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durch Tatsachen begründet wird, welche die An-
nahme rechtfertigen, a) daß durch den Betrieb des
Bergwerks in absehbarer Zeit Beschädigungen
der Oberfläche des zu besiedelnden Grundstücks
eintreten können, denen im Interesse der persön-
lichen Sicherheit und des öffenklichen Verkehrs
durch bergpolizeilich anzuordnendes Stehenlassen
von Sicherheitspfeilern vorzubeugen sein würde,
b) daß die wirtschaftliche Bedeutung des unein-
geschränkten Abbaus der Mineralien die der An-
siedlung überwiegt. Jene sog. Ansiedlungsgesetze
verordnen nämlich, daß derjenige, welche außer-
halb einer im Zusammenhang gebauten Ortschaft
ein Wohnhaus errichten oder ein schon vorhan-
denes Gebäude zum Wohnhaus einrichten will,
dazu einer von der Ortspolizeibehörde zu ertei-
lenden Ansiedlungsgenehmigung bedarf, und daß
letztere versagt werden kann, wenn gegen die An-
siedlung von dem Eigentümer, dem Nutzungs= und
Gebrauchsberechtigten oder dem Pächter eines be-
nachbarten Grundstücks oder von dem Vorsteher
des Gemeinde= oder Gutsbezirks, an welche das-
selbe angrenzt, Einspruch erhoben und durch Tat-
sachen begründet wird, welche die Annahme recht-
fertigen, daß die Ansiedlung den Schutz der
Nutzungen benachbarter Grundstücke aus dem
Feld= und Gartenbau, aus der Forstwirtschaft,
der Jagd oder der Fischerei gefährden werde. Die
erhobenen Einsprüche sind von der Ortspolizei-
behörde zu prüfen. Vor Aushändigung der An-
siedlungsgenehmigung darf die polizeiliche Bau-
erlaubnis nicht erteilt werden. Diese Ansiedlungs-
gesetze schließen einen nicht unerheblichen Eingriff
in die Eigentumsrechte der Grundbesitzer seitens
der nachbarlichen Besitzer in sich.
Die die Ansiedlungsgesetze ergänzenden Gesetze
von 1899 und 1904 haben die Eingriffe in die
Eigentumsrechte der Grundbesitzer noch vermehrt,
indem sie auch dem Bergwerksbesitzer den oben
mitgeteilten Einspruch gegen neue Ansiedlungen
eingeräumt haben. Zu diesem Eingriff glaubte man
deshalb schreiten zu müssen, weil bis dahin der
Gefährdung der Sicherheit der stetig wachsenden
Zahl der Häuser in den Montanindustriebezirken
und der in solchen Häusern wohnenden oder aus
andern Gründen dort verkehrenden Personen nur
im Weg der Polizeiverordnung und nur auf die
Weise vorgebeugt werden konnte, daß zum Schutz
solcher Häuser das Stehenlassen von sog. Sicher-
heitspfeilern angeordnet wurde. Das Stehen-
lassen solcher Pfeiler hatte wieder zur Folge, daß
die unter dem zu schützenden Gebäude anstehenden
Mineralien vollständig vom Abbau und der Ge-
winnung ausgeschlossen wurden. Dadurch hatte
namentlich der oberschlesische Bergbau sehr große
Verluste zu erleiden, weil dort die Kohlenflöze
eine solche Mächtigkeit haben, daß, abgesehen von
großen, sich bis zur Oberfläche fortpflanzenden
Spalten und Rissen, der vollständige Zusammen-
bruch der durch die Gewinnung der Kohlen im
Innern der Erde entstandenen, gewaltigen Hohl-
Bergwesen.
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räume stattfindet und die Gebäude zu Bruch gehen.
Bei der zunehmenden Tiefe des Kohlenabbaus
haben die Sicherheitspfeiler immer größere Di-
mensionen annehmen müssen, um einen wirksamen
Schutz für die an der Oberfläche liegenden Ge-
bäude herbeizuführen, so daß z. B. im oberschlesi-
schen Bergrevier für ein einziges, alleinstehendes
Haus von 20 qm Grundfläche eine Kohlenmenge
stehen bleiben mußte, welche einen Wert von
3 630 000 M darstellt. Die Verluste, welche
durch die Sicherheitspfeiler bis dahin schon ein-
getreten sind, und wie sie mit der fortschreitenden
Ansiedlung in den Montanbezirken an Umfang
weiter zunehmen müßten, sind daher so enorm,
daß die Beseitigung der Sicherheitspfeiler durch
Gesetz angezeigt erschien, und zwar nicht bloß im
Interesse der Bergwerksbesitzer, denen übrigens
das staatsseitig anerkannte Recht, das ihnen ver-
liehene Mineral nicht bloß aufzusuchen, sondern
auch zu gewinnen, nicht verkümmert werden darf,
sondern auch aus dem gewichtigen staatlichen
Interesse der Nichtschmälerung des National-
vermögens.
Der Besitzer eines Bergwerks kann also, außer
in den Rheinlanden, in welchen das Ansiedlungs-
gesetz nicht gilt, in allen Provinzen des preußi-
schen Staats gegen die Besiedlung, d. h. Bebauung
mit Häusern der über dem Bergwerk oder in dessen
Nähe belegenen Grundstücke mit Erfolg Einspruch
erheben, also eine versuchte Ansiedlung verhin-
dern, er muß aber, wenn sein Einspruch für be-
gründet erachtet und auf Grund des erhobenen
Einspruchs die Genehmigung zur Ansiedlung ver-
sagt wird, dem Grundeigentümer den demselben
durch die Versagung der Ansiedlungsgenehmigung
erwachsenden Schaden ersetzen.
Alle Ansprüche auf Ersatz eines durch den Berg-
bau verursachten Schadens, welche sich nicht auf
Vertrag gründen, müssen von dem Beschädigten
innerhalb drei Jahren, nachdem das Dasein und
der Urheber des Schadens zu seiner Kenntnis ge-
langt sind, durch gerichtliche Klage geltend gemacht
werden. Diese kurze Verjährung greift auch in
denjenigen Fällen Platz, wo sich der Schaden in
Zukunft erneuert.
3. Gewerkschaften. Für den durch mehrere
betriebenen Bergbau besteht eine besondere Ver-
einigungsform, die Gewerkschaft. Wenn dieselbe
auch in neuester Zeit wegen ihrer etwas schwer-
fälligen Form von ihrer früheren Beliebtheit etwas
eingebüßt hat und sie zum Teil durch etwas leich-
tere Gesellschaftsverhältnisse abgelöst worden ist,
so dürfte doch das in Gewerkschaften steckende
Kapital immer noch etwa 1½ Milliarden M be-
tragen. Auch im Kalibergbau wird die Gewerk-
schaftsform wegen der ihm drohenden natürlichen
Gefahren bevorzugt. Man hat zwischen Gewerk-
schaften älteren und neueren Rechts zu unter-
scheiden. Die ältere Gewerkschaft, die nur für
vor 1865 in Betrieb gesetzte Bergwerke in Betracht
kommt, ist ihren Grundzügen nach eine Gesellschaft