641
wig-holsteinschen Angelegenheit zeigte es eine ent-
schieden nationale Haltung. Den Ausgang des
Kriegs gegen Dänemark erlebte Maximilian II.
nicht mehr; er starb am 10. März 1864, und
es folgte ihm sein 19jähriger Sohn Lud-
wig II. Im Oktober desselben Jahrs übernahm
v. d. Pfordten wieder die Leitung des Ministeriums;
Bayern schloß sich in der nächsten Zeit immer
enger an Osterreich an und mußte im Friedens-
schluß mit Preußen am 22. Aug. 1866 30 Mill.
Gulden Kriegsentschädigung zahlen und einige
kleinere Gebietsteile abtreten: das Landgericht
Orb (ohne Aura), das Bezirksamt Gersfeld und
die zwischen Saalfeld und dem preußischen Kreis
Ziegenrück gelegene Enklave Kaulsdorf, zusammen
550 qkm mit 34000 Einwohnern. Zugleich
erfolgte der Abschluß eines Schutz= und Trutz-
bündnisses mit Preußen, welchem sich Bayern seit
Berufung des Ministeriums Hohenlohe (1867/70)
immer mehr näherte. Die Kammern gaben aller-
dings erst nach längerem Sträuben im Okt. 1867
ihre Einwilligung zur Annahme der neuen Zoll-
vereinsverträge und 1868 zur Umwandlung des
Heeres nach preußischem Muster. Der Krieg von
1870/71 führte die bayrischen Truppen nach
Frankreich, wo sie ihren alten Waffenruhm er-
neuerten. Am 23. Nov. 1870 wurde nach langen
Unterhandlungen zu Versailles ein Vertrag unter-
zeichnet, demzufolge sich Bayern dem Norddeutschen
Bund zur Bildung des Deutschen Reichs an-
schloß. Nach dem tragischen Tod Ludwigs II.
(13. Juni 1886) folgte ihm in der Regierung
sein irrsinniger Bruder Otto I. (geb. 27. April
1848), für den sein Oheim Luitpold (geb. 12. März
1821) die Regentschaft führt.
2. Fläche, Bevölkerung, Erwerbs-
arten. Bayern ist mit 75870,2 qkm Flächen-
inhalt und (1905) 6524372 Einw. (86, 1871:
64,1 auf 1 qkm) der zweite Staat des Deutschen
Reichs. Die Volkszahl, die 1816: 3607000,
1855: 4508000, 1885: 5420 199, 1900:
6176057 Seelen betrug, ist von 1816 bis 1855
jährlich um 0,57, von 1855 bis 1905 jährlich
um 0,74 % gestiegen. Das rechtsrheinische Bayern
(69942,2 qkm) zählte 1905: 5 638 539 (auf
1 dkm: 80,6; 1871: 60,6), die Rheinpfalz
(5928 qkm) 1905: 858 833 Einw. (auf 1 qkm:
149,4; 1871: 103,8). Die Zunahme erstreckt sich
namentlich auf die Städte, während anderwärts
die Bevölkerung abnimmt; am dünnsten ist die
Oberpfalz bewohnt (59 auf 1 qckm). — Dem Be-
kenntnis nach waren 1905: 4611 987 Katholiken,
1844 736 Protestanten, 409 501 IFraeliten;
auf 1000 Einw. kamen 706,9 (1871: 712) Ka-
tholiken, 282,8 (1871: 276) Protestanten, 8,.5
(1871: 11) Israeliten. Die Katholiken herrschen
in den bayrischen Stammlanden und in den ehe-
mals geistlichen Besitzungen stark vor, wogegen in
den frühern Fürstentümern Ansbach und Bayreuth,
in der Pfalz und in den reichsstädtischen Gebieten
die Zahl der Protestanten überwiegt. — Nach der
Staatslexikon. I. 3. Aufl.
Bayern.
