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Ausgang aus dem Reichsgebiet, zur Rückkehr in
dasselbe sowie zum Aufenthalt und zu Reisen
innerhalb desselben das Erfordernis von Reise-
papieren beseitigt. Doch sind dieselben verpflichtet,
sich auf amtliches Erfordern über ihre Person
genügend auszuweisen. Auf ihren Anirag sollen
ihnen daher auch Pässe oder sonstige Reisepapiere
erteilt werden, wenn ihrer Befugnis zur Reise
gesetzliche Hindernisse nicht entgegenstehen. Die
besondern Bestimmungen über Zwangspässe und
Reiserouten sowie über das Meldewesen zum
Zweck der Kontrolle neu anziehender Personen
und der Fremden an ihrem Aufenthaltsort sind
durch dieses Gesetz nicht berührt. Zu letzterem
Zweck dürfen indessen Aufenthaltskarten weder
eingeführt noch beibehalten werden. Wenn die
Sicherheit des Reichs oder eines einzelnen Bundes-
staats oder die öffentliche Ordnung durch Krieg,
innere Unruhen oder sonstige Ereignisse bedroht
erscheint, kann die Paßpflichtigkeit überhaupt oder
für einen bestimmten Bezirk oder zu Reisen aus
und nach bestimmten Staaten des Auslands
durch Anordnung des Bundespräsidiums vorüber-
gehend eingeführt werden.
Von der Freizügigkeit der Reichsangehörigen
gibt es Ausnahmen, nicht nur insofern als aus
sicherheits- und armenpolizeilichen Gründen die
Freizügigkeit von Reichsangehörigen beschränkt ist,
sondern auch insofern als gewisse Personen ein
gesetzliches und notwendiges Domizil haben. Ein
notwendiges Domizil haben die Ehefrau am
Wohnort ihres Mannes, öffentliche Beamte am
Amtssitz, Soldaten an ihrem Garnisonsort. Ein
gesetzliches, aber nicht notwendiges Domizil haben
die Kinder am Wohnort des Vaters bzw. der un-
ehelichen Mutter, die Witwe am Wohnort des
verstorbenen Ehemannes (B. G. B. 8§ 7/11).
Das Reichsindigenat begründet an sich den
verfassungsmäßigen Anspruch auf den Schutz
des Reichs im Inland und im Ausland (ius pro-
tectionis). Der Reichsangehörige hat daher den
Anspruch, daß die bestehenden Gesetze, welche für
ihn Rechte begründen oder seinem Interesse förder-
lich sind, auch wirklich zu seinen Gunsten ange-
wendet werden. Die Landesverweisung
(Verbannungy ist weder als Strafe noch als Ver-
waltungsmaßregel gegen Reichsangehörige zu-
lässig. Doch kann durch polizeiliche Verfügung
der Aufenthalt gewissen polizeilich bescholtenen
Personen an bestimmten Orten untersagt, der
hilfsbedürftige Bayer und Elsaß-Lothringer in
sein Land ausgewiesen werden; auch kann auf
Grund des Gesetzes über den Unterstützungswohn-
sit vom 6. Juni 1870 die Landesverweisung aus
einem Staatsgebiet in ein anderes, zum Reich ge-
höriges Gebiet erfolgen. Hat nämlich jemand in
seinem Heimatsstaat das Staatsbürgerrecht be-
halten, in einem andern Bundesstaat aber den
Unterstützungswohnsitz erworben, so kann derselbe,
wenn er in hilfsbedürftigem Zustand in seinen
Heimatsstaat zurückkehrt, zum Zweck seiner Ver-
Aufenthaltsrecht ufw.
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pflegung aus dem Gebiet seines Heimatsstaats
an den verpflichteten Armenverband ausgewiesen
werden, wenn die Armenunterstützung aus andern
Gründen als wegen einer nur vorübergehenden
Arbeitsunfähigkeit notwendig geworden ist. Doch
darf die Ausweisung erst erfolgen, nachdem ent-
weder die Annahmeerklärung der in Anspruch ge-
nommenen Gemeinde oder eine wenigstens einst-
weilen vollstreckbare Entscheidung über die Für-
sorgepflicht erfolgt ist. — Die Aufenthaltsfreiheit
der Reichsangehörigen ist außerdem von Reichs
wegen durch das Gesetz betr. den Orden der
Gesellschaft Jesu vom 4. Juli 1872 und durch
das Strafgesetzbuch § 39 beschränkt. Der Orden
der Gesellschaft Jesu, die Kongregationen
der Lazaristen und der Priester vom Heiligen Geist,
die Gesellschaft vom heiligen Herzen Jesu sind vom
Gebiet des Deutschen Reichs ausgeschlossen. Die
Errichtung von Niederlassungen ist ihnen unter-
sagt. Ferner können Inländer durch Reichsbehör-
den aus den Schutzgebieten und aus den Konsular-
gerichtsbezirken ausgewiesen werden. Bestraften
Personen, gegen welche auf die Zulässigkeit von
Polizeiausfsicht erkannt ist, kann durch die
Landespolizeibehörde auf die Dauer von höchstens
fünf Jahren der Aufenthalt an einzelnen bestimm-
ten Orten von der höheren Landespolizeibehörde
untersagt werden. Die Verhängung der Aus-
weisung erfolgt teils durch die Zentral= teils
durch die Ortspolizeibehörde. Werden Inländer
aus Preußen ausgewiesen, so steht ihnen gegen
die Ausweisung die Klage beim Verwaltungs-
gericht zu. Da die Bestimmungen über Freizügig-
keit, Heimats= und Niederlassungsverhälltnisse,
Paßwesen und Fremdenpolizei der Reichsaufsicht
und mit Ausnahme der Heimats= und Nieder-
lassungsverhältnisse in Bayern der Reichsgesetz-
gebung unterliegen, so können die Einzelstaaten
das Aufenthaltsrecht der Inländer nicht in wei-
terem Umfang beschränken, wie dies durch die
Reichsgesetzgebung geschehen ist.
Die Auswanderungsfreiheit ist garan-
tiert, sie ist aber beschränkt durch die Wehrpflicht,
deren Verletzung nach § 140 des deutschen Straf-
gesetzbuchs bestraft wird. Die Aufsicht über die
Auswanderung nach außerdeutschen Ländern steht
dem Reich zu, dessen Befugnis durch das Gesetz
über das Auswanderungswesen vom 9. Juni 1897
geregelt ist. Auch ist in den Handels-, Schiffahrts-
und Konsularverträgen eine gewisse Fürsorge für
die Auswanderer getroffen (s. d. Art. Auswan-
derung). Die geschäftsmäßige Verleitung der
Deutschen zum Auswandern wird nach § 144
des Strafgesetzbuchs mit Gefängnis von einem
Monat bis zu zwei Jahren bestraft. Abzugsgelder
dürfen nicht erhoben werden.
3. Aufenthaltsrechtund Ausweisung
bei Ausländern. Ausländer haben kein ge-
setzlich garantiertes Recht auf freien Aufenthalt im
Inland. Das Recht ihrer Ausweisung bildet einen
Teil der Staatssouveränität. Aus der internatio-