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scheint. So kann auch das Geständnis des An-
geklagten bezüglich einer ihm nachteiligen Tatsache
nur dann zu seiner Verurteilung führen, wenn
der Richter dasselbe für glaubwürdig hält, wäh-
rend es im gegenteiligen Fall gegen den Willen
des Gestehenden unberücksichtigt bleibt. — Was
den Zeugenbeweis betrifft, so ist vor allem zu be-
tonen, daß die Beurteilung der Glaubwürdigkeit
einer Zeugenaussage lediglich dem richterlichen Er-
messen anheimgestellt ist, so daß der Richter der
eidlichen Aussage eines Zeugen nicht Glauben
schenken muß und anderseits sein Urteil auf die
Aussage eines unbeeideten Zeugen stützen kann,
ja eines Zeugen sogar, dessen Beeidigung wegen
Vermutung des Mangels an Objektivität gesetzlich
verboten ist: eine nicht unbedenkliche Folge des
Grundsatzes der freien Beweiswürdigung. Im
Gegensatz zu den Zeugen, welche über eigene
Wahrnehmungen der Vergangenheit Aufschluß
geben, sind die Sachverständigen berufen, durch
ihre Sachkunde vorliegendes Material für den
Richter benutzbar zu machen, ohne daß aber ihr
Gutachten den Richter gegen seine Überzeugung
binden könnte. — Richterlicher Augenschein und
Urkunden sind hier in ähnlicher Weise Beweis-
mittel wie im Zivilprozeß, nur mit den Unter-
schieden, welche sich aus dem Grundsatz der ma-
teriellen Wahrheit für den Strafprozeß ergeben.
Aus dem letzteren folgt auch, daß der Eid kein
Beweismittel im Strafverfahren ist, daß hingegen
der Indizienbeweis oder mittelbarer Beweis von
großer Bedeutung, namentlich für den subjektiven
Tatbestand, sein muß. — Selbstverständlich ist,
daß Verurteilung des Angeklagten nur erfolgen
kann, wenn der Beweis seiner Schuld vollständig
geführt ist; jeder irgend erhebliche Zweifel kommt
dem Angeklagten zustatten (in dubio pro reo),
hat seine Freisprechung zur Folge.
Beweisverfahren. Da im Strafprozeß
die Parteien nicht willkürlich über den Gegen-
stand des Verfahrens zu verfügen haben, ihnen
die Bestimmung der Tatsachen nicht anheim-
gegeben ist, welche dem Urteil zugrunde gelegt
werden sollen, sie auch nicht zu verfügen haben
über die Mittel, welche zur Feststellung des Sach-
verhalts angewendet werden sollen, so ist die
Herstellung des Beweises der Schuld oder Nicht-
schuld eigentlich Sache des Gerichts, wenn auch
die Berechtigung der Parteien, im Beweisver-
fahren selbständig mitzuwirken, anerkannt ist.
Auch im Strafprozeß sollen wie im Zivilprozeß
die Beweise dem erkennenden Richter unmittelbar
vorgeführt werden. Diese Regel erleidet aber
dadurch bedeutende Ausnahmen, daß die Beweise
für eine strafbare Tat oft nicht in beliebigem
Zeitpunkt erhoben werden können, daß vielmehr
bei Zuwarten bis zur mündlichen Verhandlung
ihr Verlust oder eine wesentliche Veränderung zu
befürchten ist. Uberdies kommt hier noch in Be-
tracht, daß der staatliche Anspruch auf Bestrafung
gegen niemand geltend gemacht werden soll, gegen
Bibliotheken.
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den nicht genügende Verdachtsgründe vorliegen,
daß er ein Verbrechen begangen, und daß die
Natur des Strafverfahrens es mit sich bringt,
daß auch niemand vor den erkennenden Richter
gestellt werden soll, wenn nicht genügende Gründe
dafür vorliegen, es werde das Hauptverfahren
auch wirklich ein Schuldig ergeben. Aus diesen
Gesichtspunkten ergibt sich eine Reihe von Hand-
lungen zur Aufklärung des Sachverhalts, die
nicht vor dem urteilenden Richter vor sich gehen,
sondern von der Anklagebehörde, der Staats-
anwaltschaft oder dem Untersuchungsrichter, vor-
genommen werden; sie haben nicht den Zweck,
für ein Urteil die tatsächliche Grundlage zu schaffen,
sondern nur die Aufgabe, eine genügende Grund-
lage für die Verhandlung der Sache zu gewähren;
sie bilden also auch nicht das Beweisverfahren
im eigentlichen Sinn, das vor dem erkennenden
Richter sich abspielen muß, wohl aber behandeln
sie denselben Gegenstand wie die Hauptverhand-
lung, sind daher auch von Einfluß auf die Be-
weiserhebung in dieser. — Da die Beweisauf-
nahme in der Hauptverhandlung den wichtigsten
Bestandteil im ganzen Verfahren bildet, so ist klar,
daß bei ihr die Gestaltung des Prozesses, nament-
lich die gegenseitige Stellung der Partei und des
Gerichts, von ausschlaggebender Bedeutung ist, so
daß es angezeigt erscheint, diese Lehre mit der Lehre
von den Personen des Strafprozesses (s. d. Art.)
zu verknüpfen.
Literatur. Heffter, Lehrbuch des gemeinen
deutschen Strafrechts (61857); Kries, Der B. im
Strafrecht des Mittelalters (1878); L. v. Bar,
Systematik des deutschen Strafprozeßrechts (1878);
Holtzendorff, Handbuch des deutschen Strafprozeß-
rechts (1879,80); Dochow, Der Reichsstrafprozeß
((1890); Geyer, Lehrbuch des gemeinen deutschen
Strafprozeßrechts (1880); Meves, Das Strafver-
fahren nach der deutschen Strafprozeßordnung
(5/1880); Löwe, Die Strafprozeßordnung für das
Deutsche Reich (121907); John, desgl. (1884/89);
Glaser, Handbuch des Strafprozesses I (1883), III
(1907, von Oetker); Birkmeyer, Deutsches Straf-
prozeßrecht (1898); Binding, Grundriß ufw.
(/1907); Holtzendorff, Rechtslexikon (:1880) 366 f
(Geyer); ders., Enzyklopädie (6(1904, von Kohler).
III. Beweis im Berwallungsstreitversahren
s. d. Art. Verwaltungsgerichte. [Menzinger.]
Bibliotheken. Büchersammlungen sind hier
nur zu behandeln, soweit sie öffentliche Einrich-
tungen zu Bildungszwecken sind. Von den Unter-
richtsanstalten im engern Sinn unterscheidet sie
außer der Art und Weise der Wissensvermittlung
noch ein bedeutsamer Nebenzweck: den öffentlichen
Bibliotheken fällt, wie den Museen für die Kunst,
auch die Aufgabe zu, den Bildungsstoff der ge-
samten Vergangenheit und Gegenwart in der Voll-
ständigkeit und Treue an die Zukunft zu über-
liefern, welche der mündlichen Tradition versagtist.
1. Einteilung. Die öffentlichen Biblio-
theken, zu denen wir auch die von Privatpersonen
gegründeten, aber der Allgemeinheit zugänglichen