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eine unbedingte Autorität zusteht. Der Mensch
soll, weil Gott will. Zugleich ist das Sittengesetz
aber des Menschen eigenes Gesetz, welches die Ver-
nunft erkennt und anerkennt. Der Gegensatz von
Autonomie und Heteronomie hat hier keine Stelle.
Das Gesetz, dem sich der einzelne in freier Selbst-
bestimmung unterwirft, ist das gottgegebene Gesetz
der menschlichen Natur. Ebenso ist auch die Unter-
werfung unter die staatliche Autorität nicht das
Ergebnis knechtischer Gesinnung, sondern sittliche
Tat des freien vernünftigen Menschen.
Auf dem Boden der theistischen erhebt sich die
christliche Weltanschauung. Zu der Anerkennung
einer überwelktlichen schöpferischen Vernunft triit
der Glaube an die tatsächlich erfolgte Offenbarung
Gottes an die Menschheit. Durch sie und in ihr
tritt die höchste, die absolute Autorität dem mensch-
lichen Denken und Wollen gegenüber. Damit er-
gibt sich für den Christen die Pflicht gläubiger
Annahme und Unterordnung. Der Christ glaubt,
Baader.
was Gott gesagt hat. Für den Katholiken gilt
weiterhin, daß die von Christus, dem Gott-
menschen, gestiftete Kirche die geoffenbarte Wahr-
heit immerfort den Geschlechtern der Menschen
vermittelt. Darum unterwirft er sich pflichtgemäß
in ihrem Bereich der kirchlichen Autorität. Die
weiteste Kluft trennt ihn hier von der naturalisti-
schen Denkweise. Wer von göttlicher Offenbarung
nichts wissen will und dem religiösen Leben höch-
stens in der Sphäre subjektiven Gefühlslebens
eine gewisse Berechtigung zuerkennt, mag sich von
seinem Standpunkt aus dagegen verwahren, daß
Menschensatzung das innerste Heiligtum des Her-
zens meistern wolle. Aber er hat kein Recht, den
andern zu schelten, der auf Grund seines Glau-
bens, der doch auch sein eigenstes Eigentum und
seine sittliche Tat ist, die auf göttlicher Stiftung
und Verheißung beruhende Autorität der Kirche
anerkennt. (v. Hertling.)
Aval, Wechselbürgschaft, s. Wechsel.
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W.
Baader, Franz von, geb. am 27. März
1765 zu München als Sohn des kurfürstlichen
Leibarztes Franz Paula Baader, war das dritte
unter 13 Kindern, von denen die beiden älteren
Brüder, Klemens Alois und Joseph, ebenfalls
literarische Berühmtheit erlangten. Nachdem er
drei Jahre hindurch dem Studium der Medizin zu
Ingolstadt und zu Wien obgelegen hatte, erwarb
er 1785 zu Ingolstadt die medizinische Doktor-
würde, begann unter Leitung seines Vaters die
Arzneikunde auszuüben, wurde aber von den Lei-
den der Kranken stets so ergriffen, daß er die ein-
geschlagene Laufbahn verlassen mußte. Er wandte
sich dem Bergfach zu, bildete sich in demselben
zu Freiberg unter Werner und während eines
mehrjährigen Aufenthalts in England und Schott-
land weiter aus, wurde, nach München zurück-
gekehrt, 1797 Bergrat, 1808 Oberstbergrat und
gewann einen weitreichenden Namen besonders
auch durch die Erfindung einer neuen Methode
von Glasbereitung. Einen noch weiter reichenden
Namen hatte er aber seit seinem Aufenthalt in
England gewonnen durch Veröffentlichung ver-
schiedener, von seltenem Tiefsinn Zeugnis ge-
bender, blitzartig in die Welt hinausgeworfener
spekulativer Abhandlungen. Nachdem er 1820 beie
der Vereinigung der Generalbergwerksadmini-
stration und der Münzkommission außer Aktivität
gesetzt worden war, gab er sich mit ungeteilter
Geisteskraft der spekulativen Forschung hin. Be-
reits im 62. Lebensjahr stehend, erhielt er an der
von Landshut nach München übersiedelten Uni-
versität 1826 durch König Ludwig I. eine philo-
sophische Professur, die er an det Seite von Schel-
ling, auf den er großen Einfluß gewann, Görres,
Staatslexikon. I. 3. Aufl.
Schubert usw. bis zu seinem am 23. Mai 1841
erfolgten Tod versah.— Seine Werke wurden von
seinem treuesten und unermüdlichsten Schüler
Franz Hoffmann, Professor der Philosophie zu
Würzburg (gest. 1881), im Verein mit Ham-
berger, Lutterbeck, v. Osten-Sacken, v. Schaden,
Schlüter der Offentlichkeit übergeben (1851/60).
Der 1. Band umfaßt die verschiedenen Abhand-
lungen zur Erkenntniswissenschaft, der 2. jene
zur Metaphysik, der 3. Naturphilosophie, der
4. Anthropologie, der 5. und 6. Sozietätsphilo=
sophie, der 7.—10. Religionsphilosophie, der
11. enthält die Tagebücher, der 12. die Erläute-
rungen zu den Schriften von Saint-Martin, der
13. die Erläuterungen zu den Schriften von
J. Böhme, der 14. die Erläuterungen zu verschie-
denen Schriften des Thomas von Aquin, der 15.
die Biographie, der 16. das Sach= und Namen-
register. J. Claaßen gab eine Auslese aus Baa-
ders theosophischen Werken (2 Bde, 1886 f) und
eine solche der Gedanken über Staat und Gesell-
schaft, Revolution und Reform (1890). — Im
folgenden soll vornehmlich Baaders „Sozietäts-
hilosophie“ in allgemeinsten Umrissen gezeichnet
und zugleich einer kritischen Beleuchtung unter-
stellt werden. Da sie indessen nur aus seiner
spekulativen Gesamtanschauung heraus be-
griffen und beurteilt werden kann, so möge ein-
leitungsweise auch diese in einigen schwachen Linien
angedeutet werden, so wie sie schon von frühester
Zeit an in Baaders Geist feststand und ein halbes
Jahrhundert hindurch nach immer neuem Aus-
druck gerungen hat. .
Die spekulative Erkenntnis hat nicht in Descar-
tesscher Weise mit dem Zweifel zu beginnen. Wie
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