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tralen Schiffen eine kurze Frist zum Abzug ge-
stattet, exterritorialen Personen, Parlamentsmit-
gliedern, Sanitätsorganen und andern Funktio-
nären in amtlicher Sendung unbehinderte Fahrt,
selbstverständlich unter den nötigen Vorsichten.
In Fällen der großen Seenot, beim Stranden,
An-- und Übersegeln von Schiffen, Schiffsbränden
u. dgl., ist ungeachtet der Blockade die in den
Siemannsordnungen vorgeschriebene Nothilfe zu
leisten.
Ist eine Blockade ordnungsmäßig notifiziert,
und versucht ein Fahrzeug, wenn auch unter neu-
traler Flagge, den Blockadegürtel zu durchbrechen,
so ist es als feindliches Schiff zu behandeln und
im Fall seiner Aufbringung vor das Prisengericht
zu stellen (s. d. Art. Prise). Die versuchte Durch-
brechung beginnt mit dem Anfang ihrer Ausfüh-
rung, das ist mit der Fortsetzung des Kurses trotz
erfolgter Warnung. Ein Schiff, welches die
Blockadelinie durchbrochen hat, ist der Verfolgung
preisgegeben, schon darum, weil man dartun will,
daß die Blockade eine effektive ist. Wäre es ihm
aber gelungen, einen neutralen Hafen zu erreichen,
so darf es, wenn aus einem andern Anlaß später
in die Gewalt der blockierenden Seemacht geraten,
wegen des früheren Blockadebruchs nicht
mehr bestraft werden, ein Grundsatz, welcher
analog auch bei der Selbstbefreiung von Kriegs-
gefangenen anerkannt ist. Die Strafe des Blockade-
bruchs ist die Konfiskation von Schiff und La-
dung, der letzteren jedoch nur dann, wenn die Ver-
lader vor dem Verlassen des Löschungshafens von
der Blockade Kenntnis hatten. — Daß eine Macht
auch die ihrer eigenen Gebietshoheit oder Schutz-
herrlichkeit unterworfenen Küstenstriche, Hafen-
plätze, Flußmündungen usw. im Fall einer Em-
pörung, Unbotmäßigkeit u. dgl. blockieren könne,
ist nicht zweifelhaft. Auch eine solche Blockade
ist, wenn gehörig notifiziert und aufrechterhalten,
allen andern Mächten und Nationen gegenüber
wirksam. Der den Krimkrieg beendende Pariser
Friede vom 30. März 1856 nahm in die Dekla-
ration vom 16. April 1858 den Grundsatz auf:
die Blockaden müssen, um rechtsverbindlich zu
wirken, effektiv sein, d. h. durch eine Streitmacht
aufrechterhalten werden, welche hinreicht, um dem
Gegner die Annäherung an das Ufer tatsächlich
verwehren zu können. Dieser Forderung ist gegen-
wärtig durch die Verwendung von technisch ver-
vollkommneten Kriegsfahrzeugen leichter zu ent-
sprechen als vordem.
Aber nicht bloß als Kriegsmaßregel, sondern
auch als eine der Maßnahmen zur Sicherung und
Durchführung internationaler Ansprüche und In-
terventionsrechte kann eine Blockade verhängt wer-
den, ohne daß dadurch ein Kriegsfall geschaffen
wäre. Freilich ist dies nur seitens der großen
Seemächte gegenüber solchen Staaten durchführ-
bar, welche über eine untergeordnete militärische
und maritime Aktionskraft verfügen. In unserem
Jahrhundert ist diese Maßregel, die man nicht
Blockade.
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sehr passend als „Friedens“-Blockade (blocus
pacifique) bezeichnet, wiederholt zur Anwendung
gelangt.
Während nun über die Rechte des blockieren-
den Geschwaders gegenüber den Schiffen unbe-
teiligter Staaten bei einer Kriegsblockade ein
Zweifel nicht besteht, sind die Ansichten über die
Wirkungen der Friedensblockade geteilt. Die
herrschende Lehre, die auch in praxi Geltung er-
langt hat, gibt für den Fall der Friedens-
blockade dem blockierenden Staat das Recht,
die Schiffe des blockierten Staates in Verwahrung
zu nehmen und bis nach Beendigung der Feind-
seligkeiten zu behalten; was dagegen die Schiffe
neutraler Staaten anlangt, so beschränkt man die
Befugnis des Blockierenden lediglich auf deren
Zurückweisung, die allerdings unter Umständen
mit Gewalt erfolgen kann, wenn nämlich das
neutrale Schiff der Warnung der Blockadeschiffe
keine Folge leistet. Kein Recht jedoch hat der
blockierende Staat zur Wegnahme der neutralen
Schiffe, welche den Versuch machen, die Blockade
zu durchbrechen, sowie zur Ausübung einer Prisen-
gerichtsbarkeit über sie. Die neutralen Staaten
haben der Inanspruchnahme einer solchen Befug-
nis noch regelmäßig und stets mit Erfolg wider-
sprochen. Das Institut für Völkerrecht hat sich
im Jahr 1887 in Ansehung der Wirkungen der
Friedensblockade zu folgenden Thesen bekannt,
welche jetzt — von der These a abgesehen — als
die maßgebenden Grundsätze gelten: a) Die Schiffe
fremder Flagge können ungeachtet der Blockade
frei einlaufen. d) Die Friedensblockade soll amt-
lich erklärt und mitgeteilt und durch eine hin-
reichende Macht aufrechterhalten werden. c) Die
Schiffe des blockierten Staates, welche eine solche
Blockade nicht respektieren, können segquestriert
werden; nach Beendigung der Blockade sind sie
nebst ihren Ladungen ihren Eigentümern zurück-
zustellen, jedoch ohne Zubilligung irgendwelcher
Entschädigungen.... Das Einlaufen der fremden
Handelsschiffe in die blockierten Häfen wird, wie
bemerkt, nicht allgemein anerkannt, vielmehr sind
die Staaten mehrfach der Ansicht, daß die Zurück-
weisung dieser Schiffe gerade die bedeutsamste
Wirkung der Friedensblockade sei, was auch
begründet ist. Denn wird den Schiffen fremder
Mächte, welche die Ein= und Ausfuhr besorgen,
nach wie vor der freie Verkehr gestattet, so ist der
Wert der ganzen Blockade illusorisch.
Nur allmählich ist Regel und Ordnung in das.
Blockadeverfahren gebracht worden. Die britische
Macht hatte sich desselben zur Bekämpfung des
Wettbewerbs zur See mit Vorliebe in Form
der sog. Papierblockade (blocus sur papier)
bedient, indem sie das ganze Küstengebiet des
Gegners, seine Kolonien und Archipele durch Or-
donnanz in Blockadezustand erklärte und die neu-
tralen Schiffe, aus deren Papieren sich ergab, daß
sie nach den betreffenden Küsten segelten, bean-
standete. Gegen dieses Verfahren richteten sich