642
Berufszählung von 1895 widmeten sich 2647665
(1882: 2681265) der Landwirtschaft, 1798 541
(1492 391) der Industrie und dem Bauwesen,
564 585 (435701) dem Handel und Verkehr,
294 748 (242 890) dem öffentlichen Dienst und
freien Berufen, 45 329 (38 908) verrichteten wech-
selnde Lohnarbeit und häusliche Dienste, 433308
(377606) waren ohne Beruf und Berufsangabe.
— Von der Gesamtfläche entfallen auf Acker= und
Gartenland 40,2, auf Wiesen 17,1, auf Weiden
3,4, auf Wald 33 %. Von der Gesamtwald-
fläche sind 33 %/ staatlich, 12 % Gemeindeforsten,
etwa 50 % Privatbesitz. Unter den Kulturpflanzen
nimmt das Getreide die erste Stelle ein. Der
Tabakbau (namentlich in der Rheinpfalz und in
Mittelfranken) ist zurückgegangen; 1890 wurden
7815 t trockene dachreife Blätter geerntet, 1906
aus 2245 ha: 4416 t. Große Ausdehnung nimmt
der Hopfenbau, verhältnismäßig bedeutend ist auch
der Weinbau. Die Forstwirtschaft bringt jährlich
etwa 65 Mill. M. Die Viehzucht ergab 1904:
400 948 (1873: 353 300, 1897: 376 800)
Pferde, 3 505 887 (1873: 3066 300, 1897:
3419 00) Rinder, 1857647 (1873: 872 100,
1897: 1412600) Schweine, 680 099 (1873:
1342200, 1897: 905900) Schafe. Der Berg-
bau, relativ unbedeutend, liefert besonders Stein-
kohlen (Pfalz, Oberbayern und Oberfranken),
Braunkohlen, Eisenerze (besonders die Oberpfalz)
und Graphit (Bezirksamt Passau), die Salinen
Berchtesgaden, Reichenhall, Traunstein und Rosen-
heim nebst Dürkheim und Kissingen produzierten
1906: 43 350 t Kochsalz. — Die Industrie
ist seit 4 Jahrzehnten in steter Entwicklung.
Nationalgewerbe ist die Bierbrauerei (1905:
17,8 Mill. hl, davon Ausfuhr: 3 Mill. hl. Bier-
gewinnung auf den Kopf der Bevölkerung 274 1,
im ganzen deutschen Zollgebiet 120 1). Die Brannt-
weinbrennerei ist weniger vertreten (1905/06:
194 873 hl Alkohol). Bedeutend ist die Fabri-
kation von Eisen= und Stahlwaren (Pfalz, Ober-
pfalz. Oberbayern), die Textilindustrie, die Glas-
und Spiegelindustrie (134 Glashütten), die Holz-
schnitzerei (Oberbayern), der Maschinenbau, die
Bijouterie= und Spielwarenindustrie (Nürnberg,
Fürth), die Erzeugung von Farbwaren und Che-
mikalien (Ludwigshafen, Nürnberg), von Papier,
Bleistiften (Nürnberg), Porzellan und Steingut
(Oberfranken, Passau) usw. Den Verkehr fördern
die schiffbaren Flüsse (Donau, Main, Rhein), der
Ludwigskanal, ein weites Netz von Straßen und
Eisenbahnen (1908:7406,2 km, davon 6464 km.
Staatsbahnen). Die Verstaatlichung der Pfälzer
Bahnen ist (1908) in die Wege geleitet. Die be-
deutendsten Banken sind neben der Reichsbank
(1 Hauptstelle, 3 Bankstellen, etwa 30 Nebenstellen)
und der Königlichen Bank zu Nürnberg (1 Haupt-
bank, 20 Filialen) die Bayrische Hypotheken= und
Wechselbank (Mktienkapital: 49 Mill. M)., die
Bayrische Handelsbank (27 Mill.), die Bayrische
Notenbank (Aktienkapital 15 Mill., ½ in Händen
21