Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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sätzliche Zulässigkeit der Börsenverkehrssteuer muß 
auch durch die hiervon betroffenen Kreise selbst 
anerkannt werden, wenn man überhaupt an dem 
Prinzip der Verkehrsbesteuerung festhält. Ob auch 
die sog. Emissionssteuer, welche bei der erst- 
maligen Ausgabe von Aktien oder Obligationen 
erhoben wird, als Börsensteuer zu erachten sei, ist 
mindestens zweifelhaft. Sie ist wohl richtiger als 
eine besondere Art der Besteuerung zu betrachten. 
Die Durchführung der Besteuerung hat sich un- 
bedingt dem Börsenverkehr anzupassen. Besteuert 
werden die einzelnen Geschäfte; man hat deshalb 
an den Abschluß des einzelnen Geschäfts anzu- 
knüpfen. Der Abschluß der Geschäfte wird an der 
Börse regelmäßig durch Ausstellung eines Schluß- 
scheins verbrieft. Man kann daher, sofern diese 
Verbriefung zur Pflicht gemacht wird, die Er- 
hebung durch Besteuerung dieser Schlußscheine vor- 
nehmen, kann aber auch an ein anderes äußeres 
Kriterium die Erfüllung des Geschäfts anknüpfen 
und die Besteuerung bei Ubergabe der Papiere oder 
sonstiger Objekte herbeiführen. Beide Formen der 
Erhebung begegnen gewissen Schwierigkeiten, da 
der Börsenverkehr nur schwer einer genauen Kon- 
trolle unterstellt werden kann. 
Die Börsensteuergesetzgebung in Deutschland 
setzt mit dem Gesetz vom 1. Juli 1881 ein. Ab- 
änderung der Bestimmungen, vielfache Erweite- 
rung in Bezug auf die Steuerobjekte und Er- 
höhung der Steuersätze erfolgten in den Jahren 
1885, 1894, 1900 und 1906. Gegenwärtig gilt 
das Reichsstempelgesetz vom 3. Juni 1906. Die 
Bestimmungen über die Besteuerung der Aktien, 
Kuxe, Renten= und Schuldverschreibungen (Emis- 
sionsstempel), sowie der Kauf= und sonstigen 
Anschaffungsgeschäfte (Umsatzstempel) bilden 
nur einen Teil jenes Gesetzes. 
Nach Tarifnummer 1 ahaben inländische Aktien, 
Aktienanteilscheine und Reichsbankanteilscheine, so- 
wie Interimsscheine über Einzahlungen auf diese 
Wertpapiere 2 vom Hundert zu entrichten, nach 1b 
ausländische Aktien usw., wenn sie im Inland aus- 
gehändigt, umgesetzt oder verpfändet werden, 2½ 
vom Hundert. Diese Abgabe ist von jedem Stück 
nur einmal zu leisten; sie wird vom Nennwert be- 
rechnet, aber vom Ausgabepreis, wenn dieser höher 
war. Die Anteilscheine gewerkschaftlich betriebener 
Bergwerke (Kuxe) sind mit dem festen Satz von 
1,50 M für jede Urkunde zu versteuern; außerdem 
sind für alle auf die Kuxe ausgeschriebenen Ein- 
zahlungen, soweit solche nicht zur Deckung von Be- 
triebsverlusten dienen oder zur Erhaltung des Be- 
triebs in seinem bisherigen Umfang verwendet 
werden, 1 vom Hundert zu entrichten (Tarifnummer 
1c). Befreit von dem Emissionsstempel sind in- 
ländische Aktien usw., wenn sie nach der Entschei- 
dung des Bundesrats ausschließlich gemeinnützigen 
Zwecken dienen oder die Herstellung von inländi- 
schen Eisenbahnen unter Beteiligung oder Zins- 
garantie des Reichs oder anderer Körperschaften 
zum Zweck haben. 
JInländische, auf Grund staatlicher Genehmigung 
ausgegebene Renten= und Schuldverschreibungen 
der Kommunalverbände, Hypothekenbanken usw. 
Börse. 
  
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unterliegen einem Steuersatz von 2 vom Tausend (8). 
