59
nie aber von einer privaten Autorität ausgehen.
Das ist die übereinstimmende Lehre der Philo-
sophen und Theologen. Nun ist aber an und für
sich, soweit nicht durch ausdrückliche Verfassungs-
bestimmungen dieses Verhältnis geändert ist, der
Monarch allein der Träger der höchsten öffent-
lichen Gewalt oder Souveränität. Nur er allein
kann somit einen Krieg erklären. — Wir schließen
daher mit gutem Grund, daß das sog. Recht der
Völker auf Absetzung der Tyrannen, welches be-
sonders seit einem Jahrhundert so oft in der
Theorie aufgestellt und praktisch als Vorwand zu
Umsturzbestrebungen verwertet wurde, ein gefähr-
licher, von allen erhaltenden Elementen zu be-
kämpfender Irrtum ist.
Literatur. Außer den im Text angeführten
Autoren handeln über A. bes.: Balmes, Protestan-
tismus u. Katholizismus, deutsch von Haas (2 Bde,
21888, II, Kap. 54—57); Th. Meyer S. J., Die
Grundsätze der Sittlichkeit u. des Rechts (1868)
237 ff; derf., Institutiones iuris naturalis (2 Bde,
1885/1900, II, Nr 523 ff); Costa-Rossetti 8. J.,
Philosophia moralis (21886) 645 ff; Dahlmann,
Die Politik auf den Grund und das Maß der ge-
gebenen Zustände zurückgeführt (5/1847) Nr 200 ff;
R. v. Mohl, Enzyklopädie der Staatswissensch.,
(21872) 532 ff; Ventura, Essai sur le pouvoir
public (Par. 1859) 310 ff; v. Borch, Zur Ab-
setzung des Königs der Deutschen (1886); Paulsen,
System der Ethik II (51903); Cathrein, Moral-
philosophie II ((1904) 669 ff. (Cathrein S. J.J
Absolutismus. Bei dem Namen des
Absolutismus denkt man heutzutage gewöhnlich
an das unbeschränkte Fürstenregiment, welches im
16. und 17. Jahrh. in den Staaten Europas sich
entwickelt und — mit alleiniger Ausnahmevon Eng-
land — befestigt hat, und man stellt dazu das in
der Gegenwart fast allgemein herrschende konstitu-
tionelle System in Gegensatz. Allein weder er-
schöpft jene eine geschichtliche Form das Wesen
des Absolutismus, noch genügt das konstitutionelle
System für sich bereits zu seiner völligen Aus-
schließung. Sucht man nach einer allgemeinen,
die verschiedenen in der Geschichte aufgetretenen
Formen umfassenden Begriffsbestimmung, so wird
das Wesen des politischen Absolutismus am rich-
tigsten in der theoretischen Aufstellung oder tat-
sächlichen Durchführung des Prinzips erblickt
werden, daß die staatliche Autorität den Staats-
bürgern gegenüber eine unbedingte ist und ihr
gegenüber keine Berufung auf ein höheres, von ihr
unabhängiges Recht besteht. Es ist einleuchtend,
daß dieses Prinzip in einer unbeschränkten Mon-
archie wie in einer auf der Grundlage der Volks-
souveränität aufgebauten Demokratie in die Er-
scheinungtreten kann. Esistebensoselbstverständlich,
daß eine der ursprünglich zugrunde liegenden Idee
oder den bestehenden Einrichtungen nach absolute
Staatsgewalt von ihrer Macht einen mehr oder
minder umfassenden Gebrauch machen kann, und
daß hierauf der Charakter der Nation, die erreichte
Stufe der Gesittung und die allgemeine Denkweise
Absolutismus.
60
eines Zeitabschnitts einen bestimmenden Einfluß
ausüben werden. Es ist endlich klar und nur die
andere Seite des soeben Hervorgehobenen, daß
auch der Umfang eigener Rechte, welchen Indivi-
duen und Gepnossenschaften der Staatsgewalt
gegenüber in Anspruch nehmen, nach Zeiten und
Völkern sehr verschieden bemessen wird. Dem-
entsprechend waren es denn auch ganz verschiedene
Punkte, worauf in den verschiedenen Perioden die
Diskussion zwischen den Verfechtern und den Be-
kämpfern des Absolutismus sich richtete oder worum
der Streit der kämpfenden Parteien sich drehte.
Heute sind in der zivilisierten Welt so ziemlich alle
einig in der Abneigung gegen den persönlichen
Absolutismus eines Alleinherrschers; aber zu
gleicher Zeit wächst, so scheint es, die Zahl der
bewußten oder unbewußten Vertreter eines un-
persönlichen Staatsabsolutismus, welcher in seinen
Konsequenzen weit größere Gefahren für Recht
und Freiheit einschließt! Auch zeigt die Geschichte
keineswegs eine geradlinig fortschreitende Entwick-
lung, welche von dem Extrem einer alles selbstän-
dige Leben der Glieder verschlingenden schranken-
losen Alleinherrschaft durch folgerecht einander ab-
lösende Zwischenstufen hindurch dem Ideal einer
allseitigen und vollständigen Verwirklichung der
Rechtsordnung entgegenführte. Macht man den
Versuch, die verschiedenen Stufen oder Grade des
Absolutismus einer systematischen Sonderung zu
unterwerfen, so hat man die Belege für ihre ge-
schichtliche Verwirklichung nicht selten Perioden
zu entnehmen, welche chronologisch sehr weit von-
einander abliegen.
Die vollendete Form des Absolutismus ist ohne
Frage dort gegeben, wo keinerlei sittliche Mächte,
durch welche die Willkür der Träger der Staats-
gewalt gebunden werden könnte, anerkannt sind
oder solche geradezu geleugnet werden. Man wird
hier zunächst an die Staaten des Orients denken,
wo sich dem über alles menschliche Maß hinaus
erhöhten Despoten das Volk in dumpfem Sklaven-
sinn rückhaltlos unterwarf. Aber wie gewaltig
auch der Abstand ist, welcher das Leben der Assyrer
und Babylonier von dem der Römer trennt, ab-
solutistisch im vollsten Sinn war auch der römische
Staatsgedanke, und er blieb es, mochte nun in der
öffentlichen Wohlfahrt (salus publica) das oberste
Gesetzerblickt oder der Willensäußerung des Kaisers
als solcher Gesetzescharakter beigelegt werden (quod
principi placuit, legis habet vigorem). Das
Recht ist dem Römer nicht Ordnung des gesamten
sozialen Lebens, sondern vor allem Mittel der
Macht. Wie der selbstsüchtige Wille des Indivi-
duums das treibende Motiv in der Ausgestaltung
des Privatrechts, so ist Macht und Herrschaft, von
jedweder Rücksichtnahme auf höhere, sittliche Lebens-
elemente losgelöst, Ziel und Aufgabe des Staats-
wesens. Aber eben jene bewunderungswürdige
Ausbildung des Privatrechts, wodurch die Römer
die Lehrer der Jahrhunderte geworden sind, mußte
doch zugleich tatsächlich als eine die autonome