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sichts des in einer solchen Bank zur Anlage ge-
brachten Teils des Nationalvermögens auf die
unabsehbaren Folgen hinzuweisen, die längere po-
litische und wirtschaftliche Krisen nach sich ziehen
können. Daß Gefahren von vornherein ganz und
gar ausgeschlossen sind, wird wohl durch das
Schicksal der Leipziger Bank widerlegt. Der Wille
und die Einsicht ganz weniger Personen entschei-
den über die Anlage von Riesensummen. Eine
richtige Beurteilung und Kontrolle der Geschäfts-
führung wird bei solchen Riesenbetrieben dem
Außenstehenden, selbst wenn er mit hervorragender
Sachkenntnis ausgerüstet ist, in den meisten Fällen
sehr erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht.
Ein schwerer sozialer Mißstand besteht noch darin,
daß der bei weitem größte Teil der nach Tausen-
den zählenden Beamten zur wirtschaftlichen Un-
selbständigkeit und zur dauernden Abhängigkeit vom
Kapital verurteilt ist; nur selten finden die einzelnen
Beamten Gelegenheit, den vollen Umfang kauf-
männischer Intelligenz zu entfalten und in höhere
Stellen einzurücken. Die künstliche Beschränkung
auf ein engbegrenztes Sondergebiet tritt gerade
hier besonders stark hervor. Anderseits dürfen
aber auch die großen Vorteile des modernen
Bankwesens durchaus nicht verkannt werden. Es
sei da nur auf die hohe den Kunden gebotene
Sicherheit infolge der umfassenden Bar= und
Kreditmittel dieser Institute hingewiesen, ferner
auf die Solidität des Geschäftsverfahrens infolge
der Pflicht öffentlicher Rechnungslegung, an das
Fehlen jeder ungebührlichen Belastung; es sei die
großartige Vereinfachung des Geld= und Zah-
lungsverkehrs durch Ausbildung des Giro-, des
Wechsel= und Scheckverkehrs hervorgehoben. Vor
allem gebührt den deutschen Großbanken auch ein
hervorragender Anteil an dem Aufschwung, welchen
das deutsche Wirtschaftsleben im In= und Aus-
land genommen hat. Die Banken haben mit ihrem
Kredit aber nicht nur Unternehmungen der In-
dustrie und des Handels gestützt, sie sind auch
selbst, namentlich im Ausland, als Unternehmer
aufgetreten. Nur mit Hilfe der Kapitalsassoziation
war das so intensive deutsche Wirtschaftsleben der
letzten Jahrzehnte überhaupt möglich mangels
eines im Vergleich zu andern Ländern geringen
Reichtums an Nationalvermögen, mangels na-
mentlich von in den Händen von unternehmungs-
lustigen Privatkapitalisten sich befindenden Riesen-
kapitalien.
Die einflußreichsten deutschen Großbanken sind
die sog. vier D-Banken, nämlich die Deutsche Bank,
die Diskonto-Gesellschaft, die Dresdner Bank u. die
Darmstädter Bank.
Die Deutsche Bank wurde 1870 mit 15 Mill.
Aktienkapital gegründet, vorwiegend um die
internationalen Geschäfte des deutschen Handels
an Stelle englischer Institute in die Hand zu neh-
men. 1908 beläuft sich das Aktienkapital auf
200 Mill., der Reservefonds auf 100 Mill. I; die
Summe der Depositen betrug Ende 1907: 476 Mill.
A, der Aktienkurs 227,60 %, der Umsatz der Bank
Banken und Kreditinstitute. 584
1907: 91 610 Mill. k, die Zahl der Beamten:
4439.
Die Diskonto-Gesellschaft, eine Kom-
mandit-Gesellschaft auf Aktien, gegründet 1851 mit
10 Mill. M von dem früheren preußischen Finanz-
minister und Chef der Preußischen Bank Hanse-
mann. Die Geschäftstätigkeit umfaßte zuerst nur
das Diskont= und das Depositengeschäft, erst 1855
wurde das Unternehmen auch Emissions= und Ef-
fektenbank. 1908: 170 Mill. M Aktien und 60 Mill.
