Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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als Kriegsgewinn und Kriegstrophäe zugleich. 
Der Sieger führt die Beutestücke bei seinem 
Triumphzug vor sich her, opfert einen Teil der- 
selben beim Siegesfest den Göttern, schmückt sich 
und seine Kampfgenossen mit den erbeuteten Gegen- 
ständen. Auch die Römer feierten ihre Siege 
im Zeichen eines schonungslosen Beuterechts allein 
sie suchten wenigstens einen Rechtstitel für dieses 
Verfahren, und zwar im Eigentumserwerb durch 
Okkupation. Das römische Recht erklärt nämlich 
die Sachen des Feindes als völlig herrenlos, so 
zwar, daß es im Krieg weder Staats= noch 
Privateigentum des Feindes anerkennt. Daher 
stellt es die Okkupation der Sachen des Feindes 
jener aller sonstigen herrenlosen Sachen gleich 
(. 1, 8 1 D. de addq. vel amitt. poss. 41, 2). 
Begründet wird dieser Vorgang damit, daß der 
Krieg allen rechtlichen Verkehr zwischen den Krieg- 
führenden aufhebe. Von solchen dem Feind weg- 
genommenen Sachen sagt nun das römische Recht: 
Quae ex hostibus capiuntur, statim capien- 
tium sfiunt, und geht noch einen Schritt weiter, 
indem es diesen Satz auch auf jene feindlichen 
Güter ausdehnt, welche sich zur Zeit des Kriegs 
dauernd oder vorübergehend auf römischem Boden 
befanden, wodurch der Begriff der Beute eine 
ungebührliche, in der Natur des Vorgangs nicht 
begründete Ausdehnung erfuhr. 
Auch im germanischen Recht galt die Regel: 
„Was ich meinem rechten Feind nehme oder in 
einem rechten Krieg gewinne, das ist mein.“ Die 
Landsknechtsordnungen und Reuterbestallungen 
des Mittelalters sagen denn auch, „daß einem 
jeden dasjenige, was er in Schlachten, Stürmen 
oder sonst den Feinden abgewinnt, nach Kriegs- 
recht und Ordnung bleiben solle“. Die Kirchen- 
gewalt trat der römischen Auffassung über das 
Beuterecht zwar nicht grundsätzlich entgegen, suchte 
sie aber wesentlich zu mildern, indem sie lehrte, 
daß das Beuterecht, abgesehen von der Eigenschaft 
der Sache als einer feindlichen und der wirklich 
erfolgten Okkupation derselben, nur dann wahres 
Eigentum bewirke, wenn der Krieg ein gerechter, 
ein bellum ijustum ist, und zwar in dem Sinn, 
daß der Streit aus einem rechtlich begründeten 
Anlaß unternommen wird und eine unzweideutige 
Kriegserklärung erfolgt. 
Die spätere, sich an die Reformation anlehnende 
Doktrin des Alb. Gentili und H. Grotius glaubte 
von der Rechtmäßigkeit des Krieges absehen zu 
können und verlangte nur, daß er ein unter staat- 
licher Autorität geführter oder von derselben ge- 
billigter sei, damit die Beutegegenstände in den 
redlichen Besitz übergehen. C. van Bynkershoek, 
der Verteidiger eines strengen, rücksichtslosen 
Beuterechts, ging noch einen Schritt weiter, in- 
dem er für den Begriff bellum solenniter ge- 
stum nicht mehr als wesentliches Merkmal for- 
derte, daß eine Kriegsankündigung vorhergegangen 
sei, sondern die Legitimität eines Krieges (bellum 
legitimum) ganz und gar von dessen geregelter 
Beuterecht. 
  
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Führung abhängig macht. E. Vattel stellte sich 
vollends auf den Standpunkt des militärischen 
Realismus, indem er, um den Handlungen der 
Kriegführenden alle rechtlichen Wirkungen beizu- 
legen, alles davon abhängig macht, ob erlaubte 
oder unerlaubte Kriegsmittel zur Anwendung ge- 
langen. Im ersteren Fall spricht er von guerre 
en forme im Unterschied von guerre informe 
et llégitime. An der zweiten Bedingung, unter 
welcher die Kriegseroberung den Eigentumserwerb 
an den erbeuteten Sachen nach sich zieht, der wirk- 
lichen Besitzergreifung, hielt er jedoch strenge fest. 
Au' dieser Basis hat nun das Recht, Beute zu 
machen, seine Weiterentwicklung erfahren. Mit 
der Ausbildung der taktischen Verbände, denen 
die Eigenschaft juristischer Personen beigelegt 
wurde, erfuhr das individuelle Beuterecht eine 
wesentliche Einschränkung, indem man aus der 
Natur der korporativen Verbände den Rechte- 
grundsatz herleitete, daß eigentlich nur diese letz- 
teren ein Recht auf Beute besäßen und der Be- 
fehlshaber als deren Vertreter allein berechtigt 
sei, über die Beuteanteile nach Gebühr und Ver- 
dienst zu verfügen. Daher wurde ein Recht auf 
Beutegewinn überhaupt nur mehr den Kampf- 
truppen zugesprochen, letzteren aber zur Pflicht 
gemacht, die Beute an die Befehlshaber behufs 
weiterer Verteilung abzuliefern. Das war nun 
auch im Interesse der Manneszucht und Disziplin 
sowie in jenem einer geregelten militärischen Oko- 
nomie gelegen, und so finden wir am Ausgang 
des 18. Jahrh. besonders im preußisch-eng- 
lischen Kriegsverfahren, welches auf den rationell 
geordneten Haushalt einer bewaffneten Macht 
großes Gewicht legte, den Grundsatz ausge- 
sprochen, das Beuterecht müsse militärischerseits 
an strenge Voraussetzungen gebunden sein. Einen 
dankenswerten Anstoß hierzu gab der preußisch- 
amerikanische Freundschafts= und Handelsvertrag 
von 1785 und die denselben einleitende Denk- 
schrift von Benjamin Franklin. Der Code pénal 
militaire français vom 12. Mai 1793 und 1796 
legt bereits für die veränderte Auffassung über das 
Beutewesen im Landkrieg ein rühmliches Zeugnis 
ab. Das preußische Landrecht von 1794, auf 
dessen Zustandekommen noch Friedrich II. Einfluß 
nahm, bestimmt im 1. Tl, Tit. 9, 88 193/198: 
das Recht, im Krieg Beute zu machen, kann nur 
mit Genehmigung des Staates erlangt werden; 
in diesem Fall wird durch die bloße Besitzergrei- 
fung das Eigentum an der erbeuteten Sache er- 
worben; erbeutete Kriegs- und Mundvorräte sind 
unbedingt an den Staat abzuliefern; alle andern 
Sachen, welche bei dem feindlichen Kriegsheer 
oder bei den unter den Waffen befindlichen Fein- 
den, Marketendern, Lieferanten usw. angetroffen 
werden, sind als Beute zu betrachten. Das Eigen- 
tum feindlicher Untertanen, die weder zur Armee 
gehören noch derselben folgen, kann nur zur Beute 
gemacht werden, wenn der Befehlshaber der Trup- 
pen die ausdrückliche Erlaubnis dazu gegeben hat.
	        
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