Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

575 
Taxation, Verhältnis des Pfandbriefumlaufs zum 
Aktienkapital, besondere Maßregeln zur Sicherung 
der Pfandbriefgläubiger, Beleihungsgrenze und 
Art der zu beleihenden Objekte ganz verschiedene 
Grundsätze und Bestimmungen. Durch das Hypo- 
thekenbankgesetz vom 13. Juli 1899 und das 
Reichsgesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der 
Besitzer von Schuldverschreibungen vom 4. Dez. 
1899 ist aber eine einheitliche Reglung für das 
Deutsche Reich erfolgt. Der Betrieb des Hypo- 
thekenbankgeschäfts ist aus Aktiengesellschaften be- 
schränkt und von der Staatsgenehmigung ab- 
hängig, die durch den Bundesrat oder bei 
Banken, welche ihren Geschäftsbetrieb auf einen 
Bundesstaat beschränken, von der Zentralbehörde 
des betreffenden Bundesstaats erteilt wird. Die 
Aussicht wird durch die Organe des Bundes- 
staats geführt, in welchem die Bank ihren Sitz 
hat. Der Betrieb der nicht mit dem Hypo- 
thekengeschäft im Zusammenhang stehenden Bank- 
geschäfte ist für die „reinen Hypothekenbanken“ 
bestimmt umgrenzt; für die „gemischten Hypo- 
thekenbanken“, d. h. die Banken, welche vor 
dem 1. Mai 1898 Hypothekengeschäfte betrieben 
haben, sind jedoch Ausnahmen zugelassen. Das 
Grundkapital dient zur Einleitung und Ga- 
rantie des Unternehmers, die weiteren Mittel 
werden durch Ausgabe von seitens der Pfand- 
briefgläubiger unkündbaren Pfandbriefen gedeckt, 
deren Gesamtbetrag jedoch den 15fachen Betrag 
des Aktienkapitals nicht übersteigen darf und in 
Höhe des Nenunwerts jederzeit von Hypotheken 
gleicher Höhe gedeckt sein muß. Für die Wert- 
ermittlung der Beleihungsobjekte sind nur einige 
allgemeine Bestimmungen getroffen. Die Be- 
leihung soll 3/, bei landwirtschaftlichen Gütern 
2 des Werts nicht übersteigen. Für Bauplätze 
und noch nicht fertiggestellte Neubauten ist die 
Beleihungsgrenze noch mehr beschränkt. Zur 
rechtlichen Sicherstellung der Pfandbriefinhaber 
ist ein Hypotheken= und Wertpapierregister an- 
gelegt, ferner wird von der Aussichtsbehörde ein 
Treuhänder bestellt, der eine Kontrolle über 
den Geschäftsbetrieb ausübt; er hat das Vor- 
handensein, nicht aber die Qualität der Pfand- 
briefdeckung zu prüfen. Unter seinem Mitver- 
schluß befinden sich die Urkunden über die Ein- 
tragungen in das Hypotheken- und Wertpapier- 
register, sowie das zur Deckung der Pfandbriefe 
bestimmte Geld. Die Tätigkeit des Treuhänders 
hat, da seine Stellung vorwiegend nur die eines 
Urkundenmitbewahrers ist, schwere Krisen und un- 
erfreuliche Vorgänge (Spielhagenbanken, Pom- 
mersche Hypothekenaktienbank) nicht vermeiden 
können; in einzelnen Bundesstaaten sind deshalb 
verschärfte Bestimmungen über Staatsaufsicht und 
Publikationszwang erlassen worden, so in Preußen 
durch den Erlaß vom 17. Nov. 1901, der na- 
mentlich eine Vermehrung des banktechnisch vor- 
gebildeten staatlichen Beamtenpersonals schuf, in 
Bayern durch spezielle Weisungen im Aug. 1904. 
Banken und Kreditinstitute. 
  
576 
Neben dem Treuhänder kann auch auf Grund des 
Gesetzes von 1899 ein „Staatskommissar“ mit 
der Überwachung der Pfandbriefausgabe betraut 
werden; dies ist geschehen in Bayern für jede 
Hypothekenbank, in Preußen nur für die Zentral- 
bodenaktiengesellschaft. Bezüglich der Gewährung 
amortisierbarer oder nicht amortisierbarer Dar- 
lehen, betreffs der Dauer des gewährten Dar- 
lehens, der Kündigungsfrist, der Höhe des Zins- 
fußes usw. ist die Geschäftspraxis rechtlich teils 
wenig teils gar nicht eingeengt. Auch die Frage der 
Mündelsicherheit der Hypothekenbankenpfandbriefe 
ist reichsrechtlich nicht geregelt. Die süd= und 
mitteldeutschen Staaten haben ihren Hypotheken- 
banken die pupillarische Sicherheit zuerkannt, nicht 
aber Preußen, und dadurch den nichtpreußischen 
Pfandbriefen in Preußen einen Vorzug einge- 
räumt. Die Hypothekenbanken sind viel jüngeren 
Datums als die genossenschaftlichen Immo- 
biliarkreditinstitute. Die älteste bedeutende deutsche 
Hypothekenbank ist die Bayrische Hypotheken- 
und Wechselbank in München (gegründet 1834); 
die erste deutsche Anstalt, welche auf Grund 
hypothekarischer Darlehen Pfandbriefe ausgab, 
war die Allgemeine Kreditanstalt in Leipzig (ge- 
gründet 1856). Bedeutungsvoll für die Gestal- 
tung der deutschen, österreichischen und hollän- 
dischen Bodenkreditinstitute wurde der Crêdit 
foncier de France, geschaffen 1852 von Napo- 
leon III. 
II. Die dem Mobiliarkredit gewidmeten 
Anstalten, welche aus den Wechflergeschäften ent- 
standen, haben eine enorme Ausdehnung an- 
genommen. 
1. Die Hauptgeschäftszweige sind außer 
dem Geldwechselgeschäft einmal das Depositen- 
geschäft. Dasselbe bestand früher darin, daß man 
Geld oder Wertpapiere der Bank gegen eine Gebühr 
zur Verwahrung übergab. Aus diesem depositum 
regulare, bei dem also der gleiche Gegenstand 
zurückgegeben wurde, entwickelte sich das heute 
übliche depositum irregulare; die Bank nimmt 
die Gelder ihrer Klienten nicht in Verwahrung, 
sondern in Verwaltung, sie eröffnet ein Depositen- 
konto, macht die Einlagen für ihre eigenen Zwecke 
nutzbar, gewährt infolgedessen in der Regel Zinsen 
und ist nur zur Zurückgabe von Sachen gleichen 
Wertes verpflichtet. Verwandt mit dem alten re- 
gulären Depositengeschäft ist das heutige Depot- 
geschäft. Die Bank vermietet an ihre Kunden 
zur Aufbewahrung von Wertgegenständen eiserne 
Schrankfächer (Safes) in diebes= und feuersichern 
Räumen (Stahlkammern), wobei die einzelnen 
Schrankfächer unter gemeinsamem Verschluß der 
Bank und des Kunden stehen, und in besondern 
Räumen das Abschneiden der Kupons wie über- 
haupt die ganze Verwaltung der Wertpapiere von 
den Kundenselbstvorgenommen werden muß. Neben 
diesen verschlossenen Depots kennt der moderne 
Bankbetrieb auch noch offene Depotsz hierbei 
werden die Wertpapiere der Bank zur Verwaltung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.