Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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um 3,52 Mill. t, in Koks um 1,15 Mill. t über- 
troffen. Diese Zunahme entspricht einer Steige- 
zung von 4,58% für Kohlen und 8,04 % für 
ots. 
Ob das Kohlensyndikat 1915 erneuert wird, 
oder ob an seine Stelle die großen Montankonzerne 
treten, wie sie z. B. in der Verschmelzung der 
Gelsenkirchener Bergwerks-Aktiengesellschaft mit 
dem ANachener Hütten-Aktienverein Rote Erde und 
dem Schalker Gruben- und Hüttenverein zutage 
treten, läßt sich heute noch nicht mit Bestimmtheit 
sagen. Es ist aber sehr wohl möglich, daß diese 
großen Konzerne dereinst die Funktionen des 
Kohlensyndikats übernehmen werden. 
Ferner bestehen ein Braunkohlenbrikett-Ver- 
kaufsverein (Gesamtabsatz 1906: 2342 095 t, 
1907: 2772040 t), die oberschlesische Kohlen- 
konvention, die allerdings nur eine lose Vereini- 
gung im Vergleich zum Kohlensyndikat darstellt, 
und andere kleinere Verbände. 
Auch in der Kalündustrie ist ein großer Teil 
der Werke in dem Kalisyndikat vereinigt, das 
jedoch bisher mit großen Schwierigkeiten zu 
kämpfen hatte und dessen Vertrag am 31. Dez. 
2009 ablänuft. 
II. Vergrecht. 1. Begriff und geschicht- 
liche Entwicklung. Die Tätigkeit des Berg- 
baus erstreckt sich lediglich auf die unterirdische 
mineralische Lagerstätte und hat mit der Ober- 
fläche nichts gemein. Für den Bergbau sind daher 
die Grenzen der Oberfläche, welche Bodenerwerb, 
Grundbesitz und Grundeigentum geschaffen haben, 
nicht maßgebend. Der Bergbau findet auch, nach- 
dem er an einem Punkt in das Innere der Erde 
eingedrungen ist und die natürliche Ablagerung 
des Minerals aufgefunden hat, seine Schranken 
nur in der Ausdehnung und Erstreckung der unter- 
irdischen Lagerstätte des Minerals; er hat sich 
daher seit jeher von den übrigen Bodennutzungen 
als ein selbständiges Gewerbe abgesondert. Dieses 
Gewerbe ist aber mit Rücksicht auf die besondere 
Beschaffenheit der Objekte und in Anbetracht der 
eigentümlichen, nicht bloß in einzelnen Voraus- 
setzungen und Wirkungen, sondern ihrem ganzen 
Inhalt nach verschiedenen, von dem gewöhn- 
lichen bürgerlichen Recht abweichenden Rechtsver- 
hältnisse in sich und für sich derart abgeschlossen, 
daß es ein von allen andern Gewerben unab- 
hängiges, selbständiges Ganzes bildet, dessen 
rechtliche Besonderheiten ein Spezialrecht not- 
wendig machten und unter dem Titel Bergrecht 
auch entstehen ließen. Das Bergrecht ist hiernach 
der Inbegriff der auf den Bergbau bezüglichen 
Rechtsnormen. 
Der Bergbau kollidiert vielfach mit dem all- 
gemeinen (römischen) Begriff des Eigentums 
sowie mit den Rechten des Grundeigentümers; 
er hebt teilweise das Verfügungsrecht des letzteren, 
ja das Eigentum selbst auf. Das Eigentum im 
Sinn unserer Gesetzbücher schließt nämlich in der 
weiteren Ausdehnung des Begriffs die rechtliche 
Bergwesen. 
  
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Herrschaft über die zu Eigentum besessene Sache 
in der Totalität in sich, gibt also dem Eigen- 
tümer ein unbeschränktes, ausschließliches Recht 
über die Sache selbst. In diesem weiteren Sinn 
begreift das Eigentum auch das Recht in sich, die 
Sache allein zu besitzen und zu gebrauchen, über 
die Substanz der Sache beliebig und mit Aus- 
schluß des Dritten zu verfügen und demgemäß auch 
jede fremde Einwirkung cuf dieselbe auszuschließen. 
Hieraus würde folgen, daß der Eigentümer eines 
Grundstücks in seiner Eigenschaft als Eigentümer 
allen andern das Aussuchen und die Gewinnung 
der Mineralien auf bzw. in seinem Grund und 
Boden verbieten und sich die in den Zwischen- 
räumen seines Bodens verbreiteten und von der 
Natur mit dem Boden gemengten festen Teile — 
die Fossilien — als Akzessorium seines Grund- 
eigentums allein aneignen dürfe. Dies ist aber 
nicht der Fall. Dem Grundeigentum haben bezüg- 
lich des Bergbaus im Interesse des Staates und 
der allgemeinen Wohlfahrt Schranken gezogen 
werden müssen. Denn bei dem Bergbau handelt 
es sich nicht bloß um eine Urproduktion und Stoff- 
gewinnung als solche, sondern gleichzeitig auch 
um Gewinnung von nationalökonomisch wichtigen 
Produkten, um Erzeugung von Gewerbestoffen, 
welche dem Staat, dem Nationalvermögen und 
den einzelnen Mitmenschen zugute kommen und 
von fortdauerndem Nutzen bleiben. Man konnte 
und durfte deshalb dem Grundeigentümer nicht 
gestatten, den Zugang zu den unter seiner Acker- 
krume liegenden, für die Gesamtheit notwendigen 
Fossilien und deren Ausbeute zu verbieten und 
auf diese Weise z. B. durch Vorenthaltung der 
erforderlichen Kohle das Feuer in allen Werk- 
stätten auszulöschen und die ganze Industrie zu 
vernichten. Dies und die weiteren Erwägungen, 
daß die natürliche Ablagerung der Fossilien nie- 
mals oder doch nur selten auf ein einzelnes 
Grundstück beschränkt ist, daß die Fossilien im 
Schoß der Erde vielmehr in ihrer ganzen Er- 
streckung ohne Rücksicht auf die oberen Eigen- 
tumsgrenzen abgebaut werden müssen, und daß 
ein Bergwerk somit nicht wie der Anbau eines 
Ackers eingeteilt werden kann, daß ferner die 
Grundbesitzer von der doch ihnen zunächst ge- 
währten faktischen Möglichkeit, die unter ihrer 
Grundfläche lagernden Mineralien aufzusuchen, 
einerseits nur ausnahmsweise Gebrauch gemacht 
haben und daß sie anderseits die zu Bergbauunter- 
nehmungen erforderlichen großen, den Wert des 
Bodens übersteigenden Mittel oft überhaupt nicht 
besitzen, — machten Beschränkungen des 
Grundeigentums und die gänzliche Trennung der 
Bergbauberechtigung von dem Grundeigentum 
geradezu notwendig. · 
Die Trennung vollzog sich unter drei ver- 
schiedenen Formen, nämlich a) als Bergregal, 
b) als Bergbaukonzession, c) als Bergbaufreiheit, 
dahin, daß bestimmte, nationalökonomisch wichtige 
Mineralicn aus dem Inbegriff des Grundeigen- 
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