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bai) die erste königliche Kolonie Cidade do Sal-
vador (Bahia) anlegte; diese wurde bald der
Mittelpunkt des Landes. Mit Souza waren auch
Jesuiten (zunächst sechs) nach Brasilien gekommen,
die mit rastlosem Eifer und großem Erfolg die
Eingebornen dem Christentum und der Zivili-
sation zu gewinnen suchten. Bis gegen Ende des
16. Jahrh. entstanden in und neben den Lehns-
fürstentümern, welche die Krone nach und nach
einlöste, acht königliche Kolonien (Kapitanien), so
daß Brasilien schon jetzt den Charakter einer föde-
rativen Monarchie trug, den es auch in Zukunft
behielt. Die Leitung der für das Mutterland immer
wichtiger werdenden Kolonie wurde 1602 dem
nach spanischem Muster geschaffenen Rat von In-
dien übertragen, an dessen Stelle 1642 der „Über-
seeische Rat“ (Conselho Ultromarino) trat.
Inzwischen mußte Portugal sein neuestes Be-
sitztum auch gegen Angriffe von außen verteidigen.
Schon 1555 hatten sich Franzosen unter dem
Hugenotten Villegaignon an der Bucht von Rio
de Janeiro festgesetzt, waren aber 1567 wieder
vertrieben worden. Nach der Vereinigung Por-
tugals mit Spanien (1580) war Brasilien gleich
den spanischen Kolonien den Angriffen und Plün-
derungen der mit Spanien im Krieg befindlichen
Engländer, Franzosen und Niederländer
preisgegeben: 1582 erfolgten englische Flibustier-
züge, 1612 der zweite Versuch einer französischen
Niederlassung am Amazonas, die auch nur von
kurzem Bestand war (vgl. Paul Gaffarel, Histoire
du Brésil français au seizieme siecle (Par.
1878.). Dagegen glückte es den Niederländern,
dauernd festen Fuß in Brasilien zu fassen und das
Land teilweise zu okkupieren: 1624 eroberten sie
Bahia, 1629 Olinda; 1636 unterwarf der Statt-
halter Moriz von Nassau im Norden Maran-
häo, im Süden Sergipe, so daß die holländische
Macht vom Rio Säo Francisco bis zum Rio
Grande reichte und von 14 Provinzen der Ko-
lonie die an der Küste gelegene Hälfte umfaßte.
Aber ihr Regiment erregte bald die Unzufrieden-
heit der Bewohner; der pernambukanische Frei-
heitskrieg unter Leitung des brasilianischen Na-
tionalhelden Fernandez Vieira trieb sie 1654 aus
ihrer letzten Besitzung Pernambuco, und 1661
traten sie gegen eine Entschädigung von 350 000
Pfund Sterling ganz Brasilien an Portugal ab.
Seitdem ist die portugiesische Herrschaft in Brasilien
von außen her nie wieder ernstlich bedroht worden.
In diese Zeit fällt auch die Blüte des Neger-
staats Palmares. Schon gegen Ende des
16. Jahrh. waren zahlreiche Niederlassungen
flüchtiger Sklaven (Quilombos oder Mocambos)
entstanden, und im 17. Jahrh. hatte eine be-
rittene Polizei lediglich das Amt der Sklavenjagd
zu verrichten, um derartige Ansammlungen zu ver-
hüten. So schlossen auch in den ersten Jahren
der holländischen Invasion (etwa 1630) entflohene
Schwarze eine gemeinsame Organisation und
gründeten westlich von den Orten Calvo und
Brasilien.
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Anadia in der heutigen Provinz Alagöas ein
Quilombo, das nach der Palmenvegetation der
Umgegend Palmares genannt wurde. Durch Zu-
lauf von allen Seiten wuchs die Zahl der Flücht-
linge schnell auf 20 000; es entstand ein Kranz
von Tochterquilombos, und der junge Negerstaat
wurde den Nachbarn bald gefährlich. Auf Be-
treiben des Generalkapitäns Castro zerstörten bra-
silianische Truppen, verstärkt durch Paulistas
(wegen ihrer Grausamkeit gegen die Indianer be-
rüchtigte Mischlinge der Provinz Säo Paulo), den
Hauptort (1696/99);, der Negerstaat ward zerstört,
seine Angehörigen wurden in die Sklaverei verkauft.
Das Gebiet der Kolonie hatte sich inzwischen
nach Norden und Süden erweitert. Brasiliens
Bedeutung für Portugal wuchs, als man 1673
die Goldminen in Minas Geraes und 1728 die
ersten Diamanten entdeckte. Die engherzige Po-
litik des Mutterlandes steigerte die Unzu-
friedenheit der Bevölkerung, in welcher schon
längst ein scharfer Gegensatz zwischen den eigent-
lichen Brasilianern, den Nachkommen der älteren
Einwanderer, und der jüngeren Einwanderung,
„den Söhnen des Königreichs Portugal“, bestand.
Letztere waren von jeher durch die Regierung be-
vorzugt worden: hatte diese doch schon seit 1640
große Landstrecken an die jüngeren Söhne des
portugiesischen Adels verschenkt oder an portu-
giesische Abenteurer zur weiteren Eroberung ver-
handelt (Conquistadores). Große Nachteile brach-
ten dem Land auch die Vertreibung der Jefuiten
durch Pombal, die damit verbundene Zerstörung
der Indianerreduktionen und die fortwährenden
Grenzstreitigkeiten mit den Spaniern, denen die
dort gelegenen Missionen zum Opfer fielen. Auch
die staatlichen Verhältnisse gaben Anlaß zu fort-
währenden Klagen. Die Regierung übte ein Ge-
neralgouverneur aus, der bis 1760 in Bahia, von
da ab in Rio de Janeiro residierte. Zwar führte
Brasilien seit 1720 den Titel „Vizekönigtum“,
aber die Regierung erlitt immer neue Einschrän-
kungen ihres Wirkungzkreises, nachdem schon 1621
der sog. Staat Maranhäo unmittelbar dem Lissa-
boner Kabinett unterstellt worden war. Die Form
der Regierung war absolutistisch, die Rechtsver-
waltung nicht immer unparteiisch, und da die
Bildung eines Adels nicht erfolgen konnte und
der Klerus, ohne Kirchenvermögen, vom Staat
abhängig war, fehlte ein Organ, das zwischen
Regierung und Volk vermittelt hätte. Deshalb
verschärfte sich der Gegensatz immer mehr, und die
Abneigung zwischen den brasilianischen Portu-
giesen und den europäischen Altportugiesen, dem
Volk und der Regierungspartei, wurde immer
tiefer. Gleichwohl blieb Brasilien für das Mutter-
land eine reiche Geldquelle, für den Staat sowohl
als für die zwei Handelsgesellschaften, die den
Verkehr vermittelten. "
Da suchte König Johann VI. 1808 vor
Napoleon Schutz in Brasilien, und damit begann
eine neue, glücklichere Epoche für das Land. Die