Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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mitteln, getroffen wurden. Die letztere Ansicht hat 
das Reichsgericht ausgesprochen, indem es für das 
Gebiet des preußischen Allgemeinen Landrechts 
weiter annahm, daß eine etwa gegen das Verbot 
gezahlte Entschädigung von dem Fiskus beansprucht 
werden könne. Der Art. 32 der Reichsverfassung 
war von dem konstituierenden Reichstag zunächst 
abgelehnt und statt dessen eine der preußischen 
Verfassungsbestimmung entsprechende Vorschrift 
angenommen worden. Seit jener Zeit ist in vielen 
Sessionen die Ersetzung des ersteren durch die letz- 
tere versucht worden. Die Anträge wurden vom 
Reichstag stets angenommen, vom Bundesrat 
aber stets abgelehnt. Erst unter dem 21. Mai 1906 
kamen zwei Gesetze zustande, von denen das erstere 
den Art. 32 dahin abänderte, daß den Abgeord- 
neten eine Entschädigung nach Maßgabe des Ge- 
setzes zugebilligt wurde, das letztere die Entschädi- 
gung näher bestimmte. Sie besteht in freier Fahrt 
auf allen deutschen Eisenbahnen (Kleinbahnen und 
ßenbah 89 nach Maßgabe einer 
Bekanntmachung des Bundesrats vom 27. Juni 
1906 und in einer jährlichen Aufwandsentschädi- 
gung von insgesamt 3000 KM in fünf abgestuften 
Monatsraten und einer am Tage der Vertagung 
oder Schließung des Reichstags zahlbaren Schluß- 
rate, letztere im Betrag von 1000 M. Für jeden 
Tag, an dem ein Mitglied des Reichstags der 
Plenarsitzung ferngeblieben ist, oder auch nur an 
einer etwa stattfindenden namentlichen Abstim- 
mung nicht teilgenommen hat, wird von der nächst- 
fälligen Rate ein Abzug von 20 M gemacht. Mit- 
glieder, die erst nach Beginn der Versammlung des 
Reichstags neu eintreten, erhalten bis zum Fällig- 
keitstag der nächsten Rate 20 M Tagegeld für 
jeden Tag der Anwesenheit in einer Plenarsitzung, 
solche, die während der Versammlung ausscheiden, 
ein ebenso hohes Tagegeld seit dem Fälligkeits- 
tag der vorhergehenden Monatsrate. Die An- 
wesenheit eines Mitglieds wird durch eigenhändige 
Eintragung in eine offenliegende Liste nachgewiesen. 
Ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung ist 
nicht zulässig. Die Grundzüge des Gesetzes: 
Bauschalentschädigung mit Abzug, hat schon der 
Philosoph Eduard v. Hartmann vorlangen Jahren 
empfohlen (val. seine Tagesfragen 1896. Nr 5, 
S. 70 fI74 75). — Im Zusammenhang mit 
der Entschädigungsfrage steht, daß nach den Ge- 
setzen verschiedener Staaten, vor allem des Deut- 
schen Reichs (§ 14 des Reichsbeamtengesetzes), auch 
Braunschweigs, den Beamten, welche Abgeordnete 
sind, während ihrer Abwesenheit im Parlament 
  
der Dienstgehalt ungeschmälert fortgezahlt wird 
und die Kosten der Vertretung im Dienst vom 
Staat getragen werden. Die meisten Bundes- 
staaten, wie Preußen, Bayern, Sachsen, Württem- 
berg, haben indessen in dieser Beziehung keine aus- 
drücklichen Vorschriften erlassen. 
Literatur. Die verschiedenen staatsrechtlichen 
Lehrbücher, namentlich Laband, v. Rönne, Meyer, 
v. Schulze-Gävernitz; Handb. des öffentl. Rechts 
Ablösung. 
