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bei denen allerdings auf die sehr große industrielle
Bevölkerung Rücksicht genommen wurde.
Der seit dem 10. Dez. 1865 regierende König
Leopold II., geb. 9. April 1885 zu Brüssel, hat
seinen einzigen Sohn im Alter von 9 Jahren am
22. Jan. 1869 verloren; Thronfolger ist der Sohn
seines Bruders Philipp, Grafen von Flandern,
Albert, geb. 8. April 1875.
2. Flächeninhalt und Bevölkerung.
Belgien ist eingeteilt in 9 Provinzen mit 41 Be-
zirken (Arrondissements) und 2610 Gemeinden.
Bevölkerung am 31. Dez. 1900 auf
Probinzen dkm » . 1
männlich weiblich dkm
Antwerpen . 2831,80 406 275 412 884 327
Brabant 3282.90 612 142 651 393 431
Ostslandern. 3000.20 511 375 518 596 365
Westflandern 3234,81 398 969 406 267 266
ennegan3721.66 578 769 564 15826
amur . 3660,24 172 135 174 377 99
Luxemburg 4418,36 111 636 107 574 52
Lüttie . 2894,85 410 878 415 297 303
Limburg2412,30 122 655 118 14109
Königreich 29457,12 3324834 3368 714 246
Zusammen Bevölkerung des Königreichs 31. Dez.
1900: 6693 548 (Dez. 1906 auf 7238622 ge-
schätzt). Die ländliche Bevölkerung verhielt sich
zur städtischen wie 3:1. Eheschließungen 1905:
56679, Geburten: 196 029, Todesfälle (mit
Totgebornen): 126 935, Überschuß der Geburten:
69094. Der Konfession nach sind die Belgier
atholisch, abgesehen von etwa 18000 Protestanten
und 3000 Israeliten (meist in den Provinzen
Antwerpen und Brabant). Hinsichtlich der Staats-
angehörigkeit zählte man 1900: 6487 487 Bel-
gier, 63929 Niederländer, 56 576 Franzosen,
53758 Deutsche, 10 417 Luxemburger, 5748
Briten, 14073 andere Europäer. Es sprachen
nurplaemisch 2 822005, nurfranzösisch 2574 805,
beides 801 587, nur deutsch 28314 (1908 An-
trag auf Einführung der deutschen Gerichtssprache
für diese), französisch und deutsch 66 447. Vor-
wiegend vlaemisch sind die Provinzen Antwerpen,
Ostflandern, Westflandern, Limburg, Brabant
(90 bis 85 /). Die Vorkämpfer des Vlaementums
suchten auch die obligatorischevlaemische Unterrichts-
sprachein den Mittelschulen (freien wie behördlichen)
der vlaemischen Landesteile durchzusetzen, stießen
dabei jedoch auf Widerstand in den kirchlichen Krei-
sen, welche eine Abwanderung der Schüler nach den
französisch sprechenden Landesteilen befürchteten.
Nach dem Beruf verteilte sich die Bevölkerung
1890 folgendermaßen. Industrielle Berufsarten:
1.081 503 (darunter 255 001 weibl.), Handel
und Verkehr 327091 (darunter 111 532 weibl.);
sog. freie Berufe 659287 (153440 weibl.); ver-
schiedene Berufe 871501 (362642 weibl.); Män-
ner, Weiber und Kinder ohne Berufe 3 350 685.
Von größeren Städten zählten am 31. Dez. 1906
4 über 100 000 Einwohner: Antwerpen 304032,
Brüssel (geht wie die City von London zugunsten
der Vororte zurück) 199 695, Lüttich 172 039,
Gent 163 079.
Belgien.
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3. Belgiens Verfassung ist repräsentativ-
monarchisch und beruht auf der Konstitution vom
7. Febr. 1881 und deren späteren Ergänzungen
und Anderungen (so 1893 betreffend den Erwerbvon
Kolonien; 1899 Wahlreform). Ihr zufolge gibt es
vor dem Gesetz keine Standesunterschiede, jedem
ist die persönliche Freiheit garantiert, niemand
darf (außer in flagranti) anders als durch richter-
lich motivierte Verfügung verhaftet werden, die
Wohnung und das Briefgeheimnis sind unver-
letzlich. Haussuchungen dürfen nur in ganz be-
stimmten Fällen und nur in vorgeschriebener Form
vorgenommen werden; die Freiheit der Meinungs-
äußerung und eines jeden religiösen Kultus und
seiner öffentlichen Ausübung ist zugesichert, der
Unterricht und die Presse sind frei, die Zensur ist
abgeschafft und das Recht friedlicher Versammlung
ohne obrigkeitliche Genehmigung zugestanden. —
Der Thron ist nach der Resolution vom 20. Juli
und dem Dekret vom 1. Sept. 1831 erblich in
der männlichen Nachkommenschaft des Königs Leo-
pold I. von Sachsen-Coburg aus der gothaischen
Linie des älteren oder ernestinischen Hauptzweiges
der wettinischen (sächsischen) Dynastie nach der Ord-
nung der Erstgeburt und mit beständiger Ausschlie-
ßung der Prinzessinnen des Hauses und der Prinzen,
welche nur durch Frauen mit demselben verwandt
sind (agnatische Erbfolge). Der Monarch, welcher
der letzte seines Stammes ist, kann mit Zustim-
mung der Volksvertretung seinen Nachfolger er-
nennen; ist dies nicht geschehen, so wählt die
Volksvertretung den neuen Herrscher. Die Groß-
jährigkeit des Königs tritt mit dem vollendeten
18. Lebensjahr ein; Vormundschaft und Regent-
schaft werden von der Volksvertretung bestimmt,
dürfen jedoch nur einer Person übertragen werden.
Nach dem Tod des Königs versammeln sich die
Kammern ohne Einberufung spätestens am zehnten
Tag; inzwischen üben die Minister, zu einem Con-
seil vereinigt, die dem König zustehenden Rechte
auf eigene Verantwortung bis zur Vereidigung
des Thronfolgers oder Regenten aus. Der König,
dessen Person unverletzlich ist, tritt erst dann die
Regierung an, wenn er in der Mitte der Volks-
vertretung einen feierlichen Eid geleistet hat, die
Verfassung und die Gesetze des belgischen Volkes
zu beobachten und die Unabhängigkeit der Nation
sowie die Unverletzlichkeit des Staatsgebietes auf-
recht zu erhalten. Er ist im Besitz der ausübenden
Gewalt, wie sie in der Verfassung bestimmt ist,
sanktioniert und verkündigt die Gesetze, ernennt
und entläßt die Minister und die Oberkomman=
dierenden der Land= und Seemacht, verleiht die
militärischen Grade und den Adelstitel, besetzt die
Amter für die allgemeine Staatsverwaltung und
die auswärtigen Angelegenheiten, erklärt Krieg,
schließt Frieden, Bündnisse und Handelsverträge
(letztere mit eventueller Genehmigung der Kam-
mern), beruft die Kammern, schließt und vertagt sie.
Die Zivilliste ist für die Dauer der Regierung fest-
gesetzt und beträgt 3,5 Mill. Francs. Der König
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