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Unbewegliches Eigentum ist niemals ein Gegen-
stand der Beute.
Während so die Gesetzgebung der militärischen
Forderung nach einheitlicher Beherrschung aller
Kriegshandlungen Rechnung trug und dem Grund-
satz In bello parta cedunt reipublicae, Gel-
tung verschaffte, ließen sich die Heerführer ihrer-
seits bereit finden, die den gottesdienstlichen und
humanitären Zwecken gewidmeten Sachen von
der Erbeutung auszuschließen und für befriedet
zu erklären. Ausnahmen und Ausschreitungen
kamen allerdings, besonders in den Napoleonischen
Kriegen, vor; allein das Verhalten der mili-
tärischen Individuen regel= und gesetzmäßiger ge-
staltet zu haben, als dies ehedem der Fall war,
ist ein unleugbarer Erfolg der Gegenwart. Was
nunmehr als allgemeine Kriegsregel gelten soll,
ist in den Worten der Proklamation König Wil-
belms I. von Preußen vom 12. Aug. 1870, er-
lassen zu Beginn des deutsch= französischen
Kriegs, klar ausgesprochen: „Ich führe Krieg mit
den französischen Soldaten und nicht mit den
französischen Bürgern. Diese werden deshalb
fortfahren, die Sicherheit für ihre Person und
ihre Güter zu genießen, solange sie nicht selbst
durch feindliche Unternehmungen gegen die deut-
schen Truppen Mir das Recht nehmen, ihnen
Meinen Schutz zu gewähren."“
Als eine Ausnahme von dem Grundsatz,
daß die Beute Eigentum des kriegführenden
Staates wird, stellt sich die Plünderung dar.
Sie ist ein Repressalienmittel der empfindlichsten
Art, eine Kriegsstrafe, welche unterschiedslos
Schuldige und Unschuldige trifft, eine die Hab-
sucht, Zwietracht und Unbotmäßigkeit unter den
eigenen Kampftruppen leicht erweckende Maß-
regel, die nur unter außergewöhnlichen Umständen
und strengster Uberwachung rätlich erscheint. Eine
zweite Ausnahme bilden die Requisitionen
und Kontributionen, sowie das Foura-
gieren im Feindesland. Das betreffende Ver-
fahren ist unmittelbar gegen das Privateigentum
der Insassen im Feindesland gerichtet, soll aber
an die Vorschriften des Verpflegungsdienstes und
an die Kontrolle der Heeresleitung gebunden sein.
Die Regquisition ist im Feindesland die außer-
ordentliche Beschaffungsweise, sofern die An-
schaffung der Verpflegungs= und Serviceartikel
durch Kauf nicht sofort zum Ziel führt, was
immer schwieriger wird, je länger der Krieg dauert
und je hartnäckiger er sich gestaltet. Grundsätz-
lich ist ein administrativer Vorgang, verbunden
mit strenger Uberwachung der Truppen, zu beob-
achten und eine geregelte Kriegsleistung durch die
politischen Amter und Gemeindeverbände unter
Mitwirkung der Zivilkommissäre (Zivil-Landes-
kommissäre) einzuleiten. Nur wenn diese Maß-
regel fruchtlos bleibt, sind zur Eintreibung der
Requisitionen und Geldkontributionen sowie zur
Wegnahme von Futtervorräten Truppen zu ent-
senden, und es muß bei Weigerung oder Säum-
Beuterecht.
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nis jede Rücksicht weichen, wenn es sich darum
handelt, die Truppen zu verpflegen und schlag-
fertig zu erhalten.
Dankenswert haben auch die Vereinbarungen
anläßlich des den Krimkrieg beendenden Pariser
Vertrags vom 30. März 1856, ferner die inter-
nationale Konferenz in Brüssel 1874, deren Be-
ratungen über die Kodifikation eines internatio-
nalen Kriegsrechts als Ergebnis vielseitiger Ab-
wägung von nicht zu unterschätzendem Wert
sind, die Wegnahme von feindlicher Habe an
bessere Regeln gebunden. Gut behandelt diese
Materie auch das vom Institut für internationales
Recht publizierte Handbüchlein der Rechtsvor-
schriften im Landkrieg 2. Tl, Abschn. 2:
„Beutegegenstand sollen nunmehr nur noch die
Gebrauchs= und Verbrauchsobjekte sein, welche der
feindlichen Armee im Kampf abgenommen oder
von derselben zurückgelassen werden. Dieselben
sind einzusammeln, abzuliefern und zunächst für
die Bedürfnisse der Armee zu verwenden. Ver-
pflegsartikel sind an die Truppen oder Feldver-
pflegsanstalten abzugeben, andere Gegenstände
zur Verfügung der Armeeleitung zu stellen. Sämt-
liche Beuteobjekte unterliegen der ordnungsmäßi-
gen Verrechnung. Die Ablieferung derselben ist
dem Übergeber auf Verlangen zu bescheinigen, wo-
gegen dieser das aufgenommene Inventar mitzu-
fertigen hat.“"
Der Wegnahme im besetzten Feindesland unter-
liegen außerdem die staatlichen Kassen, Magazine
und Depots, überhaupt das für Kriegszwecke ver-
wendbare Staatseigentum; unter dieser letzteren
Voraussetzung auch die Betriebsmittel der Eisen-
bahnen, Schiffahrts= und anderer Transportunter-
nehmungen, der Telegraphie, Telephonie, Elektrizi-
tätswerke usw., auch wenn sie Eigentum von Ge-
sellschaften oder Einzelpersonen sind. Das übrige
Eigentum von Privatpersonen ist zwar nicht gegen
Zerstörung infolge der Kriegsaktion gesichert, wohl
aber gegen gewaltsame, willkürliche Wegnahme
ohne Entschädigung oder Anerkennung einer Ver-
pflichtung hierzu. — Auch diejenige Habe, welche
bei den auf dem Schlachtfeld gefallenen oder durch
Krankheiten hinweggerafften feindlichen Solda-
ten gefunden wird, ist nicht als Beute zu behan-
deln, sondern gleich dem Privatgut der Verstor-
benen des eigenen Heeres abzuliefern, damit es
den Angehörigen derselben ausgefolgt werde. Den
Kriegsgefangenen soll ihr privates Eigentum ver-
bleiben, soweit hiervon kein Mißbrauch zu besorgen
ist (s. d. Art. Krieg). — Dagegen sollen vor Weg-
nahme sowie tunlichst vor Zerstörung verschont
bleiben die zum Gottesdienst, zu Zwecken
der Barmherzigkeit, der Erziehung, des Unter-
richts, der Wohltätigkeit bestimmten Utensilien, die
Kunstwerke und wissenschaftlichen Sammlungen.
Auch soll jede Zerstörung oder Beschädigung von
derartigen Anstalten, geschichtlichen Denkmälern,
Archiven, Schöpfungen der Kunst oder Wissen-
schaft so weit und so lange unstatthaft sein, als
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