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die noch vorhandenen Markgenossenschaften in
Bezug auf Wald, Wasser, Weide ein Band waren,
das die Untertanen ganz verschiedener Herrschaften
einschloß, richtete die neue Landesherrlichkeit, unter-
stützt vom römischen Recht, das für Markgenossen-
schaften kein Verständnis hatte, gegen diese alte
Zusammengehörigkeit ihre Angriffe, und die Kosten
all dieser zahllosen Streitigkeiten mußten schließ-
lich die Bauern tragen. — Die Abschließung der
Bannforste sperrte den Pflug vom Walde ab.
Die früher bloß schutzherrliche Verwaltung ver-
wandelte sich in eine oberherrliche. Durch grau-
same Jagdgesetze war den Märkern das Jagdrecht
benommen, durch maßlose Hegung des Wildes den
Feldern des Bauern Schaden zugefügt und in
ähnlicher Weise sein Fischfang beschränkt. Nach
allen Seiten zog der Adel die Zügel der bäuer-
lichen Untertanenschaft strenger und straffer an
und erhöhte seine Einnahmen durch „neue Fünd-
lein“, wobei man durchaus nicht immer an förm-
liche Rechtsperletzungen zu denken braucht.
Dazu kam, daß das fiskalische Streben der
Herrschaften von einer mangelhaft werdenden
Rechtshilfe begleitet wurde. Schadete schon
vielfach der römische Eigentumsbegriff in seiner
Anwendung auf deutsche Gemeinschafts= und bäu-
erliche Besitzverhältnisse, so war die den Volks-
gerichten abträgliche Strömung, die Ausschließung
der Bauern von der Rechtsbildung, denselben min-
destens ebenso nachteilig. Die Eingriffe der Herren
in die Weisungsberechtigung nahmen zu. Hatten
sie anfangs nur über zwei sich widersprechende
Weisungen entschieden, so vermehrten sich jetzt die
Fälle direkter Minderung, Mehrung, Besserung.
Manche Maßregeln, die an sich das herrschaftliche
Recht nicht überschritten, verletzten durch Härte
der Durchführung oder bildeten Neuerungen,
deren Umständlichkeit gerade durch das gleich-
zeitig sich bureaukratisch gestaltende Gerichtswesen
gesteigert wurde. — Mit der Rechtshilfe für die
Bauern gegen ungerechte Herrschaften sah es unter
solchen Umständen traurig aus. Man darf nicht
vergessen, daß der Landadel damals noch nicht
wie später durch Fürstenmacht in Schranken ge-
halten wurde. Die verschiedenen Institute des ver-
besserten Reichsgerichtswesens, wie Reichskammer-
gericht, Reichsregiment, Schwäbischer Bund, be-
zweckten ihrer Natur nach mehr die Beilegung der
Streitigkeiten zwischen den Ständen und Rechts-
sicherheit der Städte als Abhilfe der Bedrückung
der Untertanen; ja die engere Vereinigung der
ehemals locker organisierten Stände des Reichs
brachte Aufhebung des sog. Pfahlbürgerrechts mit
sich, so daß die Entweichung des Bauern unter
eine andere Herrschaft erschwert war. Gerade der
Kampf gegen die Leibeigenschaft oder besser für die
Freizügigkeit bildet im Bauernkrieg einen neben
der Mehrbelastung und finanziellen Bedrückung
zu gering beachteten Umstand.
Vielleicht hätte sich das Verhältnis zwischen
Herrschaft und Bauern trotz fiskalischen Strebens
Bauernstand.
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und ihm verkümmerter Rechtspflege doch noch er-
träglich gestaltet, wenn nicht eine Reihe ander-
weitiger Umstände hinzugekommen wäre,
unter denen vor allem der Geist der Zeit, auf-
kommende Territorialhoheit, einziehender Kapita-
lismus und Reformation nicht vergessen werden
dürfen. Unter den finanziellen Zumutungen seitens
der emporkommenden Territorialgewalt verdienen
besonders die erhöhten Kriegskosten erwähnt zu
werden. Die Verwandlung des Lehnskriegsdienstes
in teuren Solddienst machte den Krieg (den sonst
der Adel umsonst bzw. für seine Lehen leisten
mußte) für die Untertanen kostbar und drückend,
die schweren Geschützfuhren mehrten die Natural-
leistungen, Fuhrwerk und Dienste, dazu kam im
Frieden die Plage durch die entlassenen „garten-
den“ Knechte. Die Institutionen zur Sicherung
des Landfriedens, die Kosten der Unterhaltung der
Bündnisse, z. B. des Schwäbischen Bundes, dem
die Hut des ewigen Landfriedens anvertraut war,
die Stiftung des Reichskammergerichts, die Neu-
ordnung des Reichsregiments waren ohne neue
und erhöhte Leistungen nicht möglich. Diese, zu
dem grundherrschaftlichen Druck hinzukommend,
nagten am Wohlstand des Bauernstands und an
der Unversehrtheit seines Besitztums. Die Refor-
mation lockerte das Ansehen von geistlicher und
weltlicher Autorität. Die Bewegung gegen die
geistliche Obrigkeit, welche die durch traurige Ubel-
stände erklärliche Reformation hervorrief, war dem
Ansehen auch der weltlichen Obrigkeit nicht för-
derlich, so sehr es richtig ist, daß endgültig dem
Absolutismus gerade durch die Reformation großer
Vorschub geleistet wurde. Das Populäre der evan-
gelischen Predigt erhöhte ihren Einfluß auf das
Volk. Unter dem Eindruck der gern gehörten
„evangelischen Freiheit“ konstruierten sich die
Bauern teils aus germanischen teils aus biblischen
Anschauungen ein eigenes Naturrecht, ein „gött-
liches Recht". — Die Folgen des Bauernkriegs
waren betrübende: für die Herrschaften verheerte
Landstriche, größere Schulden, entfremdete Unter-
tanen, — auf seiten der Bauern härterer, einigerer,
systematischerer Druck. Sowohl die gutsherrliche
Gewalt wie die Gebundenheit der Bauern wurde
um vieles strenger. In vielen Fällen hatten die
Bauern Urkunden und Verträge über Zehnten,
Zinsen, Gülten, Fronden zerrissen und verbrannt;
jetzt wurden entweder neue abgefaßt, welche, von
einzelnen Ausnahmefällen abgesehen, den Bauern
schwerlich günstiger lauteten, oder es wurde über-
haupt nichts Schriftliches mehr über Pflichten
und Rechte der Bauern und der Grundherren
festgestellt. Der Rechtsschutz war gelähmt durch
die Auffassung, daß der Bauer besonders streng
behandelt werden müsse. Das Recht, Gemeinden
(Versammlungen) zu halten, wurde den Bauern
auf lange Zeit, zum Teil für immer genommen,
ebenso das Recht, Waffen zu tragen. Wegen der
großen Zahl der an dem Krieg beteiligt gewesenen
und deshalb ihrer Ehrenrechte beraubten Bauern