Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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systematisch in Plantagen gewonnen wird. Sie 
ist ein Haupthandelsprodukt Bolivias, und der 
Wert der Ausfuhr wird im Maximum auf 800000 
Bolivianos jährlich geschätzt. Die im Land er- 
zeugten Brotfrüchte, besonders Mais, Weizen und 
Kartoffeln, decken kaum den eigenen Bedarf; der 
Ertrag des Kaffees, des Zuckers, der Baumwolle 
und des Tabaks ist unbedeutend, dagegen wird 
viel Kautschuk gewonnen. Auch die Viehzucht ist 
trotz des günstigen Bodens ganz vernachlässigt; 
auf den Hochebenen und Bergen bildet die Zucht 
der Lamas und Alpakos die Hauptbeschäftigung 
der Bewohner. Der Reichtum des Landes beruht 
in seinen Mineralschätzen, von welchen hauptsäch- 
lich Silber, Zinn, Wismut und Kupfer produ- 
ziert werden. Die Silberproduktion, infolge des 
Raubbaues nur noch ein Schatten der ehemaligen 
Ausbeute (Gesamtförderung von 1545 bis 1875 
6789 Mill. MI) ist in jüngster Zeit wieder be- 
deutend gestiegen. Es wird hauptsächlich als Ba- 
rilla (Kupfersand mit 70—85% Gehalt) und 
Charque (in Zweigen, Blättern und kristallinischen 
Stücken von 85 bis 90% Gehalt) in den Handel 
gebracht. Steinkohlen wurden 1864 in der Nähe 
des Titicacasees, gute Braunkohlen in der Pro- 
vinz Tarija gefunden, wo auch Petroleum vor- 
handen ist. 
Der Handel Bolivias hat durch Abtretung 
des Gebiets von Antofagasta an Chile seinen 
direkten Seeverkehr verloren und muß die Ein- 
und Ausfuhr über peruanisches Gebiet leiten. In 
neuester Zeit sucht der bolivianische Handel einen 
Ausweg nach Osten mit Hilfe des Flußsystems 
des Amazonas. Brasilien steht diesem Bestreben 
mißtrauisch gegenüber, weil damit verdächtige po- 
litische Beziehungen zu den Vereinigten Staaten 
sich aufgetan haben. Die Einfuhr betrug im Jahr 
1905 20299000 Bolivianos an Wert, die Aus- 
fuhr 29553000 (der Boliviano zu 4,05 M). Die 
Einfuhr besteht besonders in Quecksilber und Manu- 
fakturwaren, von denen zwei Drittel englischen 
Ursprungs sind, während an dem letzten Drittel 
Deutschland den weitaus größten Anteil hat. Aus- 
geführt wurde im Jahr 1904 für 4013000 Bo- 
livianos Silber, 9999,000 Bolivianos Zinn und 
Wismut, 1612000 Bolivianos Kupfer, 4186000 
Bolivianos Kautschuk. Der Mangel an guten 
Verkehrswegen ist bei der zentralen Lage Bo- 
livias für den Handel ungemein hemmend. Eine 
Eisenbahnlinie verbindet Oruro mit Antofagasta 
am Stillen Ozean; eine neue Bahn vermittelt den 
Verkehr von La Paz und Sucre nach Jujuy in 
Nordargentinien zum Anschluß an das argen- 
tinische Retz und den atlantischen Verkehr. Deutsch- 
lands Interessen werden in Bolivia wahrgenom- 
men durch einen Ministerresidenten und Konsuln 
in Cochabamba, La Paz, Oruro, Potosi, Hiber- 
alta, Santa Cruz. Vertreter Bolivias in Deutsch- 
land sind: ein Generalkonsul in Hamburg, Kon- 
suln in Berlin, Bremen, Frankfurt a. M. und 
Dresden. 
Bonald. 
  
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5. Finanzen. Der Etat des Jahrs 1906 
zeigt eine Einnahme von 10 406 233 Bolivianos, 
besonders aus Zöllen und Steuern, und eine Aus- 
gabe von 11688 556. Die Staatsschuld besteht 
in einer innern Schuld von 4244770 Boli- 
vianos. Schatzscheine (10%) 2500000 Boli= 
vianos. Die Republik besitzt eine Hypothekenbank 
und eine Nationalbank (Banco de Bolivia) in 
Sucre; es hat erst seit 1908 Goldwährung, bis 
dahin Silberwährung. 
Die bewaffnete Macht beruht auf der all- 
gemeinen Wehrpflicht bei zweijähriger Dienstzeit 
und wird gebildet aus 5 Bataillonen Infanterie 
zu je 300 Mann, 1 Lehrinfanterie--Bat. zu 150 
Mann, 1 Regiment Kavallerie zu 800 Mann, 
1 Rgt. Gebirgsartillerie mit 24 Geschützen, dazu 
kleinere Detachements in einer Anzahl von Orten, 
besonders in Departements-Hauptstädten. 
Literatur. Cortes, Ensayo sobre la historia 
de B. (Sucre 1801); H. Reck, Gesch. der Rep. B. 
(1866); Archivo boliviano, coleccion de documen- 
tos relativos 4 la historia de B. (Par. 1874); 
D'Orbigny, Voyage dans I’Amérique méridionale 
(7 Bde, Straßb. 1835/49); Moßbach, B. (1875); 
A. Bresson, B., sept années d’exploration (Par. 
1886); Wild, The Spanish-American republics 
(Neuyork 1891); Matzenauer, B. in histor., geogr. 
u. kultur. Hinsicht (1897); v. Vacano u. Mattis, 
B. in Wort u. Bild (1906); M. R. Wright, B., 
the Central Highway of South-America (Philad. 
1907); Gautier, Chili et B., Etude économique 
et miniere (Par. 1907). 
LFranz, rev. Dresemann.]) 
Bonald, Louis Gabriel Ambroise 
Vicomte de, neben J. de Meistre der bedeu- 
tendste christliche Philosoph, Staatsmann und 
Publizist der Revolutions= und Restaurations- 
epoche Frankreichs, wurde geboren den 2.Okt. 1754 
zu Monna bei Millau (Milhaud) aus einem um 
die Erhaltung des Katholizismus im heutigen 
Departement Aveyron hochverdienten Adelsge- 
schlecht. Er erhielt eine sorgfältige christliche Er- 
ziehung im Elternhause, besonders durch seine 
früh verwitwete ernste Mutter, dann vom 11. Jahr 
an in Paris, vollendete dieselbe in dem berühmten 
Studienhause der Oratorianer zu Juilly, wo er 
unter P. Mandar philosophischen Studien oblag, 
und trat hierauf, der Familientradition folgend, 
in das privilegierte Korps der Musketiere Lud- 
wigs XV., bei welchem er bis zu dessen Auflösung 
(1770) verblieb. Nach seiner Rückkehr nach Monna 
verehelichte er sich und widmete sich mit Erfolg 
der Ordnung der Verhältnisse seiner durch reli- 
giöse und politische Zwistigkeiten zerrütteten Ge- 
meinde. Als Maire derselben (seit 6. Juni 1785), 
dann als Mitglied des Departementsrats (für 
Rhodez), endlich als Präsident der Departemental- 
versammlung für Aveyron bot er alles auf, 
um die eindringende Revolution fernzuhalten. 
Bonald stand damals auf seiten derer, welche aus 
der Bewegung von 1789 besonnene Reformen für 
die durch absolutistische Zentralisation und galli-
	        
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