Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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während die dem beweglichen Vermögen dienenden 
im allgemeinen Banken genannt wurden. Ob- 
gleich unter den heutigen Verhältnissen jene Ein- 
teilung wegen der für sie gebrauchten Sammel- 
namen nicht mehr zutreffend ist, nachdem sich eine 
Reihe von Instituten entwickelt hat, welche ledig- 
lich eigene Geschäfte zur Spekulation und des 
Gewinns halber treiben, aber sich mit Vorliebe 
Kreditinstitute nennen, und da anderseits die Ver- 
mittlung des Immobiliarkredits zum größten Teil 
in die Hände von Banken (Hypothekenbanken) 
übergegangen ist, wollen wir doch der Übersicht- 
lichkeit halber die alte Einteilung beibehalten und 
demnach zunächst sämtliche dem Immobiliarkredit 
gewidmeten Institutionen behandeln und dann 
die dem Personalkredit gewidmeten Banken einer 
Betrachtung unterziehen. Die vorwiegend dem 
Kleingewerbe, dem Handwerk und der Arbeiter- 
schaft dienenden Einrichtungen, die Sparkassen, 
Darlehnskassen usw., werden besonders behandelt 
werden. 
I. Einrichtungen für den Immobiliarkredik. 
Dieselben sind entweder Staats= bzw. Kommunal= 
anstalten oder Vereine von Grundbesitzern oder 
Vereine von Kapitalisten, welche des Gewinns 
halber dieses Geschäft betreiben. 
1. Staats= und Kommunalanstalten. 
Solche sind gegründet worden teils zur Hebung 
und Förderung des landwirtschaftlichen Kredits 
überhaupt, teils zur Ablösung bestehender Lasten. 
Zu den ersteren Anstalten gehören in Deutschland 
die staatlichen oder kommunalständischen (provin- 
ziellen) Bodenkreditinstitute, welche den Namen 
Landeskreditkassen oder Landesbanken 
führen. Als staatliche Unternehmungen sind sie 
namentlich in den kleineren norddeutschen Staaten 
geschaffen worden. Die ältesten Gründungen sind 
das herzogliche Leihhaus in Braunschweig (ge- 
gründet 1765) und die herzogliche Landesbank in 
Altenburg (gegründet 1792). Die Landeskredit- 
kassen gaben zuerst nur ländlichen, heute geben sie, 
mit Ausnahme der Landeskreditanstalt in Han- 
nover, auch städtischen Kredit sowie Darlehen an 
Kommunalverbände, politische und kirchliche Ge- 
meinden, vereinzelt auch an Genossenschaften für 
Meliorationszwecke u. dgl. Bisweilen sind diese 
Institute zugleich Sparkassen oder Depositen- 
banken. Die Betriebsmittel werden meist durch 
Ausgabe von Schuldverschreibungen gedeckt. Die 
Landesbanken für die Rheinprovinz (Düsseldorf) 
und für Westfalen (Münster), beide 1888 bzw. 
0 aus „Provinzialhilfskassen“ entstanden, 
geben Provinzialschuldverschreibungen, die Lan- 
deskreditkasse des Großherzogtums Hessen Staats- 
schuldverschreibungen aus. Die zweite Kategorie 
von Kassen entstand in der Zeit der Ablösung des 
bäuerlichen Besitzes von den gutsherrlichen Lasten 
in den Jahren 1830/52. Man sah sehr bald, 
daß diese Ablösung, welche in Geld geschehen 
mußte, durch den Bauer, der bislang Natural- 
wirtschaft getrieben hatte, wegen ungenügender 
Banken und Kreditinstitute. 
  
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Geldmittel nicht möglich war. So entstanden die 
staatlichen Ablösungskreditanstalten oder Renten- 
banken (in Sachsen 1832, in Bayern 1848, in 
Preußen 1852), welche die Ablösung der Grund- 
lasten in der Weise zwischen dem Berechtigten und 
Verpflichteten vermittelten, daß der letztere die Ab- 
lösungssumme von der Kreditkasse als Darlehen 
erhält, ihr verzinst und durch jährliche Abzah- 
lungen zurückzahlt und den Berechtigten mit der 
dargeliehenen Summe abfindet, oder in der Weise, 
daß der Verpflichtete eine Ablösungsrente, welche 
eine Quote zur Kapitalsbildung enthält, an die 
Ablösungskasse zahlt, wogegen diese dem Berech- 
tigten Obligationen (Rentenbriefe, Grundrenten- 
ablösungsschuldscheine) im Kapitalbetrag der Ab- 
lösungssumme übergibt und verzinst und aus den 
Kapitalsquoten, welche durch die Verpflichteten 
nach und nach eingezahlt werden, im Weg der 
Verlosung gegen bar zurücknimmt. Im ersteren 
Fall schießt der Staat die zur Auszahlung an die 
Berechtigten notwendigen Kapitalien vor, im 
letzteren Fall garantiert er die Verzinsung und 
Rückzahlung der Obligationen. Das neue Wir- 
kungsfeld der preußischen Rentenbanken wird bei 
dem Art. Rentengüter besprochen werden. Erst 
in den letzten Jahrzehnten wurden die Landes- 
kulturrentenbanken geschaffen. Es sind dies 
Kreditinstitute zur Darlehnsgewährung für kultur- 
technische Zwecke, insbesondere für Ent= und Be- 
wässerungen sowie für Deichanlagen. Als Staats- 
anstalten wurden sie 1861 in Sachsen, 1880 in 
Hessen und 1884 in Bayern eingeführt. In 
Preußen wurde ihre Errichtung als Provinz-= 
anstalten durch das Gesetz vom 13. Mai 1879 
gestattet, doch haben erst Schlesien (1881), Schles- 
wig-Holstein (1884), Posen (1885), Westfalen 
(1894) und Ostpreußen (1904) von der Berechti- 
gung Gebrauch gemacht. Besondere Erfolge sind 
nur in Schlesien erzielt worden. Zur Beschaffung 
der Mittel werden Schuldverschreibungen aus- 
gegeben, die in Preußen Landeskulturrentenbriefe, 
in Sachsen Landeskulturrentenscheine, in Hessen 
Landeskulturobligationen heißen; sie werden höch- 
stens zu 4 ½% verzinst und können vom Inhaber 
nicht gekündigt werden. Jährlich erfolgt eine Aus- 
losung. Die Darlehen sind gleichfalls unkündbar 
und werden amortisiert. 
2. Vereine von Grundbesitzern. Der 
erste derartige Verein wurde 1770 in Schlesien 
nach dem Plan des Kaufmanns Büring von Fried- 
rich d. Gr. als eine Zwangsgenossenschaft aller 
ritterschaftlichen Güter geschaffen. Durch die schwe- 
ren Kriegszeiten sahen sich die schlesischen Grund- 
besitzer nicht nur in ihrem Vermögen fast ruiniert, 
sondern es fehlte ihnen auch der zur Ordnung 
ihrer Vermögensverhältnisse notwendige Kredit. 
Die Güter boten zur Hypothekenbeleihung keine 
genügende Sicherheit. Es mußte deswegen zwi- 
schen die Kreditgeber und die Kreditsuchenden eine 
größere Mittelsperson mit notorischer Kredit- 
würdigkeit treten, die auf dem Weg der Selbst-
	        
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