M Reserven; Depositenbestand Ende 1907:145 Mill.
X, Jahresumsatz 1907: 39 159 Mill. M.
Die Dresdner Bank, Aktiengesellschaft, ge-
gründet 1872 mit 24 Mill. M, 1908: 180 Mill. A#
Aktien, 51,5 Mill. U Reserven. Die Dresdner
Bank schloß 1903 auf 30 Jahre eine Interessenge-
meinschaft mit dem A. Schaaffhaufsenschen
Bankverein (Köln), auf Grund deren die beiden
Gesellschaften nach außen hin ihre volle Selbständig-
keit bewahren, die Geschäfte aber gemeinschaftlich
führen und die Reingewinne nach dem Verhältnis des
Aktienkapitals und des bilanzmäßigen Reservefonds
teilen. Das Betriebskapital dieser Vereinigung be-
trägt 325 Mill. M, der Reservefonds 85 Mill. M.
Die Dresdner Bank hatte Ende 1907:225 Mill., der
Schaaffhausensche Bankverein 73 Mill. M Depo-
siten; der Aktienkurs betrug 137,9 % bzw. 134,4 %.
Die Darmstädter Bank (Bank für Handel
und Industrie), gegründet 1853. Das Aktienkapital
belief sich Ende 1907 auf 154 Mill. M, die Reserven
auf 30 Mill. M; der Aktienkurs betrug Ende 1907:
126% , der Depositenbestand 176 Mill. M, der
Jahresumsatz 1907: 30 790 Mill. M.
Andere gleichfalls bedeutende deutsche Banken
sind noch namentlich die Berliner Handels-
gesellschaft (100 Mill. M Aktienkapital, 30
Mill. Reserven), die Kommerz-= und Dis-
kontobank (85 Mill. Aktien, 13 Mill. Reserven),
die Nationalbank für Deutschland (80
Mill. Aktien, 13 Mill. Reserven) und die Mittel-
deutsche Kreditbank (54 Mill. Aktien, 7 Mill.
Reserven).
Zur Beurteilung der Kapitalmacht der einzelnen
Banken sind aber Aktien und Reserven der ein-
zelnen Bankgruppen, d. h. die Interessengemein-
schaften, welche die einzelnen Großbanken durch
Aktienbesitz oder Vertrag mit andern Banken mitt-
leren Umfangs bilden, zu beachten. Ende 1904
verfügte (nach Riesser) die Gruppe der Deutschen
Bank über 555 Mill. M Aktien und 163 Mill. Re-
serven, die der Diskonto-Gesellschaft über 415 Mill.
Aktien und 108 Mill. Reserven, die der Interessen-
gemeinschaft Dresdner Bank-Schaaffhausen über
408 Mill. Aktien und 79 Mill. Reserven, die der
Darmstädter Bank über 223 Mill. Aktien und 32
Mill. M Reserven. Diese vier Bankgruppen reprä-
sentierten, ohne die ihnen zur Verfügung stehenden
fremden Gelder, eine Kapitalmacht von fast 2 Mil-
liarden; seitdem hat sich diese Macht nicht unwesent-
lich verstärkt.
Literatur. Zu I: Hecht, Organisation des
Bodenkredits (2 Bde, 1890); ders., Europ. Boden-
kredit (1900); Franz, Die landschaftlichen Kredit-
institute in Preußen (1902); Hecht, Statistik der
Hypothekenbanken (1903); ders., Hypothekenbank-
recht (1904); v. Oppenried, Der Hypothekarkredit-
verkehr (21907); Löhr, Volkswirtsch. Bedeutung
der Hypothekenbanken (1908). Kommentare zum