785
des mit Wohn-, Wirtschafts= oder Fabrikgebäu-
den bebauten Grund und Bodens und der damit
in Verbindung stehenden eingefriedigten Hofräume
kann aber der Grundbesitzer gegen seinen Willen
niemals angehalten werden. Die Billigkeit und
das allgemeine Rechtsbewußtsein gebieten es, daß
der Grundeigentümer für den durch den Bergbau
seinem Besitz und Nutzungsrecht, ja auch seinem
Eigentum entzogenen Grund und Boden Ent-
schädigung erhält. Die Entschädigung oder Gegen-
leistung ist obligatorisch. Die Verbindlichkeit wird
— vom fjuristischen Gesichtspunkt betrachtet —
durch einen Vertrag begründet, der zwischen dem
beeinträchtigten Grundeigentümer und dem Berg-
werksbesitzer entweder gütlich zustande kommt oder
in Ermanglung gütlicher Einigung durch die Ver-
waltungsbehörden ergänzt wird. Der Grund-
eigentümer ist nämlich zur Hingabe und Ab-
tretung seines Grund und Bodens zu Zwecken
des Bergbaus gesetzlich verpflichtet. Dadurch
wird wiederum den Bergwerksbesitzern das Recht
zur Vertragsschließung verliehen. Sind dem Eigen-
tümer nur Besitz und Nutzungsrechte entzogen, so
fällt das Vertragsverhältnis unter den Begriff des
Pachtertrags. Handelt es sich dagegen um Grund-
abtretung, dann haben wir es mit einem Kauf-
vertrag zu tun. Verpächter bzw. Verkäufer ist der
Grundeigentümer, Pächter bzw. Käufer hingegen
der Bergwerksbesitzer. Der Betrag der von letz-
terem zu gewährenden Gegenleistung, der Pacht-
zins oder der Kaufpreis, wird in Ermanglung
gütlicher Einigung durch das Urteil der Verwal-
tungsbehörden oder der richterlichen Instanz fest-
gestellt. Das Urteil ist ein Quasikontrakt, es ver-
tritt die Stelle des Vertrags selbst.
Die Entschädigungsfrage als solche ist in
einer für den Grundeigentümer keineswegs un-
günstigen Weise geregelt. Sowohl der Schürfer
als auch der Bergwerkseigentümer ist verpflichtet,
dem Grundbesitzer für die entzogene Nutzung
jährlich sogar im voraus vollständige Entschädi-
gung zu leisten und das Grundstück nach be-
endigter Benutzung zurückzugeben. Für den Fall
der Rückgabe ist der Bergwerksbesitzer zur Wieder-
herstellung in den vorigen Stand nicht verpflichtet.
Tritt durch die Benutzung aber eine Wertvermin-
derung des Grundstücks ein, so muß er bei der
Rückgabe den Minderwert ersetzen. Der Eigen-
tümer des Grundstücks kann in diesem Fall auch
fordern, daß der Bergwerksbesitzer das Eigentum
des Grundstücks erwirbt. Der Grundeigentümer
hat also unter allen Umständen zu beanspruchen:
1) die jährlich im voraus zu zahlende voll-
ständige Entschädigung für die entzogenen Nutzun-
gen, 2) bei der Rückgabe des Grundstücks nach
seiner Wahl entweder den Grundstücksminderwert,
oder er beläßt das Grundstück dem Bergwerks-
eigentümer und übereignet ihm dasselbe definitiv
für einen Preis, sogar nach dem außerordentlichen
Wert. Für die vom Schürfer und Bergwerks-
besitzer zu leistenden Verpflichtungen kann der
Bergwesen.
786
Grundbesitzer auch vorweg die Bestellung einer
angemessenen Kaution verlangen.
Neben der Entschädigung für den zum Berg-
baubetrieb abgetretenen Grund und Boden kommt
noch der Schaden in Betracht, welchen der Berg-
bau dem Grundeigentum als solchem und dessen
Zubehörungen zufügt (bergbauliche Beschä-
digungen). Die Grundbesitzer haben eine Ent-
schädigung für alles dasezu beanspruchen, was sie
durch den Bergbau überhaupt verlieren, z. B. für
Entziehung von Wasser, für Versenkungen der
Oberfläche, für Beschädigungen und den Einsturz
der Gebäude usw. Der Entstehungsgrund der
Verpflichtung zum Schadenersatz liegt allein in
der Tatsache der Beschädigung als solcher. Die
Verbindlichkeit selbst tritt mit dem Augenblick der
Schadenszufügung ein. Der Augenblick der Ent-
stehung des Schadens entscheidet auch über die
Person des Verpflichteten, so daß der Anspruch
gegen denjenigen zu richten ist, welcher zur Zeit
der vorgekommenen Beschädigung Besitzer des
Bergwerks ist bzw. war. Die Entschädigung muß
vollständig sein. Der Grundbesitzer erhält also
auch für zufällige Grundschäden den Ersatz des
gesamten Schadens und des entgangenen Ge-
winnes. Der Schadenersatz selbst ist nach den
Vorschriften des B.G.B. zu leisten.
Der Bergwerksbesitzer ist nicht zum Ersatz des
Schadens verpflichtet, der an Gebäuden oder
andern Anlagen durch den Betrieb des Berg-
werks entsteht, wenn solche Anlagen zu einer Zeit
errichtet worden sind, wo die denselben durch den
Bergbau drohende Gefahr dem Grundbesitzer bei
Anwendung gewöhnlicher Aufmerksamkeit nicht
unbekannt bleiben konnte. Muß wegen drohender
Gefahr die Errichtung von Anlagen und Ge-
bäuden unterbleiben, so kann der Grundbesitzer
Vergütung der Wertminderung, die sein Grund-
stück dadurch etwa erleidet, fordern. Er verliert
aber diesen Anspruch, wenn sich aus den Um-
ständen ergibt, daß die Absicht, solche Anlagen zu
errichten, nur kundgegeben wird, um jene Ver-
gütung zu erzielen.
Das Grundeigentum hat übrigens in Preußen
in neuester Zeit dem Bergwerkseigentum im Inter-
esse des Bergbaus weitere Konzessionen machen
müssen, indem die preußischen Gesetze, betreffend die
Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücks-
teilungen und die Gründung neuer Ansiedlungen
in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pom-
mern, Posen, Schlesien, Sachsen und Westfalen
sowie in der Provinz Hannover, in der Provinz
Schleswig-Holstein und in der Provinz Hessen-
Nassauvom 25. Aug. 1876, 4. Juli 1887, 13.JuniD
1888 und 11. Juni 1890 durch die Gesetze vom
16. Sept. 1899 und 10. Aug. 1904 dahin ergänzt
worden sind, daß die Ansiedlungsgenehmi-
gung versagt werden kann, wenn gegen die An-
siedlung von dem Besitzer eines Bergwerks, wel-
ches unter dem zu besiedelnden Grundstück oder in
dessen Nähe belegen ist, Einspruch erhoben und