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Ackerbauministerium (Brüssel 1906, englisch Lond.
1907); M. Nedimidin, Völkerrechtl. Entwicklung
B.s seit dem Berliner Vertrag von 1878 bis zur
Gegenwart (1908). Dresemann.])
Bulle s. Kurie.
Bundesrat s. Deutsches Reich (Abschn. Ver-
fassung und Verwaltung).
Bundesstaat s. Staatenverbindungen.
Bündnis s. Staatenverbindungen; vgl. auch
Allianz.
Bureaukratie. Das schlecht gebildete
Fremdwort, zu deutsch: Schreibstubenherrschaft,
wird überwiegend in tadelndem Sinn gebraucht.
Daneben redet man wohl auch von bureaukra-
tischem System im Unterschied vom Kollegialsystem
zur Bezeichnung derjenigen Einrichtung in der
Staatsverwaltung, welche die Entscheidung jedes-
mal in die Hände eines einzelnen legt, dem ledig-
lich zur Unterstützung und Ausführung unter-
geordnete Gehilfen beigegeben sind. Bureaukratie
aber in jenem ersten Sinn bedeutet nach Mohl
„Übertreibung der Staatsidee, vollzogen durch
einen zahlreichen und zum Teil aus sehr mittel-
mäßigen Gliedern bestehenden Organismus von
gewerbsmäßigen Beamten“. — In einem früheren
Artikel ist ausgeführt worden, wie die Entwick-
lung des staatlichen Lebens in der Neuzeit all-
überall zur Ausbildung berufsmäßiger Beamten
hingeführt hat. Der wachsende Umfang und die
zunehmende Verwicklung der staatlichen Aufgaben
forderten eigene Organe zu ihrer Bewältigung, die
Lehnsverfassung reichte dafür nicht mehr aus;
zugleich aber entsprach dem Interesse des fürst-
lichen Absolutismus weit mehr die einheitliche
Administration mittels einzusetzender und absetz-
barer Beamten, als die Überlassung staatlicher
Funktionen an mächtige Vasallen oder Korpo-
rationen. Der gesteigerte Inhalt des staatlichen
Lebens in Verbindung mit der wachsenden Be-
deutung des römischen Rechts machte sodann eine
berufsmäßige Ausbildung dieser Beamten nötig.
Jahrhundertelang hatten Geistlichkeit und Adel
der Krone ihre Räte und die Vollstrecker ihres
Willens geliefert, jetzt schob sich langsam, aber
stetig zwischen die alten historischen Stände, sie
sämtlich umspannend, ein neuer Stand, der der
Beamten, hinein; der moderne Staat hatte ihn
geschaffen, er fand in ihm seine eigentlichen Ver-
treter, welche, durch gleichartige Bildung und ge-
meinsame Interessen verbunden, endlich auch durch
gesetzliche Reglung ihrer Rechte und Ansprüche sich
mehr und mehr gegen die übrigen Stände ab-
schlossen (vgl. den Art. Amt, Beamter, Staats-
diener).
Nicht die unvermeidliche Folge, wohl aber die
bei der Mangelhaftigkeit menschlicher Dinge er-
klärliche Kehrseite dieser Entwicklung bildet nun,
jene Eigentümlichkeit oder jener Inbegriff von
Erscheinungen, welche man mit dem Namen
Bureaukratie zu stigmatisieren pflegt. Gegenüber
der Mannigfaltigkeit und Ungleichheit der sozialen,
Bulle — Bureaukratie.
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zumal der wirtschaftlichen Interessen sind die
Beamten Repräsentanten des allgemeinen, des
umfassenden staatlichen Zwecks; aber während sie
selbst nur Mittel sein sollen für diesen Zweck,
Organe des spezifisch staatlichen Lebens, während
sie als die Regierenden nur da sind um der Re-
gierten willen, verkehrt sich gelegentlich dieses Ver-
hältnis in sein Gegenteil: die gegliederte Beamten-
hierarchie fühlt sich selbst als Staat, ihr Dasein
erscheint ihr als Selbstzweck, ihre wenn auch
noch so mechanische Tätigkeit, der „Dienst"“, gilt
als das wirkliche Leben des politischen Körpers.
Und sehr natürlich wird nun dieser Dienst, zu-
mal auf den unteren Stufen, sich überwiegend zu
einem völlig mechanischen gestalten. Die wirk-
lichen Ziele der Staatsverwaltung treten zurück,
die Erledigung der Aktennummer erscheint als die
Hauptsache, ein leerer Formalismus, eine über-
flüssige Vielschreiberei füllt die Zeit aus. Das
Publikum, das in Verfolgung seiner Interessen
auf den Verkehr mit den Behörden angewiesen
ist, stößt, statt Förderung zu finden, auf Weite-
rungen und Schwierigkeiten oder gar auf ein
barsches, abweisendes Verhalten. Schlimmer noch
ist es, wenn das bureaukratisch ausgeartete Be-
amtentum sich unfähig erweist, den an dasselbe
herantretenden Aufgaben zu genügen, wenn die
geforderte Leitung und Hilfe sofort versagt, wo
die Ausführung über die hergebrachte Schablone
und die gewohnheitsmäßige Geschäftspraxis
hinausgeht.
Zu der Unfähigkeit gesellt sich sodann noch ein
anderes Moment. Die Beamten vertreten den
modernen Staat in seiner abstrakten Allgemein-
heit und seiner allumfassenden, überall eindringen-
den Gewalt; daher nicht selten eine Feindschaft
gegen alles, was sich dieser abstrakten All-
gemeinheit nicht fügen will. Damit hängt der
unhistorische Sinn zusammen, welcher der Bureau-
kratie als solcher eignet und dem jede gewachsene
Eigentümlichkeit, die sich nicht mühelos in die
hergebrachten Formen einordnen läßt, ein Greuel
ist. Ganz besonders aber pflegt sich der Haß der
Bureaukratie gegen Korporationen zu richten,
welche ihre lebendige Tätigkeit und ihr autonomes
Wirken gegen fremde Eingriffe und obrigkeitliche
Bevormundung zu wahren wissen. Hier liegt einer
der Faktoren, denen es zuzuschreiben ist, daß
kirchenpolitische Streitigkeiten, wie es scheint, nie-
mals aussterben sollen. Selbst in der Periode,
welche für die katholische Kirche in Preußen die
friedlichste und sowohl wegen der erkämpften ver-
fassungsmäßigen Freiheit als insbesondere wegen
der wohlwollenden Gesinnung Friedrich Wil-
helms IV. einer ungehemmten Entwicklung för-
derlichste war, begegnen uns auf seiten berufener
Vertreter unausgesetzte Klagen, daß die preußische
Bureaukratie diese Entwicklung mit mißgünstigem
Auge betrachte und ihr, wo nur immer möglich,
auf dem Weg der Verwaltung Schwierigkeiten
und Hindernisse zu bereiten suche (vgl. Baudri,