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Amter damit auszustatten. Die Kirche, die schon
in Gallien großen Grundbesitz hatte, erwarb solchen
besonders durch Schenkung auch in den deutschen
Stammlanden, insbesondere vertraten die Klöster
die Rodungen im großen Stil. Im Gegensatz zu
den einfachen Stammeskriegen drängten die Kriege
des großen Frankenreichs, die größeren Entfer-
nungen, die teure Ausrüstung zu einer geänderten
Heeresverfassung. Hatte ehemals der Heeresver-
band alle Gemeinfreien umfaßt, so führte nunmehr
Karl der Große Stellvertretung ein. Nach einigen
Generationen hatte sich im Gegensatz zum ehe-
maligen Heerbann ein Kriegerstand gebildet, der
nach und nach mit dem aus dem fränkischen
Amtsadel und den königlichen Gefolgschaften
erwachsenen Adel die Loaienaristokratie bildete.
Das Ansehen der Gefolgschaft stieg, als die
Frankenkönige ihren Gefolgsleuten Stücke er-
oberter Territorien zuzuweisen vermochten. Je
mehr die Vasallen den Heerbann ersetzten, desto
mehr stützte sich die Organisation des Franken-
reichs auf Lehnsverhältnisse. Daneben bestand
die Hierarchie der Bischöfe und Abte. In den
Schut dieser geistlichen und weltlichen Aristokratie
begaben sich viele ehemalige Gemeinfreie (Eigen-
gabe), besonders als Geistliche und Klöster das
Abhängigkeitsverhältnis in der mildesten Form
handhabten; die Freiheit von der drückenden Heer-
bannspflicht und religiöse Gesichtspunkte trugen
dazu bei. Die Anderung der Besitzverhältnisse
konnte auch für die Gerichtsorganisation nicht
ohne Folgen bleiben. Die Bezirke der Grund-
herrschaften werden von der sonstigen regelmäßigen
Gerichtsbarkeit befreit (Immunitäten).
So trat allmählich an die Stelle der primitiven
Organisation, der einförmigen, monotonen Wirt-
schaft der Gemeinfreien und der wenig leistenden
Markgenossenschaft, die reiche, ein größeres Maß
gesellschaftlicher Gliederung mit sich bringende
Organisation der Grundherrschaften. Letz-
tere erzielten mit den vorhandenen Mitteln größere
ökonomische Ergebnisse, arbeiteten viel intensiver
(Klöster) am Ausbau des Landes durch koloni-
satorische Besiedlung bisher unbebauter Gebiete,
sorgten für bessere Befriedigung der Gemeinde-
bedürfnisse und gesteigerte Ausnutzung der vor-
handenen Arbeitskräfte. Gerade die Ausbreitung
bäuerlicher Lehen und der gutshörigen Hofsstellen
hat in Deutschland einen verhältnismäßig starken
Bauernstand erhalten, während beispielsweise in
England das Fortbestehen der Gemeinfreiheit die
Gemeinfreien nicht vor der Herabdrückung zum
land= und rechtlosen Kleinpächter bewahrt hat. —
Hatten früher Freie und Unfreie sich schroff gegen-
übergestanden und den wichtigsten Gegensatz im
Volk ausgemacht, so bildeten sich im 10. bis
12. Jahrh. unter dem segensreichen Einfluß von
Beruf und Arbeit neue, aus freien und unfreien
Elementen sich mischende Stände. Die größeren
Freien schmolzen mit den größeren Unfreien zum
Ritterstand zusammen, die freien und unfreien
Bauernstand.
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kleineren Grundbesitzer infolge ihrer ähnlichen Lage
zum Bauernstand. — Sehr viel haben christliche
Anschauungen zur Hebung der Unfreien beige-
tragen. Die urbarenden Klöster übten die Hörig-
keit milde und lockten dadurch viele freie Arbeits-
kräfte an. Die vielen kirchlichen Feiertage wirkten
günstig für die Unfreien, und einer der wichtigsten
Fortschritte war die sich geltend machende Ubung
und Anschauung, daß man die Unfreien nicht
mehr einzeln, sondern nur mit dem Dorf und
Gut, zu dem sie gehörten, verkaufen dürfe. Ge-
rade die Möglichkeit, persönliche Verpflichtungen
vom Inhaber des Guts aufs Gut selbst abzu-
wälzen, also die Radizierung der anfangs perfön-
lichen Lasten, die Bindung der Person an die
Scholle statt an die Willkür der Herren, ermög-
lichte die Hebung der Unfreien. Die Einschaltung
der Fronhofsverfassung zwischen Grundherren und
Grundholden hob die Unfreien und verschmolz
freie und unfreie Landarbeiter zu Bauern. — Wo
es sich nicht um einen einheitlichen Komplex han-
delte, wie insbesondere auf Neurodungen, sondern
wo eine Anzahl von Hufen derselben Grundherr=
schaft in benachbarten Dörfern zusammenlagen,
bildete man nämlich einen besondern Verband
dieser Hufen mit einem ehemaligen Bauernhof im
Hauptort als Mittelpunkt. An diesen Haupthof
(Salhof, Fronhof, sala, curtis, salica) waren
Abgaben und Dienste zu leisten. Der grundherr-
liche Beamte, der demselben, zunächst für ökono-
mische Angelegenheiten, vorgesetzt war, hieß Meier,
villicus. Der Umstand, daß der Grundherr
Obereigentum und Vertretungsgewalt vor Gericht
hatte, leitete die schon erwähnte) Begründung
eines grundherrschaftlichen Gerichtswesens
im Anschluß an den Fronhof ein. Die betreffenden
Grundholden standen nunmehr, ob sie nun eigene
oder hörige Leute waren, zu der Gemeinde nur in
einem mittelbaren Verhältnis. Ihr nächster Be-
amter war der Meier. Der Meier wurde zugleich
Richter, die Hörigen unter sich aber Gerichts-
genossen. Die Grundherrschaft bekam durch diese
Anderung zu ihrem anfangs nur wirtschaftlichen
auch einen staatlichen Charakter. Die Hofgenossen-
schaft wurde ein Hofgericht, ihr Brauch ein Recht
(Hofrecht), ihr Spruch eine Weisung. Die Weis-
tümer und Dorfordnungen zeigen, daß selbst Leib-
eigene Beschlüsse faßten und Entscheidungen trafen,
die zwar vorwiegend nur das Herkommen bestä-
tigten, aber doch den Anschein umfassender Auto-
nomie hatten und durch Bewilligung und Be-
stätigung der Gutsherrschaft Rechtskraft erlangten.
So wenig wie die rechtliche war die finan-
zielle Abhängigkeit im großen und ganzen eine
erdrückende oder erniedrigende. Dies kann, na-
mentlich im Vergleich mit der Anderung zu Be-
ginn der Neuzeit, aus folgenden Gründen darge-
tan werden: Die meist kleinen Eigenwirtschaften
der Gutsherren machten keine großen Ansprüche
auf Ackerdienste und andere Leistungen. Die
grundherrliche Eigenwirtschaft war eine sehr