Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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Oberste geistliche Behörde ist der Erzbischof 
von Freiburg, zugleich Metropolit der Ober- 
rheinischen Kirchenprovinz. Das erzbischöfliche 
Ordinariat in Freiburg besorgt unter dem Vor- 
sitz des Erzbischofs die Regierung der Erzdiözese. 
Die oberste Leitung des Kirchenvermögens liegt 
in den Händen des katholischen Oberstiftungs- 
rats in Karlsruhe, einer Kollegialbehörde, deren 
Mitglieder aus der Zahl der Katholiken zur Hälfte 
von der Regierung, zur Hälfte vom Erzbischof er- 
nannt werden und beiden Teilen genehm sein 
müssen; über den Oberstiftungsrat üben das erz- 
bischöfliche Ordinariat und die Regierung zugleich 
die Aufsicht aus. 
Die Erzdihzese zählt 2 inkorporierte Pfarreien 
(Dompfarrei und St Peter) und 39 in Baden 
gelegene Dekanate (in Hohenzollern 4). 
Neben der Reformation in der lutherischen 
Form fand in Baden auch das reformierte 
Bekenntnis früh Eingang und gewann vielfach die 
Oberhand (Pfalz). Zwar kehrten mehrere Mark- 
grafen zur katholischen Kirche zurück, aber der Pro- 
testantismus blieb in vielen Gegenden herrschend. 
Die Streitigkeiten zwischen Lutheranern und Re- 
formierten, zwischen Katholiken und Reformierten 
G. B. über die 80. Frage des Heidelberger Ka- 
techismus, in welcher die papistische Messe für 
greuliche Abgötterei erklärt wird!) nahmen kein 
Ende. Am 23. Juli 1821 proklamierte eine aus 
Lutheranern und Reformierten zusammengesetzte 
Synode von Geistlichen und Weltlichen die Union 
(„vereinigte evangelisch-protestantische Kirche“"). 
Do diese Vereinigung auch nicht die gewünschten 
Früchte trug, veröffentlichte die Regierung am 
5. Sept. 1861 eine neue Verfassung der evangelisch- 
protestantischen Kirche, welche auf dem Synodal- 
ystem beruht und von der Generalsynode im we- 
sentlichen sanktioniert wurde. Letztere besteht aus 
dem Prälaten der Landeskirche, 7 vom Großherzog 
ernannten, 24 gewählten geistlichen und 24 welt- 
lichen Abgeordneten, einem Vertreter derevangelisch- 
theologischen Fakultät in Heidelberg und einem 
Lehrer des Heidelberger Predigerseminars; die 
Synodalperiode ist eine fünfjährige. Die aus 
sämtlichen Geistlichen und einer gleichen Anzahl 
gewählter weltlicher Mitglieder zusammengesetzten 
Diöbzesansynoden sorgen für das kirchliche Wohl 
der 25 Diözesen. Jede der etwa 370 Gemeinden, 
von denen immer mehrere eine Diözese bilden, ist 
vertreten durch einen Kirchengemeinderat und eine 
Kirchengemeindeversammlung. Die oberste ver- 
waltende Kirchenbehörde ist der Oberkirchenrat in 
Karlsruhe, der unabhängig von der Staatsre- 
gierung im Namen und im Auftrag des Groß- 
herzogs als Landesbischofs das Kirchenregiment 
führt. Unter ihm stehen die Stiftungsverwaltungen 
und die 25 Diözesen, deren Dekane von den geist- 
lichen Mitgliedern der Diözesansynoden auf 6 Jahre 
gewählt und vom Oberkirchenrat bestätigt werden. 
Die Altkatholiken wurden in einem Urteil 
des Oberhofgerichts vom 16. Juni 1873 und der 
  
  
Baden. 
  
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Staatsministerialentschließung vom 9. Nov. 1873 
für Angehörige der katholischen Kirche erklärt und 
der altkatholische Bischof staatlich als katholischer 
Bischof anerkannt. Das Gesetz vom 15. Juni 1874 
erklärte, alle bezüglich der römisch-katholischen 
Kirche des Landes erlassenen Staatsgesetze fänden 
auch Anwendung auf denjenigen Teil der Ka- 
tholiken, welcher den vatikanischen Konstitutionen 
vom 18. Juli 1870, insbesondere von der höchsten 
ordentlichen und unmittelbaren Jurisdiktion und 
vom unfehlbaren Lehramt des römischen Papstes, 
die Anerkennung verweigerten; dieselben sollten 
daher keine Verluste der ihnen als Katholiken zu- 
stehenden Rechte erleiden. Sie bilden, soweit sie 
genügend zahlreich sind, besondere vom Staat an- 
erkannte kirchliche Gemeinden und stehen unter dem 
„Bischof der Altkatholiken“ in Bonn. 
Die Israeliten bilden nach dem Edikt vom 
13. Jan. 1809 einen eigenen konstitutionsmäßig 
ausfgenommenen Religionsteil. Sie haben die 
Rechte einer öffentlichen Korporation. Die oberste 
Kirchenbehörde ist der „Oberrat der Israeliten“ 
zu Karlsruhe, der aus weltlichen und geistlichen 
Mitgliedern besteht, die auf Vorschlag des Ober- 
rats vom Großherzog ernannt werden. Den Vorsitz 
im Oberrat führt ein landesherrlicher Kommissär 
(Mitglied des Kultusministeriums). Das Organ 
der Gesamtheit der badischen Israeliten ist die 
Synode, die sich aus gewählten geistlichen und 
weltlichen Abgeordneten zusammensetzt und alle 
3 Jahre berufen wird. Außer dem Oberrabbiner 
in Karlsruhe zählt das Land 15 Rabbinatsbezirke. 
— Durch das Gesetz vom 4. Okt. 1862 wurden 
den Israeliten die gleichen Rechte wie den Christen 
zugesprochen. 
Das gesamte Schul= und Unterrichts- 
wesen steht unter der unmittelbaren Aufsicht und 
Leitung des Staats (Gesetz vom 8. März 1868). 
Mit Ausnahme der Universitäten und der Tech- 
nischen Hochschule, welche direkt vom Ministerium 
ressortieren, unterstehen alle Schulen usw. dem 
Oberschulrat in Karlsruhe als Landesmittelschul- 
behörde. Das schulpflichtige Alter währt vom 6. 
bis 14. Jahr. Die Volksschule ist, wie schon er- 
wähnt, Simultanschule, doch wird für besondern 
Religionsunterricht Sorge getragen. Bei Besetzung 
der Lehrerstellen soll auf das religiöse Bekenntnis 
der die Schule besuchenden Kinder tunlichst Rück- 
sicht genommen werden. Die Ortsschulbehörde 
setzt sich zusammen aus dem Gemeinderat, einem 
Pfarrer jedes in der Schule vertretenen Bekennt- 
nisses und dem ersten Lehrer. Auch kann eine be- 
sondere Schulkommission gebildet werden. An 
den Volksschulunterricht schließt sich für Knaben 
auf 2, für Mädchen auf 1 Jahr der Fortbildungs- 
unterricht (wöchentlich mindestens 2 Stunden). 
An seine Stelle kann der Besuch einer Haushal- 
tungs-, Gewerbe-, Handels= oder gewerblichen 
Fortbildungsschule treten. 
Literatur. Mone, Quellensammlung zur bad. 
Landesgesch. (4 Bde, 1845,67); Häusser, Denk-
	        
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