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wurde bestimmt, der wievielte Teil des so gefun-
denen Steuerkapitals zu erheben war — modern
ausgedrückt: eine progressive, oder genauer, degres-
sive Einkommensteuer mit Quotisierung.
Von größerem Interesse ist das Steuerwesen im
römischen Staat, nicht nur wegen der weit
großartigeren Entwicklung des gesamten Staats-
wesens und der mannigfaltigeren und ausgebil-
deteren wirtschaftlichen Verhältnisse, sondern auch
weil die Steuereinrichtungen in den Provinzen,
insbesondere in Gallien, Einfluß auf die späteren.
mittelalterlichen Verhältnisse ausgeübt haben. Wie
in allgemein staatsrechtlicher Beziehung, so ist auch
in der Frage der Besteuerung ein Unterschied zu
machen zwischen dem römischen Staat und den
Provinzen, welchen ersterer als herrschende Gesamt-
heit mit Ansprüchen auf Leistungen verschiedener
Art gegenübertrat. Der älteste römische Staat
fand die Mittel zu seinem regelmäßigen Haushalt
in den Einnahmen aus dem Staatsbesitz. Diese
Domänen vermehrten sich mit jeder neuen Er-
oberung, indem von denselben dabei mindestens
½ bis ⅜ als Staatsgut in Anspruch genommen
wurde. Diese Ländereien wurden an Private be-
geben, die dafür eine Abgabe (vectigal) zahlten,
welche eine der Haupteinnahmen des Staates bil-
dete. Sodann findet man Luxussteuern, Steuern
nach dem Wert der freizulassenden Sklaven, Erb-
schaftssteuern und Zölle, außerdem noch gebühren-
artige Abgaben für Benutzung öffentlicher Ein-
richtungen (z. B. Brücken-, Hafenabgaben). Wie
Athen, so hat auch Rom seinen Zensus (seit Ser-
vius Tullius), welcher hier wie dort die Grundlage
für öffentliche Rechte und Pflichten bilden sollte.
Das tributum civium Romanorum, welches
nach dem Zensus erhoben wurde, war ursprünglich
eine Bodenwirtschaftssteuer, entwickelte sich aber
auch hier ähnlich wie in Athen nach und nach zu
einer allgemeinen Vermögenssteuer. Der Senat
bestimmte den nach Bedarf zur Erhebung zu
bringenden Prozentsatz; eins pro mille war tri-
butum simplex. Ein analoges tributum wurde
von den nicht in den Zensuslisten Stehenden er-
hoben. Das tributum civium Romanorum
wurde eingezogen für außergewöhnliche Fälle,
namentlich für Aufbringung des Truppensoldes,
nachdem dieser allgemein geworden war und die
Bürger nicht mehr auf eigene Kosten dienten. Die
Vermehrung der Einnahmen aus den eroberten
Ländern machte indessen diesen Zuschuß der römi-
schen Bürger überflüssig, so daß seit 167 v. Chr.
eine Erhebung desselben jahrhundertelang nicht
stattfand. Durch die Verleihung des römischen
Bürgerrechts wurde die Steuerfreiheit auch weiter
ausgedehnt und erstreckte sich seit 89 v. Chr. auf
ganz Italien. Die römische Bürgerschaft war zum
Herrschen und Genießen, die unterworfene Be-
völkerung aber zum Dienen und Zahlen da
(Marquardt). Es tritt hier der Begriff des Ober-
eigentums ein. Die Bewohner der eroberten Pro-
vinz erscheinen lediglich als Nutznießer. Diese
Besteuerung.
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Art des Besteuerungsrechts ist nicht die staats-
rechtlich und naturrechtlich begründete des Staats
gegen seine Angehörigen, sondern ein Ausfluß des
Rechts des Siegers gegenüber dem Besiegten.
Als Beispiel der Provinzialbesteuerung sei die
Provinz Gallien genannt, über deren Verhält-
nisse genauere Darstellungen (insbesondere Clama-
geran) vorliegen. Zwei große Klassen von Steuern
sind dort vorhanden gewesen. Die eine Klasse um-
faßt diejenigen, welche wir heute in allerdings
wissenschaftlich nicht scharf begrenztem Sprach-
gebrauch als direkte Steuern bezeichnen; die
zweite Klasse entspricht ungefähr unsern in-
direkten Steuern. Alle Steuern der ersten
Klasse haben das Charakteristische, daß sie bei
einem regelmäßigen, dauernden oder wenigstens
periodisch wiederkehrenden Vorgang einsetzen; der
Güterbesitz, die Ernte, bewegliches Vermögen sind
Grundlagen der Besteuerung. Die Steuern der
zweiten Kategorie erwachsen bei vorübergehenden,
zufälligen, nichtregelmäßigen Handlungen: Trans-
port und Verkauf von Waren, Rechtshandlungen
verschiedener Art. Diese Art Steuern traf nicht
die persönliche Stellung, auch nicht den Besitz
selbst, sondern die Art und Weise, wie gewisse
Handlungen in Hinsicht dieses Besitzes vorgenom-
men wurden. Für die direkten Steuern wurde
nach und nach auch in den Provinzen der Zensus
durchgeführt, hier allerdings im vollen Sinn als
Besteuerungsgrundlage. Der Grundbesitz ward
katastriert, und diese Kataster wurden periodisch
berichtigt. Es wurden ferner durch Deklaration
des Steuerpflichtigen auch die persönlichen Ver-
mögensverhältnisse ermittelt. Falsche Angaben
waren unter strenge Strafen gestellt. Unter den
Kaisern wurde durch ein besonderes Edikt die
Steuererhebung verordnet (Iindictio, eigentlich
„Ansage“ der Steuer, dann Bezeichnung für die
Abgaben selbst) und dabei der Steuerbetrag fest-
gestellt. In den älteren Zeiten erfolgten die Aus-
schreibungen in unregelmäßigen Zeiträumen, später
alle 15 Jahre. Außer dieser regelmäßigen Steuer
wurde aber in Fällen besondern Bedarfs noch
eine außerordentliche Steuer ausgeschrieben (super-
indictio), welche zwar auf den Grundlagen der
ordentlichen Steuer beruhte, aber durch ihre plötz-
liche, vorher gar nicht zu berechnende Auflage die
Bevölkerung sehr drückte, daher sehr verhaßt war.
Als Arten der direkten Steuern finden sich vor:
Grund= und Gebäudesteuer und Kopfsteuer, letz-
tere als Besteuerung der landwirtschaftlichen Ar-
beitskräfte, sowohl der Menschen als des Viehs
(capitatio humana, capitatio animalium).
Auch eine Art von Gewerbesteuer war vorhanden
(vectigal artium), welche alle fünf Jahre gezahlt
wurde. Endlich möge noch erwähnt werden eine
Art von Personalsteuer, welche die Senatoren
nach Nang und Vermögen auf Grund einer Ein-
teilung in vier Klassen zu entrichten hatten. Diese
Abgaben erfolgten durchaus nicht durchweg in
Geld oder in Gold= und Silberbarren, sondern