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der Gegenwart in Monographien, hrsg. von Mar- 
quardsen; die Staats= und Rechtswörterbücher, 
namentlich von Bluntschli, v. Holtzendorff, Rotteck 
u. Welcker. Ferner: Stoerk, Handbuch d. deutschen 
Verfassungen (1884), und Dareste, Les constitu- 
tions modernes (Par. 1883). Fuld, Zusammen- 
stellung der gesetzlichen Bestimmungen der europ. 
Staaten in Bezug auf die Immunität der A. (BdlV. 
des Archivs für öffentl. Recht). Sodann: v. Bar, 
Die Redefreiheit der Mitglieder gesetzgebender Ver- 
sammlungen mit bes. Beziehung auf Preußen (1868); 
Baumbach, Der deutsche Reichstag (in Freunds 
Polit. Handbüchern I); Bucher, Der Parlamenta- 
rismus, wie er ist (11894); Cathrein, Die englische 
Verfassung (1881); Heinze, Die Straflosigkeit par- 
lamentar. Rechtsverletzungen u. die Aufgabe der 
Reichsgesetzgebung (1879); Hubrich, Die parla- 
mentar. Redefreiheit u. Disziplin (1889); ders., 
Parlamentarische Immunität (1903); Kißling, 
Die Unverantwortlichkeit der Abgeordneten und der 
Schutz gegen Mißbrauch derselben (1882); Koppen- 
hagen, Die Immnnität der deutschen Reichstags- 
und Landtags-Abgeordneten gegen Strafverfolgung 
und Verhaftung (Inaugural-Dissertation, 1899); 
Kukutsch, Die Disziplin im Reichstag (1895); 
Milner, Zur Diätenfrage (1874); Müller, Zur 
Immunität der Reichstagsabgeordneten (in den 
Annalen des Deutschen Reichs 1906); Schleiden, 
Die Disziplinar= und Strafgewalt parlamentar. 
Versammlungen über ihre Mitgl. (1879); Sontag, 
Der bes. Schutz der Mitgl. des Reichstags und der 
deutschen Landtage gegen Strafverfolgung u. Ver- 
haftung (1895). Drucksache Nr 272 des preuß. 
Hauses der Abg. aus der Session 1877/78 (Bericht 
d. Geschäftsordnungskommission); Drucksache Nr 15 
des Reichstags aus der Session 1879 (Entwurf eines 
Gesetzes betr. die Strafgewalt des Reichstags über 
seine Mitgl., nebst Begründung) und Stenograph. 
Berichte über die Sitzungen des Reichstags v. 4., 
5., 7. März 1879 (zur Beratung dieses Gesetzent- 
wurfs) und v. 15. Dez. 1894 u. 16. Febr. 1895. 
*[Wellstein.)7 
Ablösung. 1. Begriff und Arten. 
Man muß eine Ablösung im weiteren und im 
engeren Sinn unterscheiden. Unter ersterer ver- 
steht man die Befreiung von Verpflichtungen 
irgend welcher Art gegen Entschädigung kraft 
öffentlichen Rechts, z. B. Aufhebung von Mono- 
polen auf Kauf oder Verkauf bestimmter Waren 
oder von Privilegien zum Betrieb eines bestimmten 
Gewerbes usw. Im engeren Sinn aber wird mit 
dem Wort nur die Aufhebung von Lasten, welche 
auf dem Grund und Boden ruhen, bezeichnet, 
also die Aufhebung von Verpflichtungen, welche 
dem Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks 
einem Dritten gegenüber entweder in der Form 
von Grundgerechtigkeiten (Servituten) 
oder von Reallasten obliegen. Die Grund- 
gerechtigkeiten gewähren ein Recht, in bestimmten 
einzelnen Beziehungen ein Grundstück, während 
letzteres im Besitz eines Dritten sich befindet, be- 
nutzen oder den Besitzer an der Benutzung in den 
gedachten Beziehungen hindern zu können. Man 
denke an Wege-, Hütungs-, Holz= usw. Servi- 
tuten. Die Reallasten (aus dem Gut, nicht auf einer 
 
	        
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