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zwischen Erfüllung und Nichterfüllung. Die
Prämie heißt Vorprämie, wenn auf Steigen,
Rückprämie, wenn auf Fallen spekuliert wird. Die
Stellage, eine Vereinigung des Vor= und
Rückprämiengeschäfts, berechtigt und verpflichtet
den einen Kontrahenten, an einem bestimmten Tag
ein gewisses Quantum zu einem höheren Kurs zu
beziehen oder zu einem niedrigeren zu liefern; ein
Rücktrittsrecht ist ausgeschlossen. Der Schluß
auf fest und offen ist eine Verbindung des
Prämiengeschäfts mit dem festen Lieferungs-
geschäft. Der Wahlberechtigte hat das Recht, die
vereinbarte Summe zu verdoppeln, d. h. wenn er
gekauft hat, den Betrag noch einmal nachzufor-
dern, wenn er verkauft hat, denselben noch einmal
zu liefern. Beim Nochgeschäft hat der Käufer
das Recht, ein bedungenes Vielfache des festge-
setzten Betrags zu beziehen, der Verkäufer das
Recht, ein solches Vielfache zu liefern (einmal
Noch, zweimal Noch usw.). Beim Wandel-
geschäft bezieht sich die Wahl auf die Zeit der
Erfüllung.
Das einfache Lieferungsgeschäft dient vor-
wiegend den Zwecken des Handels, das Börsen-
termingeschäft vorwiegend der Spekulation, d. h.
das erstere will die örtliche, das letztere die zeit-
liche Verschiedenheit der Preise ausnutzen.
Eine besondere Stellung nimmt das sog.
Arbitragegeschäft ein. Dieses nutzt die Ver-
schiedenheit der Kurse eines und desselben Wert-
papiers an einem und demselben Tag an zwei
verschiedenen Börsenplätzen aus. Dieses Geschäft
setzt naturgemäß telegraphische oder telephonische
Verbindung der beiden Plätze voraus. Derartige
Geschäfte können ausgleichend aus die Preisbildung
einwirken.
Das Termingeschäft in allen Formen und unter
allen Umständen verbieten, hieße das Kind mit dem
Bad ausschütten. Es kommt für die Beurteilung
desselben wesentlich darauf an, ob die allerdings
schwer erkennbare Absicht der Kontrahenten auf
wirkliche Lieferung gerichtet ist, oder ob an eine
solche gar nicht gedacht und lediglich vorausgesetzt
wird, daß am Stichtag die Differenz zu begleichen
ist. Von diesem Gesichtspunkt aus sind auch die
sog. Differenzgeschäfte zu beurteilen. Die-
selben stellen an sich keine besondere Art der Termin-
geschäfte dar, sondern sind gewöhnliche Termin-
geschäfte, bei denen Lieferung eigentlich nicht be-
absichtigt ist, sondern nur Differenzen ergattert
werden sollen. Den an Differenzgeschäften be-
teiligten Spekulanten kommt es nicht darauf an,
die Werte zu liefern oder zu beziehen, sondern
lediglich die Preisbildung auszunutzen und auch
zu beeinflussen.
IV. Die Geldbörsen. Diese stellen die älteste
Form der Börsen dar und sind auch heute noch
von der größten Bedeutung. Sie bilden den
Markt für die Geldsorten und insbesondere für
die Wechsel, mit andern Worten, vor allem für die
internationalen Zahlungsmittel. Der Ankauf von
Staatslexilon. I. 3. Aufl.
Börse.
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Wechseln ist eine beliebte nutzbringende Anlage
von Barmitteln, welche nur kurze Zeit verfügbar
sind. Dieses Anlagegeschäft nennt man Dis-
kontgeschäft; der von dem Nennbetrag des
Wechsels im voraus abgezogene Betrag ist der
Diskonto. Die Bewegung des Diskontsatzes (Dis-
kontopolitik) ist eine symptomatische Erscheinung
des jeweiligen Standes des Geldmarkts.
V. Fondsbörsen und Efwektenverkehr. Bis
zum Beginn des 17. Jahrh. waren Wechsel fast
die einzigen Papiere, mit denen in Deutschland
Handel getrieben wurde. Erst im 19. Jahrh.,
zumal im Zeitalter der Eisenbahngründungen,
sind zu den Schuldverschreibungen des Staats und
den Anteilscheinen der englischen und ostindischen
Handelsgesellschaften in den Eisenbahnaktien und
Eisenbahnobligationen neue Wertpapiere in kolos-
salem Umfang hinzugekommen. Die Zunahme
der industriellen gesellschaftlichen Unternehmungen
hat dem Effektenmarkt neuen Zuwachs gebracht.
Ein namhafter Teil des Volksvermögens ist in
Effekten angelegt. In England wird der so an-
gelegte Anteil des Volksvermögens auf mehr als
ein Drittel, in Deutschland auf ein Viertel geschätzt.
Man unterscheidet Obligationen und
Aktien erstere dienen der Kreditgewährung und
sind fest verzinslich; letztere stellen eine Form der
Beteiligung an einem Unternehmen dar, ergeben
daher keine feste Verzinsung, sondern einen mög-
licherweise stark wechselnden Gewinn (Dividende).
Man unterscheidet ferner Anlage= und Speku-
lationspapiere, je nachdem ein Papier bei ge-
ringem Risiko und möglichst gleichmäßigem Renten-
ergebnis zu längerem Besitz geeignet ist oder vermöge
der stetigen erheblichen Kursschwankungen mehr
zu vorübergehendem Erwerb sich empfiehlt, um
bei günstiger Konjunktur wieder losgeschlagen zu
werden. Regelmäßig sind die Obligationen An-
lagepapiere, die Aktien Spekulationspapiere. Die
Aktien lang bewährter Unternehmungen gewinnen
aber häufig den Charakter von Anlagepapieren.
Den Preis der Papiere nennt man den Kurs.
(Über Kursfeststellung s. unten.) Der Kurs hängt
von der Sicherheit, von der Höhe der Verzinsung,
von der jeweiligen Lage der Börse und des Geld-
markts ab. Je sicherer ein Papier ist, desto mehr
nähert sich die effektive Verzinsung dem landes-
üblichen Zinsfuß. In hohem Grade sind meist
ausländische Papiere (exotische Werte) Spekula-
tionspapiere. Beim Ankauf solcher ist doppelte Vor-
sicht geboten. Denn es ist bei ihnen doppelt schwer,
die Qualität zu beurteilen. Die Vermittlung
zwischen dem kapitalsuchenden Unternehmer und
dem anlagesuchenden Publikum übernehmen die
Bankinstitute durch das sog. Emissionsge-
schäft. In Deutschland gibt es keine Emissions-
banken, welche sich nur mit diesem Geschäft be-
fassen; vielmehr wird das Emissionsgeschäft als
eines der sonstigen Bankgeschäfte betrachtet.
Das Enissionsgeschäft besitzt keinen einheit-
lichen Charakter. Man begreift darunter das
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