Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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sonen nach einem bestimmten Verfahren erfolgende 
und entscheidende Bezeichnung des künftigen In- 
habers des vakanten bischöflichen Stuhles ist. Ihr 
Wesen besteht darin, daß der Kandidat durch den 
Willen der Wähler bestimmt wird, woraus von 
selbst folgt, daß, wo die freie Entscheidung für 
diesen oder jenen nicht möglich ist, eben keine Wahl 
vorliegt. Das Wahlrecht steht allein dem Dom- 
kapitel zu mit Ausschluß jeder andern Beteiligung 
(c. 41, X De electione 1, 6; vgl. das Schreiben 
des Kardinalstaatssekretärs Rampollavom 20. Juli 
1900 an die preußischen und oberrheinischen Dom- 
kapitel über die Bischofswahlen. Archiv für K. K. 
LXXI 5257). Dasselbe muß aber innerhalb der 
gesetzlich firierten Frist von drei Monaten, vom 
Tag der Vakanz des bischöflichen Stuhls an ge- 
rechnet, ausgeübt sein, widrigenfalls bei verschulde- 
ter Nichtbeachtung das ius designandipersonam 
verloren geht und an den Papst devolviert (a. a. O. 
D. c. 12, X de conc. praeb. 3, 8; Wiener 
Konkordat § item). Selbstverständlich kann der 
Papst in einem solchen Fall in forma gratiosa 
die Wahl noch gestatten, und für die Domkapitel 
in der Provinz Hannover und der oberrheinischen 
Kirchenprovinz ist diese Gestattung im voraus zu- 
gesagt und damit das ius devolutionis ausge- 
schlossen. Zu der Beteiligung an der Wahl ist 
jeder Domkapitular (in den preußischen Kapiteln 
auch jeder Ehrenkanoniker) berechtigt, sofern er nicht 
von einer kirchlichen Zensur betroffen oder auf 
Grund eines richterlichen Erkenntnisses des Stimm- 
rechts verlustig erklärl ist (c. 43, X 1, 6). Zur 
Gültigkeit der Wahl ist wesentlich, daß jeder 
Wahlberechtigte geladen wird. Der Nichtgeladene 
hat das Recht, die Wahl als nichtig anzufechten 
(c. 28, X 1, 6). Ist ein Wahlberechtigter aner- 
kanntermaßen legitime impeditus, so kann er 
einen andern Wahlberechtigten zu seinem Pro- 
kurator ernennen, der sein Votum abgibt; aber die 
Einsendung eines schriftlich formulierten Votums 
ist unzulässig ce. 42, § 1 und 2, X 1, 6; 46 
VIto De electione 1, 6). Nach dem Konzil von 
Trient (c. 1, sess. 24) sollen vor der Wahl öffent- 
liche Gebete abgehalten werden, und nach dem 
Dekretalenrecht (c. 14, X 1, 6) soll dem Wahlakt 
die missa ad S. Spiritum vorhergehen, wenn- 
gleich die Nichtbeachtung dieser Vorschriften die 
Rechtsbeständigkeit einer Wahl nicht beeinträchti- 
gen würde. Der Ort des Wahlakts ist gewöhnlich 
der Kapitelssaal, und die Leitung desselben steht 
dem Propst bzw. dem Dekan des Kapitels oder 
deren Stellvertreter zu. 
Die Wahl kann stattfinden: 1. per quasi-in- 
spirationem, wenn alle anwesenden Wahlberech- 
tigten sich sofort, wie von höherer Eingebung be- 
stimmt, für einen Kandidaten entscheiden; 2. per 
compromissum, wobei die Wähler einstimmig 
drei oder mehrere Personen, stets in ungerader 
Zahl, aus ihrer Mitte mit der Vornahme der 
Wahl an ihrer Statt beauftragen; 3. per seru- 
tinium, wenn die Bezeichnung des Kandidaten 
— 
Bischofswahl. 
  
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durch wirkliches Abstimmen erfolgt. Bei letzterem 
modus, welcher der regelmäßige ist, sind vorerst 
drei Skrutatoren aus dem Wahlkollegium zu be- 
stimmen (c. 42, X 1, 6), die eidlich versichern 
müssen, ihres Amtes treu und gewissenhaft walten 
zu wollen. An diese werden die vota geheim und 
einzeln entweder mündlich, oder wie gewöhnlich 
geschieht, schriftlich abgegeben. Nachdem so die 
Stimmzettel eingesammelt sind, werden diese zu- 
erst gezählt, und wenn ihre Zahl mit jener der 
anwesenden Wähler übereinstimmt, verlesen und 
zugleich verzeichnet. Ergibt sich dann bei Ab- 
zählung der Stimmen die absolute Majorität für 
eine Person, so gilt diese als gewählt. Falls keine 
absolute Majorität erreicht wird, muß das Skru- 
tinium, sei es sofort, an demselben Tag, oder 
päter, wiederholt werden, und zwar so lange, bis 
dasselbe zu obigem Resultat geführt hat oder das 
Wahlrecht infolge Ablaufs der gesetzlichen Frist 
erloschen ist. Demnächst ist bei Strafe der Nichtig- 
keit (c. 21, VIto 1, 6;c. 4, VIto De sententia 
2, 14) noch festzustellen, daß die Wahl das Er- 
gebnis der gemeinschaftlichen Wahlhandlung des 
Kapitels ist, worauf dann von einem der Skruta- 
toren der betreffende Kandidat als der vom Kapitel 
Gewählte proklamiert wird. UÜber den Wahlakt 
wird sofort ein Protokoll aufgenommen (decre- 
tum oder instrumentum electionis) und hierauf 
das Wahlresultat dem in der Kirche versammelten 
Klerus und Volk feierlich kundgetan. Der Ge- 
wählte hat sich innerhalb einer Monatsfrist über 
die Annahme der Wahl zu erklären und erlangt 
mit der Annahme das sog. jus ad rem, d. h. ein 
Anrecht auf das vakante Bistum unter der Vor- 
aussetzung, daß der Verleihung desselben an ihn 
kein kanonisches Hindernis entgegensteht. Mit der 
später erfolgenden Konfirmation seitens des Papstes 
ist dann die Bischofswahl zu ihrem vollen Ab- 
schluß gelangt. Entspricht der Gewählte nicht allen 
gesetzlichen Anforderungen für die Erteilung des 
ordo episcopalis, oder steht der Verleihung des 
bischöflichen Stuhls an denselben ein rechtliches 
Hindernis entgegen, so wird das ganze Verfahren 
nicht Wahl, sondern postulatio genannt; es ist 
nur eine Bitte um Zulassung, mit der Rechts- 
folgen gar nicht verknüpft sind. Sie erscheint über- 
haupt nur dann zulässig, wenn von dem etwaigen 
Hindernis nach der Kurialpraxis regelmäßig dis- 
pensiert wird, und sie zum Vorteil der Kirche, 
nicht aus persönlichen Rücksichten geschieht. Die 
Postulationsformen sind dieselben wie die Wahl- 
formen, nur darf das Wort eligo nicht gebraucht 
werden. Für die preußischen Diözesen ist durch 
die Bulle De salute animarum der Unterschied 
zwischen electio und postulatio aufgehoben. 
Eine direkte Beteiligung an der von den Dom- 
kapiteln zu vollziehenden Bischofswahl seitens der 
betreffenden Landesherren steht diesen recht- 
lich nicht zu. Wohl aber ist ihnen zur Wahrung 
ihrer Interessen auf Grund besonderer Verein- 
barungen mit dem päpstlichen Stuhl ein indirekter 
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