Andere inländische Renten= und Schuldverschrei- 
bungen (2 a), ferner die Renten- und Schuldver- 
chreibungen ausländischer Staaten und Eisenbahn- 
gesellschaften (2b) haben 6 vom Tausend zu ent- 
richten. Sonstige ausländische Rententitel von 
Korporationen, Aktiengesellschaften usw. (2c) wer- 
den mit 1 vom Hundert besteuert. Für Genußscheine 
der Aktiengesellschaften ist, sofern diese als Ersatz 
erloschener Aktien ausgegeben werden, —.50 K, 
sonst für inländische 15/M, für ausländische 20 M 
das Stück zu zahlen. 
Die Umsatzsteuer (für Kauf= und sonstige 
Anschaffungsgeschäfte, Tarifnummer 4) wird fol- 
gendermaßen berechnet: Wertpapiere der unter 2 a, 
2 b und 3 des Tarifs bezeichneten Art /16 vom 
Tausend, Anteile von bergrechtlichen Gewerkschaften 
oder die darüber ausgestellten Urkunden 1 vom 
Tausend, sonstige Wertpapiere der unter 1—3 des 
Tarifs bezeichneten Art, einschließlich der Genuß- 
scheine, 3/156 vom Tausend, ausländische Banknoten, 
ausländisches Papiergeld und ausländische Geld- 
sorten 320 vom Tausend. Im Arbitrierverkehr kann 
Ermäßigung eintreten. Die Umsatzsteuer bei börsen- 
mäßig gehandelten Waren beträgt ½/16 vom Tausend. 
Den Charakter einer eigentlichen Börsen ver- 
kehrssteuer hat nur die auf den Effekten= und 
“ (Tarifnummer 4) gelegte Umsatz= 
teuer. 
Literatur. Cibbini, Untersuchung über die 
Bestimmung einer B. (1817); Bender, über den 
Verkehr in Staatspapieren (1830); Thöl, Der 
Verkehr mit Staatspapieren (1835); Lesser, Zur 
Gesch, der Berliner B. u. des Eisenbahnaktienhandels 
(1844); G. Cohn, Zeitgeschäfte u. Differenzgeschäfte 
(Jahrb. für Nat. u. Statistik VII [1866l); Hilbert, 
Gesch, des 1. Jahrh. der Wiener B. (1871); Hecht, 
Das B.n= u. Aktienwesen der Gegenwart (1874); 
Struck, Effekten-B. (haupts. auf Grund der engl. En- 
queten über Foreign loans u. über die Stock Ex- 
change von 1875 u. 1884); R. Ehrenberg, Die 
Fondsspekulation u. die Gesetzgeb. (1883); W. aa, 
Die Technik des deutschen Emissionsgeschäfts (1890); 
R. Ehrenberg, Das Zeitalter der Fugger (2 Bde, 
1896); Pfleger u. Gschwindt, Die B. nrreform in 
Deutschland, Münchener Volkswirtschaftl. Studien, 
15., 16. u. 22. Stück; D. Kohn, Der Getreide- 
terminhandel (1891); Fuchs, Der Warentermin- 
handel (1891); E. Brückner, Der Differenzhandel 
an der B. (1894); O. Bähr, Das B.nspiel nach 
den Protokollen der B. kommission (1894); F. 
Hammesfahr, Getreidehandel u. Termin-B. (1897); 
W. Lotz, Die B.nreform (1897); H. Alexander- 
Katz, Der Begriff der B. u. die freien Vereinigungen 
(1897); Wiedenfeld, Die B. in ihren wirtschaftl. 
Funktionen u. ihrer rechtl. Gestaltung vor u. unter 
dem B. ngesetz (1898); Sayons, Etude économique 
et juridigue sur les Bourses allemandes (Berl. 
1898); B. Mayer, Die Effekten-B. u. ihre Geschäfte 
(1899); R. Sonndorfer, Die Waren-B., deren Ein- 
richtung u. Bedeutung für den internat. Handel 
(1899); G. Wernert, B., Bengesetz u. B.ugeschäfte 
(1904); Salings B. npapiere 1. Teil: Die B. u. 
die Bengeschäfte, bearb. von A. Schütze (111908); 
Art. „B.“ im Handwörterbuch der Staatswissen- 
schaften. · 
über das B.nrecht sind insbes. zu vergleichen: 
Fr. A. Wiener, Die B., eine Studie über die Ent- 
wicklung des Rechts u. der Verf. der deutschen u. 
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