Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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zwischen Erfüllung und Nichterfüllung. Die 
Prämie heißt Vorprämie, wenn auf Steigen, 
Rückprämie, wenn auf Fallen spekuliert wird. Die 
Stellage, eine Vereinigung des Vor= und 
Rückprämiengeschäfts, berechtigt und verpflichtet 
den einen Kontrahenten, an einem bestimmten Tag 
ein gewisses Quantum zu einem höheren Kurs zu 
beziehen oder zu einem niedrigeren zu liefern; ein 
Rücktrittsrecht ist ausgeschlossen. Der Schluß 
auf fest und offen ist eine Verbindung des 
Prämiengeschäfts mit dem festen Lieferungs- 
geschäft. Der Wahlberechtigte hat das Recht, die 
vereinbarte Summe zu verdoppeln, d. h. wenn er 
gekauft hat, den Betrag noch einmal nachzufor- 
dern, wenn er verkauft hat, denselben noch einmal 
zu liefern. Beim Nochgeschäft hat der Käufer 
das Recht, ein bedungenes Vielfache des festge- 
setzten Betrags zu beziehen, der Verkäufer das 
Recht, ein solches Vielfache zu liefern (einmal 
Noch, zweimal Noch usw.). Beim Wandel- 
geschäft bezieht sich die Wahl auf die Zeit der 
Erfüllung. 
Das einfache Lieferungsgeschäft dient vor- 
wiegend den Zwecken des Handels, das Börsen- 
termingeschäft vorwiegend der Spekulation, d. h. 
das erstere will die örtliche, das letztere die zeit- 
liche Verschiedenheit der Preise ausnutzen. 
Eine besondere Stellung nimmt das sog. 
Arbitragegeschäft ein. Dieses nutzt die Ver- 
schiedenheit der Kurse eines und desselben Wert- 
papiers an einem und demselben Tag an zwei 
verschiedenen Börsenplätzen aus. Dieses Geschäft 
setzt naturgemäß telegraphische oder telephonische 
Verbindung der beiden Plätze voraus. Derartige 
Geschäfte können ausgleichend aus die Preisbildung 
einwirken. 
Das Termingeschäft in allen Formen und unter 
allen Umständen verbieten, hieße das Kind mit dem 
Bad ausschütten. Es kommt für die Beurteilung 
desselben wesentlich darauf an, ob die allerdings 
schwer erkennbare Absicht der Kontrahenten auf 
wirkliche Lieferung gerichtet ist, oder ob an eine 
solche gar nicht gedacht und lediglich vorausgesetzt 
wird, daß am Stichtag die Differenz zu begleichen 
ist. Von diesem Gesichtspunkt aus sind auch die 
sog. Differenzgeschäfte zu beurteilen. Die- 
selben stellen an sich keine besondere Art der Termin- 
geschäfte dar, sondern sind gewöhnliche Termin- 
geschäfte, bei denen Lieferung eigentlich nicht be- 
absichtigt ist, sondern nur Differenzen ergattert 
werden sollen. Den an Differenzgeschäften be- 
teiligten Spekulanten kommt es nicht darauf an, 
die Werte zu liefern oder zu beziehen, sondern 
lediglich die Preisbildung auszunutzen und auch 
zu beeinflussen. 
IV. Die Geldbörsen. Diese stellen die älteste 
Form der Börsen dar und sind auch heute noch 
von der größten Bedeutung. Sie bilden den 
Markt für die Geldsorten und insbesondere für 
die Wechsel, mit andern Worten, vor allem für die 
internationalen Zahlungsmittel. Der Ankauf von 
Staatslexilon. I. 3. Aufl. 
Börse. 
  
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Wechseln ist eine beliebte nutzbringende Anlage 
von Barmitteln, welche nur kurze Zeit verfügbar 
sind. Dieses Anlagegeschäft nennt man Dis- 
kontgeschäft; der von dem Nennbetrag des 
Wechsels im voraus abgezogene Betrag ist der 
Diskonto. Die Bewegung des Diskontsatzes (Dis- 
kontopolitik) ist eine symptomatische Erscheinung 
des jeweiligen Standes des Geldmarkts. 
V. Fondsbörsen und Efwektenverkehr. Bis 
zum Beginn des 17. Jahrh. waren Wechsel fast 
die einzigen Papiere, mit denen in Deutschland 
Handel getrieben wurde. Erst im 19. Jahrh., 
zumal im Zeitalter der Eisenbahngründungen, 
sind zu den Schuldverschreibungen des Staats und 
den Anteilscheinen der englischen und ostindischen 
Handelsgesellschaften in den Eisenbahnaktien und 
Eisenbahnobligationen neue Wertpapiere in kolos- 
salem Umfang hinzugekommen. Die Zunahme 
der industriellen gesellschaftlichen Unternehmungen 
hat dem Effektenmarkt neuen Zuwachs gebracht. 
Ein namhafter Teil des Volksvermögens ist in 
Effekten angelegt. In England wird der so an- 
gelegte Anteil des Volksvermögens auf mehr als 
ein Drittel, in Deutschland auf ein Viertel geschätzt. 
Man unterscheidet Obligationen und 
Aktien erstere dienen der Kreditgewährung und 
sind fest verzinslich; letztere stellen eine Form der 
Beteiligung an einem Unternehmen dar, ergeben 
daher keine feste Verzinsung, sondern einen mög- 
licherweise stark wechselnden Gewinn (Dividende). 
Man unterscheidet ferner Anlage= und Speku- 
lationspapiere, je nachdem ein Papier bei ge- 
ringem Risiko und möglichst gleichmäßigem Renten- 
ergebnis zu längerem Besitz geeignet ist oder vermöge 
der stetigen erheblichen Kursschwankungen mehr 
zu vorübergehendem Erwerb sich empfiehlt, um 
bei günstiger Konjunktur wieder losgeschlagen zu 
werden. Regelmäßig sind die Obligationen An- 
lagepapiere, die Aktien Spekulationspapiere. Die 
Aktien lang bewährter Unternehmungen gewinnen 
aber häufig den Charakter von Anlagepapieren. 
Den Preis der Papiere nennt man den Kurs. 
(Über Kursfeststellung s. unten.) Der Kurs hängt 
von der Sicherheit, von der Höhe der Verzinsung, 
von der jeweiligen Lage der Börse und des Geld- 
markts ab. Je sicherer ein Papier ist, desto mehr 
nähert sich die effektive Verzinsung dem landes- 
üblichen Zinsfuß. In hohem Grade sind meist 
ausländische Papiere (exotische Werte) Spekula- 
tionspapiere. Beim Ankauf solcher ist doppelte Vor- 
sicht geboten. Denn es ist bei ihnen doppelt schwer, 
die Qualität zu beurteilen. Die Vermittlung 
zwischen dem kapitalsuchenden Unternehmer und 
dem anlagesuchenden Publikum übernehmen die 
Bankinstitute durch das sog. Emissionsge- 
schäft. In Deutschland gibt es keine Emissions- 
banken, welche sich nur mit diesem Geschäft be- 
fassen; vielmehr wird das Emissionsgeschäft als 
eines der sonstigen Bankgeschäfte betrachtet. 
Das Enissionsgeschäft besitzt keinen einheit- 
lichen Charakter. Man begreift darunter das 
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