Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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1846, 1849 u. ö.; deutsch von Lorinser, 2 Bde, 
1855) entworfen; jetzt vollendete er sie wie im 
Flug und arbeitete daneben den Curso de üflo- 
sofia elemental (Madrid 1847; deutsch von 
Lorinser, 4 Tle, 1852f. 121861) aus. Daß er auch 
mit diesen beiden Werken dem großen Ziel seines 
Lebens treu blieb, Spanien seiner katholischen Ver- 
gangenheit wiederzuschenken, dessen blieb er sich bei 
der Abfassung vollauf bewußt. Die „Fundamente“ 
sind eine Philosophie im Geist des hl. Thomas 
nach den Anforderungen der Neuzeit, genauer eine 
Prüfung der Fundamentalfragen der Philosophie, 
dogmatisch und kritisch zugleich. Es handelt sich 
für Balmes nicht um die Aufstellung eines durch- 
gebildeten Systems, sondern um die von demlcchrist- 
lichen Denken geforderte Stellungnahme zu den 
einzelnen Grundproblemen der neueren Philo- 
sophie, wie solche sind die Gewißheit, die Sensa- 
tionen, die Idee, Ausdehnung und Raum, das 
Sein, Einheit und Zahl, die Zeit, das Unendliche, 
die Substanz, Notwendigkeit und Kausalität; seine 
Kritik umfaßt die Philosophie seit Descartes, be- 
sonders Leibniz, Malebranche, die Materialisten 
des 18. und die deutschen Transzendentalisten des 
19. Jahrh. Die Wissenschaft vom Absoluten, das 
ist das Resultat seiner Spekulation, sucht die 
Philosophie vergeblich auf den Irrgängen des 
von Gott abgewendeten Denkens; ihre Quelle 
ist Gott selbst, für Balmes wie für Gregor 
von Nazianz, das Licht alles geistigen Lebens. 
Bei erhabener philosophischer Konzeption wird 
auch hier die Sprache bei aller Nüchternheit oft 
von aszetischer Milde und Kraft durchleuchtet, wie 
verklärt, während in der Elementarphilosophie 
(Logik, Metaphysik, Ethik, Geschichte der Philo- 
sophie) ganz die Sprach= und Anschauungsweise 
des Criterio wiederkehrt mit der hier unentbehr- 
iihen Rücksicht auf schulgemäße Doktrin und Me- 
thode. 
Im Frühjahr 1847 waren auch diese Arbeiten 
vollendet. Eine Sammlungseinerpolitischen Schrif- 
ten: Escritos politicos (Madrid 1848), war 
unter der Presse. In der Einleitung hatte er noch- 
mals in gedrängter Übersicht von seinen politischen 
Anschauungen sich Rechenschaft gegeben. Erschöpft 
von Arbeit, ergriffen von dem nicht mehr endenden 
Wechseldes Gesundheitszustands, niedergebeugtvon 
dem Schauspiel des Hoflebens der jungen Königin, 
dem Treiben der im März 1847 wieder zur Herr- 
schaft gelangenden Progressisten unter Serrand und 
der überhandnehmenden intellektuellen und morali- 
schen Korruption, sehnte er sich fort von Madrid. 
Seine Freunde bestanden auf einer Erholungsreise. 
Nach einmonatigem Aufenthalt in den Bädern von 
Ontanedo an der kantabrischen Küste (Santander) 
besuchte er nochmals Frankreich und Paris und 
kehrte Mitte Oktober mit der Überzeugung von 
der bevorstehenden Katastrophe nach Madrid zu- 
rück. Der Sturz Serranos und Narvaez' noch- 
maliger Eintritt in die Regierung beruhigten ihn 
nicht mehr über Spaniens nächste Zukunft. Für 
Balmes. 
  
  
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ihn blieb nur noch eine Hoffnung, der öffentlich 
Ausdruck zu geben er bei sich beschlossen hatte. 
Alsbald nach seiner Rückkehr erschien die kleine 
Schrift Pio nono (Madrid 1847), formell eine 
der glänzendsten, aber inhaltlich selbst seine nächste 
Umgebung so wenig befriedigende Verteidigung 
der von diesem Papst bis dahin befolgten Reform- 
politik, daß der Verfasser namentlich von seiten 
der damals maßgebenden Regierungspolitiker in 
keiner Weise geschont wurde; seine Ansicht, das 
Reformwerk des von ihm wegen seiner Frömmig- 
keit, Tugend und Menschenliebe gefeierten Papstes 
sei eine historische Notwendigkeit, nahm er mit 
sich ins Grab. Schmachvolle Verdächtigung seiner 
Ehre und Unabhängigkeit, die unerhört brutale 
Niedertretung der katholischen Interessen in der 
Schweiz nach der Niederlage des Sonderbunds 
(Nov. 1847), der Ausbruch der Pariser Fe- 
bruarrevolution, die progressistische Erhebung in 
Madrid (26. März 1848) und Furcht vor den 
Greueln des Straßenkampfes drückten den von 
dem Wiederausbruch seines Brustleidens schwer 
Gebeugten vollends nieder. In der Sehnsucht 
nach der Luft seiner katalonischen Berge hatte er 
Madrid vor Ausbruch der Märzrevolte verlassen. 
In Barcelona konnte er noch an der lateinischen 
üÜbersetzung seiner Elementarphilosophie arbeiten, 
die er dem Pariser Erzbischof Affre (gest. 17. Juni 
1848) für Schulzwecke zugesagt. Am 15. Mai 
befiel ihn im Hause seines Bruders das Todes- 
fieber; zu seiner großen Freude konnte er am 
28. Mai nach Vich gebracht werden. Am hei- 
ligen Fronleichnamsfest empfing er bei dem in 
seinem Sterbezimmer gefeierten heiligen Opfer 
die Wegzehrung. „Niemand“, sagte sein Bruder, 
„hat aus seinem Munde auch nur eine einzige 
Klage gehört.“ Er starb am Nachmittag des 9. Juli 
1848. Kurz vor dem Eintritt des Todeskampfs 
sagte er: „Mir ist wohl, zwei Menschen leben in 
mir: der eine ist geistlich, der andere leiblich. Der 
leibliche Mensch beschäftigt mich wenig.“ In tiefer, 
vollendeter Ruhe, wie in der Betrachtung begriffen, 
das Auge auf die vor ihm stehende Statue Marias 
geheftet, schied er von hinnen. Das übermächtige 
Geistesleben hatte ihn vor der Zeit aufgerieben; er 
war noch nicht 38 Jahre alt. Fürstliche Ehren von 
weltlicher wie geistlicher Seite geleiteten ihn zu 
Grabez in Vich schuf die Stadtbehörde 4 Tage nach 
seinem Tod zu dauernder Erinnerung an ihren 
besten Sohn den „Balmesplatz“. Ein Aufruf an 
ganz Spanienverlangte für „den großen Verteidiger 
des katholischen Glaubens, den christlichen Philo- 
sophen, den frommen und ausgezeichneten Schrift- 
steller, den Priester Jakob Balmes“ ein würdiges 
Denkmal. Seit Juli 1899 steht an der Fassade 
des Kultusministeriums in Madrid seine Mar- 
morstatue, ein Meisterwerk J. Alcoverros. Ende 
Januar 1848 hatte die Madrider Akademie 
den Marquis von Viluma mit Einstimmigkeit 
beauftragt, ihm wegen seiner Verdienste um die 
spanische Sprache einen Sitz anzubieten; Balmes
	        
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