1043 Bruderladen
Auskunft und Aushändigung von Postsendungen
gerichteten Ersuchen der Militärbefehlshaber zu
entsprechen haben (0c elsaß= lothring. Gesetz
vom 30. Dez. 1871 8 10).
In Österreich ist das Briefgeheimnis durch
Art. 10 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dez.
1867 gewährleistet. Die Beschlagnahme von
Briefen ist außer dem Fall einer gesetzlichen Ver-
haftung oder Haussuchung nur in Kriegsfällen
oder auf Grund eines richterlichen Befehls nach
Maßgabe bestehender Gesetze zugelassen. Die Be-
stimmungen der Strasprozeßordnung vom 23. Mai
1873, §§ 145/149, sowie der Konkursordnung
decken sich inhaltlich mit denjenigen der entspre-
chenden deutschen Gesetze. Die Offnung von
Briefen und Postsendungen kann ferner zur Ab-
wehr ansteckender Krankheiten zum Zweck der Des-
infektion und aus staatssicherheitspolizeilichen
Gründen erfolgen, wenn auf Grund des Gesetzes
vom 5. Mai 1869 der Ausnahmezustand verhängt
ist. Durch Gesetz vom 6. April 1870 ist das
Briefgeheimnis unter den Schutz des Strafgesetzes
gestellt.
Vgl. Marquardsens Handbuch des öffentlichen
Rechts und Löwe, Strafprozeßordnung für das
Deutsche Reich. [Spahn.)]
Bruderladen, in Österreich Bezeichnung
für Knappschaftskassen, s. Bergwesen (Sp. 792 f).
Buddhismus (. Religionsgesellschaften.
Budget s. Staatshaushalt.
Bulgarien. 1. Die Geschichte des Lan-
des beginnt unser Interesse zu wecken mit der
Niederlassung der aus Osteuropa gekommenen
Urbulgaren an der unteren Donau. Diese Bul-
garen sollen mit den Türken eine ursprüngliche
Verwandtschaft haben, gingen aber in den andern
slawischen Völkern an der Donau auf, denen sie
ihre Herrschaft aufzwangen und ihren Namen
gaben. So sind denn, was man heute Bulgaren
nennt, ein slawisches Mischvolk. Im 9. Jahrh.
wurden die Bulgaren Christen. Ihre heutige Ge-
samtzahl wird auf etwa vier Millionen geschätzt.
Das bulgarische Reich südlich der Donau erstarkte
in dem Maß, wie die byzantinische Macht sank.
Aus den bulgarischen Chanen wurden Zare, welche
Konstantinopel wiederholt einschlossen und ihr
Reich bis an die Adria ausdehnten. Das 10. Jahr-
hundert sah dann den Niedergang des großbul-
garischen Reiches; die westlichen Gebiete fielen ab,
und Johannes Tzimiskes nahm Ostbulgarien fort,
dem im folgenden Jahrh. (1018) Westbulgarien
folgte. Etwa 170 Jahre blieben die Bulgaren
unter oströmischer Herrschaft, dann rafften sie sich
wieder auf und erneuerten das Reich. Byzantiner,
Tataren und Türken bedrängten das neue bul-
garische Reich dann aber wieder sehr im 13. und
14. Jahrh., bis 1393 Sultan Bajasid die Bul-
garen vollständig unterwarf. Unter dem türkischen
Druck traten viele Bulgaren zum Islam über;
während diese Renegaten fanatische Muselmanen
wurden, vegetierten die christlichen Bulgaren jahr-
— Bulgarien. 1044
hundertelang in einem unwürdigen Zustand fort;
die Kirchendiener waren meist Griechen, und so
blieb das einzige Mittel, durch welches das Na-
tionalgefühl einigermaßen hätte erhalten bleiben
können, unwirlsam. Erst seit den 40er Jahren des
19. Jahrh. datiert ein nationaler Ausschwung in
Volksbildung und Volkswirtschaft, dazu gesellte
sich das Verlangen nach einem nationalen Klerus,
dem endlich 1870 die Pforte stattgab, indem sie
(1872 endgültig) einen nationalen bulgarischen
Exarchen in Konstantinopel bestätigte. Das Ver-
langen nach politischer Selbständigkeit belebte sich
unter diesen Verhältnissen mehr und mehr; 1876
taten sich Banden zusammen, welche weiter nichts
erreichten, als daß die Pforte zum grausamen
Vorgehen gegen die harmlosen Christen am Balkan
(„bulgarische Greuel") überging. Europa konnte
die Pforte nicht zu den verlangten Zugeständnissen
bewegen, und so übernahm es Rußland, die Türkei
zu zwingen. Die endliche Folge des nunmehrigen
Krieges war die Bildung eines Fürstentums Bul-
garien, zwischen Donau und Balkan mit (einer
niemals erfüllten) Tributpflicht gegen die Pforte;
das übrige bulgarische Gebiet südlich des Balkans,
welches vom Berliner Kongreß auf Ostrumelien
beschränkt wurde, sollte autonome Provinz der
Türkei unter einem christlichen Gouverneur wer-
den. 1879 gab eine Notabelnversammlung dem
neuen Fürstentum eine Verfassung nach russischen
Winken, die neue Nationalversammlung wählte
dann den Prinzen Alexander von Battenberg zum
Landesfürsten. Die neue Verfassung war aber
weit entfernt, allgemeinen Beifall zu finden; auch
in Bulgarien trat alsbald mit dem Erwachen
selbständigen politischen Lebens die Scheidung in
Liberale und Konservative hervor. Der Fürst er-
zwang 1881 durch die Androhung seiner Ab-
dankung und unter dem Eindruck der innern
politischen Wirren, auf welche Rußland einwirkte,
die Aufhebung der Verfassung auf sieben Jahre.
Die Minister, zum Teil Russen und den NRussen
ergebene Bulgaren, verdarben es inzwischen so-
wohl mit Liberalen wie Konservativen, zumal das
1882er Kabinett Sobolew mit Kaulbars als
Kriegsminister. Allmählich verschlechterte sich auch
das Verhältnis Rußlands durch die dasselbe in
Bulgarien vertretenden Generale mit dem Fürsten
Alexander; das liberale Koalitionsministerium
Zankow, welches 1883 nach Wiederbeseitigung
der Diktatur des Fürsten gebildet worden war,
ließ sich von dem radikalen Kabinett Karawelow
mit großbulgarischen, auf Ostrumelien und Maze-
donien gerichteten Tendenzen übertrumpfen. Fürst
Alexander, von seinem Kabinett gedrängt und seit
dem Zerwürfnis mit Rußland zu freierer Bewe-
gung geneigt, erkannte die Revolution in Ost-
rumelien an, welche 1885 die Union mit Bulgarien
verkündete und ihn selbst herbeirief. Nun wurde der
Bruch mit Rußland vollständig; mit Ausnahme
Englands protestierten alle Garanten des Berliner
Kongresses gegen diesen Vertragsbruch des bulga-