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mit periodischen Verteilungen des vorhandenen
Kulturlandes an die bei der Besiedlung Betei-
ligten verbunden war, ist eine agrarische Eigen-
tümlichkeit, die bei sehr vielen und verschiedenen
Völkern sich findet. Die ursprüngliche Gesamt-
wirtschaft und gemeinschaftliche Nutzung machte,
wie bei andern Völkern, so auch bei den Ger-
manen, einer beschränkten Individualwirtschaft
Platz. Die spätere Feldgemeinschaft nämlich (der
sog. Flurzwang) unterwarf den Wirtschafts-
betrieb der einzelnen nur mit Rücksicht auf die
Gemengelage der Sonderäcker, also insbesondere
die Zeit der Bestellung und Ernte, den Beschlüssen
der Gesamtheit. Das Charakteristische dieser schon
oben für die Gebiete rein deutscher Ansiedlung
erwähnten Gewannverfassung besteht darin,
daß sämtliche Genossen zunächst irgend ein frucht-
bares Stück der Flur von ziemlicher Größe ge-
meinsam rodeten. Vom gesamten Rodumfang
erhielt jeder Genosse ein gleichwertiges Stück zu-
geteilt. Reichte das erste gerodete Stück nicht mehr
aus, so nahm man ein zweites, drittes, viertes in
die gleiche Behandlung. Natürlich wählte man
alle diese Stücke, welche fast überall in Deutsch-
land Gewanne, auch Wannen, Lagen, Flagen
heißen, in der Nähe des Dorfes, denn hier waren
sie am einfachsten zu schützen und zu erreichen.
So bedeckte sich allmählich die innere Umgebung
des Dorfes mit fest aneinander schließenden Ge-
wannen, in deren jedem alle Genossen mit dem
Besitz eines gleichwertigen Ackerstücks vertreten
waren. Jede Hufe hat in jedem dieser Feld-
abschnitte einen verhältnismäßigen, häufig bis in
die Gegenwart nachweisbaren Anteil (sors, pars,
portio, los), und die ganze Dorfansiedlung be-
stand aus drei Bestandteilen: dem eigentlichen
Dorfbereich, den Feldfluren oder Gewannen und
dem aus Wald und Weide bestehenden Gemeinland
(Allmende) zwischen den Gewannen oder als
äußerstem Kreis des ganzen Gemeindegebiets.
Infolge späterer Ansiedlungen wurde das Ge-
meinland der Dorsschaft zu einem Komplex von
Grundstücken, der zwar in der Hauptsache den
Mitgliedern einer Dorfgemeinde gehört, im ein-
zelnen aber sehr verschiedenen Anrechten verschieden-
artiger Genossen unterliegt. Zwischen den Dörfern
lagen die Marken, gemeine Mark, communitas,
commarchia. Es waren Wald= und Weide-
reviere, Moor, öde Gründe und Wasser. Das
berechtigte Subjekt der Allmende ist die Mark-
genossenschaft, noch in jüngerer Zeit nicht selten
ein größerer Verband als die Dorsschaft; mit-
unter fielen Markgenossenschaft und Dorfschaft
zusammen.
Im Gegensatz zu den Dörfern mit Gewann-
verfassung kann man seit der Zeit Karls des
Großen vorzugsweise in Staatsforsten und bei
der Kolonisation der Slawenländer in bis dahin
unbesiedelt gebliebenen Gebirgszügen und Wald-
gebieten die sog. mansi regales, Königshufen,
beobachten. Es wurde, in der Regel längs eines
Bauernstand.
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Baches, die Hofstelle für jedes Gut bezeichnet,
dann von jeder Hofstelle aus eine Linie aufgesucht,
auf der sich ein besonderer Weg an den Talrand
in die Höhe bis zur Grenze anlegen ließ. Zwischen
diese Wege wurde in geeigneter Weise für jede
Hufe das erforderliche Land eingemessen, so daß
also nicht, wie bei der Gewannverfassung, Ge-
mengelage entstand, sondern einer einzigen Straße
entlang die Hufen gleich Perlen an einem Faden
aufgereiht waren. Weide und Wald lagen rings
um das so entstandene bandartige Gebilde. Der
hiermit erreichte Vorteil bestand in der Möglich-
keit, durch Neuanlagen an beiden Dorfenden die
Hufenzahl in ziemlich weiter Grenze zu erhöhen.
Diese Hagenhufen, Waldhufen, Straßendörfer,
Übergangsdörfer findet man bei den Waldrodungen
in Franken im 12. Jahrh., in einem Teil der
Vogesen, des Odenwalds, Spessarts und der
Bücke, im Erzgebirge, überhaupt in den Sudeten-
ländern, in der ganzen Osthälfte Osterreichs, wo
kolonisatorische Einwanderung von Holländern
und Niedersachsen nachzuweisen ist. In Schlesien
ist ein Viertel des Landes in dieser Art besiedelt,
ähnlich sind die niederländischen Kolonien in
Mecklenburg, Pommern, an der norddeutschen
Küste. Die Königshufen in den Alpen dagegen
sind durchweg Einzelhöfe.
Im allgemeinen kann man sich demnach den
vaterländischen Ackerboden in Bauerngüter geteilt
denken, die eben groß genug waren, daß sie von
dem Hausvater mit seiner Familie und wenig
Gesinde bestellt werden konnten. Die sämtlichen
Rechte, die der einzelne Genosse der Dorfschaft
oder Bauernschaft in Bezug auf Grund und
Boden besaß, also die Eigentums= und Nutzungs-
rechte, wie sie an der Hofstätte, am Ackerland und
an der Allmende bestanden, faßt später der Aus-
druck Hufe, hoba, huoba, lateinisch mansus, als
wirtschaftliche Einheit zusammen, als normales
Maß des Besitztums, welches der Leistungsfähig-
keit und den Bedürfnissen der Durchschnittsfamilie
entsprach. — Die Hufe (zum „Behufe“ der Fa-
milie, das, was die Familie haben soll) bildete
einen Grundbegriff der Wirtschaft wie der Ab-
gaben und Leistungen. Eine Anzahl von Hufen
besteht bis zur Gegenwart in ihren notwendigen
Bestandteilen, viele sind in halbe, Viertel= und
selbst in kleinere Stücke geteilt, andere so zusam-
menerworben worden, daß ein Hausvater zwei,
drei und mehr Hufen von seinem Gehöft aus be-
wirtschaftet. Die Gebiete mit häufiger Teilung
sind im gebirgigen Süden zahlreicher vertreten
als im ebenen Norden, im ganzen aber überwiegen
die Gebiete mit geschlossenen Gütern so sehr, daß
schteres als germanische Sitte bezeichnet werden
ann.
Die größeren Verhältnisse des Frankenreichs be-
einflußten die bisherigen militärischen, rechtlichen
und wirtschaftlichen Zustände. Die Eroberungen
ermöglichten dem König, seine Getreuen für ge-
leistete Dienste mit Grundbesitz zu bedenken und