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stimmte Menge Silber (Bankgeld, z. B. die Ham-
burger Mark Banko). — Die Noten= oder Zettel-
banken kamen in England auf. Hier hatten die
Kaufleute ihre Gelder zuerst in der königlichen
Münze deponiert, später bei den Goldschmieden.
Diese gaben für die Einlagen auf den Inhaber
lautende Zettel mit bestimmten Zeichen aus, die
Vorläufer der Banknoten. Im Jahr 1694 wurde
nach dem Plan des Schotten William Patterson
die berühmteste Bank der Welt, die Bank von
England, ins Leben gerufen. Sie war von vorn-
herein eine allerdings privilegierte Aktiengesell-
schaft. Vom Anfang an stand im Vordergrund
der Zweck, dem Staat Darlehen zu gewähren.
Schon frühzeitig gab die Bank von England für
die bei ihr deponierten Guthaben Zahlungsver-
sprechungen, Banknoten, aus. In Frankreich
wurde von John Law die erste Zettelbank ge-
schaffen (1716); dieselbe brach jedoch, nachdem sie
durch vollständiges Außerverkehrziehen des ge-
münzten Geldes und durch Ausgabe von Bank-
noten in unbegrenzter Ausdehnung gewachsen war,
schon im Jahr 1720 zusammen. Infolge der
schlechten Erfahrung, die man mit der Lawschen
Gründung gemacht hatte, war man in Frankreich
sehr mißtrauisch geworden; erst die genaue Kennt-
nis der englischen Verhältnisse und die solide Ge-
schäftstätigkeit der 1800 gegründeten „Bank von
Frankreich“, einer Aktiengesellschaft unterstaatlicher
Aufsicht, machte von den Vorurteilen frei. In
Preußen wurde nach langem Widerstreben der
preußischen Kaufmannschaft die „Königliche Giro-
und Lehnbank in Berlin“ geschaffen; aus diesem
reinen Staatsinstitut, das besonders in den Jahren
1806/07 in eine schlimme Lage geriet, wurde 1847
die „Preußische Bank“, ein Unternehmen mit
staatlicher Verwaltung und privatem Kapital;
sie ging später in der Deutschen Reichsbank auf.
Der Aufschwung in der Entwicklung des deut-
schen Bankwesens setzt etwa um die Mitte des
19. Jahrh. ein. Bis dahin lag, abgesehen von
der Notenausgabe, das Bankwesen fast aus-
schließlich in den Händen von Einzelbankiers.
Der Bau der Eisenbahnen, der durch die technische
Entwicklung angebahnte Umschwung im gesamten
Produktionsprozeß, das bedeutungsvolle Hervor-
treten von Handel und Industrie und das Zurück-
treten des rein agrarischen Charakters des Staats,
die Ausbildung des Aktienwesens und die Ent-
wicklung des Wertpapiermarkts, die Mobilisierung
des Kapitals, das steigende Kreditbedürfnis in
Staat und Gemeinde, alles das sind Momente,
welche den Umschwung im Bankwesen teils ins
Leben gerufen teils begünstigt und dasselbe zu
seiner heutigen Eigenart und Macht gebracht
haben. Der Schwerpunkt des modernen Bank-
wesens liegt im Emissions= und im Effektenkom-
missionsgeschäft, wenn auch die großen Aktien-
banken sich gleichzeitig dem Kreditverkehr, nament-
lich dem Diskontierungsgeschäft und, da das
Aktienkapital jeder Bank eine naturgemäße Er-
Banken und Kreditinstitute.
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gänzung in der Aufnahme von Depositengeldern
findet, auch dem Depositengeschäft widmen. Die
erste moderne Effektenbank war, abgesehen von
einer niederländischen Gründung aus dem Jahr
1822, der 1852 von den Gebrüdern Pereire ge-
gründete Crédit mobilier. Ihm folgten bald
zahlreiche deutsche Institute. Viele dieser zu In-
dustrie= und Handelszwecken geschaffenen Effekten-
banken waren Gründungen von großer Waghalsig-
keit, die oft Verluste von gewaltigem Umfang zu
verzeichnen hatten. Die auf soliderer Grundlage
aufgebauten Unternehmungen gingen jedoch schon
nach kurzer Zeit zu einer besonneneren Geschäfts-
führung über und dehnten ihre Tätigkeit auf die
übrigen Zweige des Bankwesens aus.
In den 1870er Jahren setzten die ersten Phasen
eines großen Aufsaugungsprozesses ein. Die Um-
gestaltung des Aktienrechts erleichterte die Assozia-
tion des Kapitals, die Zentralisierung des deutschen
Geldmarkts in Berlin, noch mehr aber später die
Börsengesetzgebung schwächte die Stellung und
den Einfluß der Provinzialbanken und Privat-
bankiers. Mit dem Ausgang des 19. Jahrh. ist
die wirtschaftlich und politisch, sozial und kulturell
höchst beachtenswerte Kon zentration des deut-
schen Bankwesens vollzogen. Früher betrieben
zahlreiche kleinere Banken und Privatbankiers ihr
Geschäft vollständig unabhängig voneinander, je-
des Unternehmen in seinem besondern lokalen
Wirkungskreis, heute beherrschen das ganze deutsche
Bankgeschäft wenige Großbanken durch zahlreiche
Zweiganstalten und durch „Interessengemein-
schaften“ mit andern Banken. Dazu kommen noch
eine Menge Tochtergesellschaften im Ausland, na-
mentlich in überseeischen Ländern.
Die Bildung solcher Interessengemein-
schaften erfolgt entweder derart, daß sich eine
Großbank durch direkte Ubernahme von Aktien
einer andern Bank, meist einer Provinzialbank,
einen direkten Einfluß und die Oberleitung an
dem betreffenden Unternehmen sichert, ohne die
formelle oder juristische Selbständigkeit irgend-
wie anzutasten, oder aber dadurch, daß durch ver-
tragliche Vereinbarung seitens zweier Banken eine
gegenseitige Ubernahme von Aktien ohne direkte
Kapitalbeteiligung erfolgt und Bestimmungen ge-
troffen werden über die gegenseitige Begrenzung
des örtlichen Arbeitsgebiets, die gemeinsame Durch-
führung größerer Finanztransaktionen sowie eine
den Betriebskapitalien und Reserven propor-
tionale Verteilung des Reingewinns. Die Wir-
kung dieser Organisation des Kapitals auf die
ganze Volkswirtschaft ist eine gewaltige. Zahl-
reiche Industrie= und Handelskreise sind von der
Macht der Großbanken mehr oder weniger ab-
hängig, aber auch die finanzielle Aktionstätigkeit
des Staats wird durch sie beeinflußt.
Um die Kapitalmacht einer Großbankgruppe
richtig zu würdigen, muß übrigens der Kurswert
der Aktien und die Menge der Depositengelder in
Anrechnung gebracht werden. Es genügt, ange-
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