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allen verliehen, die lesen und schreiben können,
und die Wahl zum verfassunggebenden Kongreß
ausgeschrieben. Unter Hochdruck kam eine Re-
gierungsmehrheit zustande, welche die neue Ver-
fassung am 21. Febr. 1891 annahm. Fonsecas
Stellung wurde aber bald erschüttert, nachdem ihnd
der Kongreß mit knapper Mehrheit zum Bundes-
präsidenten gewählt hatte; finanzielle Mißwirt-
schaft trug daran die Hauptschuld. Fonseca trieb
es bis zu einem Konflikt mit dem Kongreß, wor-
auf Volk und Heer ihn zwangen, seine Diktatur
preiszugeben. Peixoto wurde sein Nachfolger.
Dieser hatte 1893 und 1894 einen Aufstand der
Marine zu bekämpfen, der durch Ankauf amerikani- #
scher Schiffe endlich niedergeworfen wurde. 1894
wurde Prudente de Moraes Präsident, der durch
die Nachschwingungen des Marineaufstands im
Staat Rio Grande do Sul noch viel beschäftigt
wurde. Erst 1895 kam dieser Staat zur Ruhe.
Auch bereitete ihm ein Konflikt mit Italien Sorge,
welcher entstanden war durch Zänkereien zwischen
Brasilianern und italienischen Einwanderern in
Säo Paulo. Moraes leistete wegen Kränklichkeit
auf seinen Posten Verzicht; ihm folgte 1896
Pereira, 1898 Campos Salles, dem sich die
panamerikanischen Tendenzen der Vereinigten
Staaten von Amerika fühlbarer machten als einem
seiner Vorgänger, während im Innern die Partei-
wirtschaft fortblühte. Dazu gesellten sich Grenz-
streitigkeiten mit Bolivia, England, Holland und
der Kampf gegen eigenartige Separationsgelüste
im Amazonasgebiet; es handelte sich dabei um das
Asregebiet, wegen dessen es mit Bolivia später zu
einem Ausgleich kam. Präsidenten: 1902 Rodri-
guez Alves, 1906 Moreira Penna, unter wel-
chem sich die frühere Reserve gegenüber Nord-
amerika zu einem engeren Freundschaftsverhältnis
wandelte. In dessen Dienst wurde wiederholt
die angebliche „deutsche Gefahr“ in Südbrasilien
an die Wand gemalt. In der wirtschaftspolitischen
Welt erregten 1907 die Regierungsmaßnahmen
wegen der Uberproduktion an Kaffee im Land viel
Aufsehen. Kaffee wurde in Menge aus dem Land
mit Hilfe auswärtiger Anleihen aufgekauft und
unter großem Zinsverlust vom Markt zurück-
gehalten; dies dauerte auch in der zweiten Hälfte
von 1908 noch fort.
2. Areal und Bevölkerung. Brasiliens
Flächeninhalt wird auf 8 528 218 qken berechnet.
Nach den Ermittlungen des Jahrs 1890 wohnen
auf diesem ungeheuern Areal 17 440 000 Men-
schen, die sich auf die Provinzen in folgender
Weise verteilen (s. die Tabelle auf Sp. 1014).
Die wilden Indianer werden auf 600 000 ge-
schätzt. Von der Gesamtbevölkerung entfallen
etwa 36 Prozent auf die kaukasische Rasse, 87 auf
die Mischlinge, 18 auf die Neger und 9 Prozent
auf die Indianer. Fast die gesamte Einwohner-
schaft bekennt sich zur römisch-katholischen Kirche;
Protestanten (1890) 143 743, Griechisch-Ortho-
doxe 1673, Positivisten 1327.
Brasilien.
1014
. , Be- auf
Provinzen km völkerung 1 akm
Bundesbezirk 1394 746 719 559
Territorium Acre 191 000 70 0.3
Amazons 1897 020 249 756 .1
rd 1149 712 448 356 0.4
Maranhio 459 884 499 308 1
Piauhy 301 797 334 328 1,1
Cearcc 104250 849 127 8
Nio Grande do Norte 7485 274 317 5
Parahhhn 731 490 78 6
Pernambuco 128 395 1178 150 9
Alaggss 58 491 649273 11
Sergien 39 090 356 264 9
Bahü 426 427 2 117956 5
Espirito Sant 44 839 209 783 5
Rio de Janeiro 68 982 926 035 13
Söäo Paulo 290 876 2279608 7
araann: 221319 327 136 1,4
Santa Catharina 74 156 320 289 4
Rio Grande do Sul. 236 553 1149 070 5
Minas Geraas 574 855 3594471 6
Soyaz...... 747311 255 284 0.3
Mato Grosso 1379 651 118 025 0,08
Brasilien 8.528 218|/ 174400000 2
Nach letzter planimetrischer Messung beträgt die
Gesamtoberfläche des Landes 8 468 950 qkm.
Die Einwanderung betrug 1855/84
467343, 1885/89: 307683, 1890/94:
6030033, 1895/99:540 126, 1900/08e: 178296,
zusammen seit 1855:22 096 486, davon 1030000
Italiener, 465 312 Portugiesen, 216 286 Spa-
nier, 70 536 Deutsche. Durch anderthalb Jahr-
hunderte war das Land den Fremden so gut
wie verschlossen. Erst am 28. Jan. 1808 wurde
es zunächst dem auswärtigen Handel geöffnet; am
16. März 1820 folgte ein Gesetz, welches die
fremde, besonders die deutsche Einwanderung ein-
lud und jedem katholischen Kolonisten eine Land-
schenkung zusagte; Bestimmungen vom 23. Okt.
1832 und 30. Aug. 1843 setzten die Naturali-
sationsfrist auf 4 bzw. 2 Jahre fest. Vielfach
kamen arge Mißgriffe vor, und die Regierung
machte übertriebene Versprechungen, die sie weder
halten wollte noch konnte. Erst seitdem sie ihre
Initiative aufgegeben hatte, und seitdem Gesetze
(1880) über Aussonderung, Vermessung und
Verkauf von Staatsländereien mehr Ordnung in
das Landsystem gebracht haben und in religiöser
und politischer Beziehung eine freiere Bewegung
eingetreten ist, hat sich die Einwanderung gehoben.
Während das portugiesische und italienische Ele-
ment derselben sich vorzugsweise in den Städten
handeltreibend niederläßt, ergreifen die Deutschen
hauptsächlich den Landbau und gründen oder er-
weitern Kolonien. In hohem Grad gediehen sind
die deutschen Kolonien in den südlichen Pro-
vinzen Rio Grande do Sul, Santa Catharina
und Paranä. Ihren Anfang nahm die Ansied-
lung der Deutschen in Brasilien im Jahr 1818
mit der Anlage der Kolonie Santa Leopoldina
in der Provinz Bahia, aber erst durch die Grün-
dung von Säo Leopoldo in der Provinz Rio
Grande do Sul im Jahre 1824 gewann sie eine
größere Bedeutung. Heute ist Säo Leopoldo ein
reiches Munizipium mit einer größtenteils deut-
schen Bevölkerung von 30 000 Seelen. In ähn-