Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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dem römischen Imperium gleichgesetzt und ihr 
Inhalt mit den Bestimmungen des römischen 
Rechts auseinandergelegt. Hatte doch auch Hein- 
rich III. in seiner Rede bei der Ständeversamm- 
lung in Blois von der königlichen Gewalt ge- 
sprochen, „die durch die Gesetze selbst über die 
Gesetze erhoben sei“. 
Weiter noch als Barclay geht Albericus 
Gentilis, ein Italiener, der im Dienst Ja- 
kobs I. von England schrieb. Seine Abhandlung 
De potestate regis absoluta (London 1605) 
ist eine Erläuterung des bekannten Satzes: Quod 
principi placuit etc., voll geschmackloser Gelehr- 
samkeit. Ihm gelten die Könige von Spanien 
und Frankreich als nicht im Vollbesitz der Sou- 
veränität befindlich, da sie in Sachen der Religion 
unter dem Papst stehen, „denn das widerstreitet 
zweifelsohne dem Recht des obersten Herrschers, 
der, nur allein unter Gott stehend, Hüter und 
Ausleger auch der ersten Gesetzestafel ist. Glücklich 
die Fürsten, ja allein wahre Fürsten, die in keiner, 
auch nicht der geringsten Angelegenheit, geistlicher 
oder weltlicher, die Jurisdiktion eines Fremden 
anerkennen! Die übrigen sind keine Souveräne; 
vor wem ein anderer die höhere Stelle einnimmt, 
der ist in Wahrheit kein Fürst. Ein wirklicher 
Fürst ist ein irdischer Gott, seine Macht ist größer, 
als sie im Altertum dem Vater über das Kind, 
dem Herrn über den Sklaven zustand.“ Mit 
Spott kehrt sich Albericus Gentilis gegen die 
Meinung, die Herrscher seien da um des all- 
gemeinen Wohles willen; das möge von den 
Wächtern im Idealstaat Platos gelten, aber wer 
würde deren Stelle einnehmen wollen? Zwar will 
er zugeben, daß der Fürst nicht über dem gött- 
lichen Gesetze stehe, daß er das Eigentum der Unter- 
tanen nicht ohne gerechte Ursache in Beschlag 
nehmen dürfe; aber die Zugeständnisse verlieren 
ihren Wert durch den Vorbehalt, daß es eben der 
Fürst ist, dem die souveräne Entscheidung darüber 
zukommt, was jenes Gesetz vorschreibt, wann eine 
gerechte Ursache vorliegt. — In der gleichen Rich- 
tung bewegt sich die Schrift, welche Claudius 
Salmasius zur Verteidigung des unglücklichem 
Karl I. verfaßte (Defensio regia pro Carolo I. 
ad Carolum II., s. I. 1694. Sumptibus regs). 
Eine wichtige Rolle in der Diskussion spielte seit 
langem die Stelle 1 Kön. 8, 11 ff, wo Samuel den 
Jraeliten, die einen König nach Art der Heiden 
verlangen, vorstellt, was alles ein solcher König 
beginnen würde. Man stritt darüber, ob Samuel 
einen wirklichen König oder einen Tyrannen schil- 
dere, ob das, was zweimal (V. 9 u. 11) jus 
regis genannt wird, in der Tat das von Gott 
dem König verliehene Recht oder vielmehr den 
Mißbrauch der königlichen Gewalt ausdrücke. Auch 
in der Anklageschrift gegen Karl I. hatte die Stelle 
Erwähnung gefunden. Salmasius vertritt ohne 
Scheu die Meinung, es werde darin in der Tat 
das Recht des Königtums ausgesprochen. Zwi- 
schen Recht und Gerechtigkeit sei nämlich ein großer 
Staatslexikon. I. 3. Aufl. 
Absolutismus. 
  
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Unterschied und, wie Paulus sage, nicht alles, 
was erlaubt ist, sei darum nützlich. Daher können 
die Könige von ihrem Recht nach seinem vollen 
Umfang Gebrauch machen, wenn es ihnen auch 
nützlicher sein mag, etwas davon abzulassen. Aber 
weil ihnen das Recht zusteht, so ist auch der Ge- 
brauch desselben straflos. Wo das Volk den König 
erwählt, überträgt es demselben damit die höchste 
Gewalt gänzlich, dauernd unwiderruflich. Sonst 
wäre kein Unterschied zwischen dem König und 
einem bloßen Beamten. Denn wie der Mond in 
dem fremden Lichte leuchtet, das er der Sonne 
entlehnt, so eignet dem Beamten nur die Gewalt, 
die ihm der Fürst oder das Volk gleichsam leih- 
weise übertragen hat, die er darum auch auf Ver- 
langen sofort zurückgeben muß. Ein König da- 
gegen, den das Volk erwählt, nimmt die Gewalt 
des Volks so ganz und gar in sich auf, wird so 
völlig von ihr erfüllt und durchdrungen, daß sie 
ihm nicht mehr entzogen werden kann; es ist, wie 
wenn die Sonne ihr Licht gänzlich abgelegt, es 
völlig in den Körper des Monds hinüber gegossen 
hätte, so daß der Mond zur Sonne, die Sonne 
zum Mond geworden wäre. Ja wenn ein König, 
gezwungen durch Parteiungen der Großen oder 
Erhebungen des Volks, etwas von seinem Recht 
nachgelassen hätte, so könnte dies den Nachfolger 
nicht binden, der, sobald die Umstände es er- 
laubten, die volle, unumschränkte Gewalt an sich 
zu nehmen befugt wäre. Daß Krone, Oberhaus 
und Unterhaus drei koordinierte Faktoren bildeten, 
wird als eine absurde Meinung bezeichnet. Auch 
Salmasius ist endlich der Meinung, daß der könig- 
lichen Gewalt vor allem die aufkommende Macht 
des Papsttums gefährlich geworden sei; der von 
dorther erhobene Anspruch, die Könige zu richten, 
habe die erhabene Stellung der weltlichen Obrig- 
keit in den Augen der Untertanen herabdrücken 
müssen. 
Der eigentliche Klassiker des Absolutismus aber 
ist der ursprünglich gleichfalls dem Lager der 
Stuarts angehörende Philosoph Thomas Hob- 
bes geworden. Wenn Hobbes die Staatsgewalt 
ausdrücklich über die Gesetze stellt Oe cive VI 14) 
und die gegenteilige Meinung zu den den Staat 
auflösenden Lehren zählt (XII 4); wenn er ihr ein 
unbedingtes Gesetzgebungsrecht in dem Umfang 
beilegt, daß ihre positive Satzung erst den Maß- 
stab ergibt für das, was gerecht und ungerecht, 
gut und böse, ehrbar und unehrbar ist (VI 9; 
XII 1); wenn er ein von der obersten Gewalt 
unabhängiges Privateigentum leugnet und die 
Freiheit der Bürger nur in dem Umkreis von Be- 
fugnissen erblickt, welchen die Gesetzgebung ihnen 
belassen hat (VI 15; XII7); wenn er unbedingten 
Gehorsam gegen die Anordnungen der Obrigkeit 
auch da verlangt, wo diese der Überzeugung der 
Untertanen als ungerechte und gesetzwidrige sich 
darstellen (XVII 27); wenn er endlich auch die 
Entscheidung über die Glaubenslehre (XV 16) 
und die Auslegung des Sinnes der Heiligen 
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