grund
und Boden gar nicht oder nur mit äußersten
Schwierigkeiten ausmitteln läßt. Die neueren
preußischen Gesetze haben deshalb folgende Aus-
nahmen statuiert: Gebäude, Hofraiten, Haus-
gärten, Kunstwiesen, Parkanlagen und solche An-
lagen, deren Hauptbestimmung die Gewinnung
von Obst, Hopfen oder Gartenkultur ist, Wein-
berge, forstmäßig bewirtschaftete Waldgrundstücke
sowie solche Lehm-, Sand-, Kalk= und Mergel-
gruben, Kalk= und andere Steinbrüche, welche einer
gemeinschaftlichen Benutzung nicht unterliegen,
ferner sonstige zur Gewinnung von Fossilien oder
zu gewerblichen Anlagen dienende Grundstücke,
desgleichen Grundstücke, aus denen Mineralquellen
vorhanden sind, endlich Grundstücke, auf welchen
Denkmäler oder Familiengräber sich befinden.
Diese können nur mit Einwilligung aller Betei-
ligten in die Zusammenlegung gezogen werden.
So begründet diese Maßnahme auch vielfach im
Landeskultur= und eigenen Interesse der Betei-
ligten ist, so darf nicht verhehlt werden, daß sie
in dieser Allgemeinheit auch ihre großen Schatten-
seiten hat. Besonders trifft dies zu bei der Zu-
sammenlegung der Dorf= oder Stadtgrundstücke
behufs Schaffung zweckmäßiger und neuer Straßen
und von Baugelände. Ein einziger widerstreben-
der Interessent kann hier eine notwendige und
heilsame Reform verhindern, ein gewisser Zwang
wäre auch in diesem Fall recht erwünscht.
Ein neueres Anwendungsgebiet des Zusammen-
legungsverfahrens stellen überhaupt die Stadt-
oder Dorfzusammenlegungen mit ihren öfters
segensreichen Folgen dar. Manche Städte und
Dörfer, namentlich Westdeutschlands, haben da-
durch erst eine Entwicklungsmöglichkeit zum Fort-
schritt erhalten. Man kann wohl behaupten, daß
den meisten Stadtverwaltungen unserer Mittel-
und Großstädte infolge des Mangels an Vor-
aussicht für Beschaffung gut aufgeschlossenen
Baugeländes ein Teil der Schuld an der un-
geheuren Bodenspekulation und der Verteuerung
des Baugeländes beizumessen ist. Hätten die
Städte frühzeitig für die Aufstellung von allen
neuzeitlichen Verhältnissen entsprechenden Bau-
plänen gesorgt, so würde sowohl die Entwicklung
der Städte öfter eine leichtere und für das All-
gemeinwohl billigere und heilsamere gewesen sein.
Entschuldigend kommt allerdings hinzu, daß sich
eine so große Erweiterung schwer voraussehen ließ.
Immerhin ist anzuerkennen, daß durch den An-
kauf von Baugelände seitens der Kommunen und
die Einrichtung von Vermessungsbureaus in vielen
Groß= und Mittelstädten günstige Wirkungen in
neuerer Zeit erzielt worden sind. Eine Zusammen-
legung oder Umlegung ist allerdings nur selten
möglich, da unsere auf Besserung des landwirt-
Arrondierung.
schaftlichen Betriebs und der Wirtschaftsverhält-
nisse berechneten Gesetze schon mit Rücksicht auf
die verlangte Majorität bei vielem Kleinbesitz und
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widerstreitenden Interessen kaum hierauf anzu-
wenden sind. In einzelnen deutschen Bundesstaaten
hat man deshalb in der neuesten Zeit besondere ge-
setzliche Maßnahmen getroffen, auf Grund deren
die Grundstücke eines Stadterweiterungsgebiets
gegen den Willen einzelner Eigentümer in eine
Masse zusammengeworfen und aus dieser nach
Ausscheidung der Straßen und öffentlichen Plätze
bebauungsfähige Grundstücke gebildet und den
Eigentümern der früheren Grundstücke nach Maß-
gabe des Werts derselben zugeteilt werden (Zonen-
enteignung). Solche Gesetze sind in Hamburg
(1892), Hessen (1895), Baden (1896) und Sachsen
(1900) erlassen worden. Das preußische Gesetz
vom 6. Juli 1902 beschränkt sich nur auf Frank-
furt a. M., kann aber auf andere Gemeinden auf
deren Wunsch durch königliche Verordnung aus-
gedehnt werden.
Bei dem seit etwa einem Jahrzehnt besonders
in Ostpreußen zum Zweck des Ankaufs von Od-
ländereien mit nachheriger Aufforstung durch den
Staat angewandten Verfahren hat das Zusammen-
legungsgesetz von 1872 erfolgreich Anwendung
gefunden. Bei alledem hat man, um auf das
Prinzip dieser Gesetzgebung zurückzukommen, sich
wohl davor zu hüten, in der Zusammenlegung der
im Gemenge liegenden Grundstücke ein Universal-
mittel gegen Kreditlosigkeit und Mißwirtschaft zu
erkennen. Der kleinere Grundbesitzer erntet durch
ein solches Verfahren ungleich weniger Vorteile
ein als der größere; er erreicht mitunter nichts
weiter als eine kostspielige Geradlegung seiner
Grenzen. Und selbst wenn, wie es das nassauische
Gesetz mit Recht tut, ein Minimum der Teilbar=
keit statuiert wird, sind in manchen Fällen die
Vorteile doch nur vorübergehende. Wir reden des-
halb einer Provokation auch nur da das Wort,
wo sich in einer Feldmark zugleich die durch das
Gesetz ins Auge zu fassenden höheren, bleibenden
Kulturzwecke, Meliorationen in größerem Maß-
stab, Drainagen, Bewässerungsanstalten, bessere
Kultur= und Verkehrswege, gemeinnützige Anlagen,
wie die oben dargestellten, erreichen lassen, und
wollen auch in diesem Fall die Frage über die Zu-
lässigkeit eines Verfahrens in eine höhere Hand
gelegt wissen als in die der Mehrheit der einzelnen
Interessenten. Das preußische Gesetz vom 2. April
1872 fordert außer der Hälfte der Eigentümer
der umzulegenden Grundstücke, die zugleich mehr
als die Hälfte des Katastralreinertrags der letz-
teren repräsentieren müssen, bei Dorffeldmarken
noch die Zustimmung der Kreisversammlung und
bei städtischen Feldmarken die des Magistrats und
der Stadtverordneten, welche Behörden selbstredend
auf Grund sachverständiger Gutachten urteilen.
Literatur. v. Peyrer, A. (1869); derf., Zu-
sammenlegung der Grundstücke (1873); Windstoßer,
Güterarrondierung (1878); Ditz, Gesch. der Ver-
einödung im Hochstift Kempten (1865); Dorn, Die
Vereinödung in Oberschwaben (1904); Greiff. Die
preuß. Gesetze über Landeskultur (1866); Meitzen,