Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

1067 
in der Angelegenheit der Städte seine Hauptstütze 
gegen Papst und Fürsten. Die Staufer haben 
ihre mit dem Städtewesen in Italien gemachten 
Erfahrungen auf Deutschland übertragen und, 
auf die Hilfe der Fürsten angewiesen, manches 
städtefeindliche Gesetz erlassen. So eiferte der 
Wormser Reichstag von 1231 gegen die Aus- 
dehnung städtischer Gerichtsbarkeit und das Pfahl- 
bürgertum, gegen Ratsobrigkeiten ohne Einwilli- 
gung des Stadtherrn, gegen die coniurationes 
der Handwerker usw. Später erwiesen sich die 
Staufer den Städten günstig. Die in Schwaben 
wurden unmittelbar Kaiser und Reich unterstellt. 
Die Städte am Nhein und an der Donau wurden, 
da die Bischöfe meist auf päpstlicher Seite standen, 
mit Freibriefen beschenkt, damit sie in den bürger- 
lichen Kämpfen gegen die Stadtherren zur kaiser- 
lichen Partei hielten. Die Städte rissen die Amter 
an sich, so daß den Bischöfen höchstens ein Be- 
stätigungsrecht blieb. Oft benutzten die Städte 
auch die durch dieselben Kriege und Zwistigkeiten 
herbeigeführte Geldnot der Herrscher zur Erwer- 
bung von Handfesten, denn die politische Bedeu- 
tung der Städte beruhte hauptsächlich auf ihrer 
finanziellen Ubermacht. Die erschütterte Rechts- 
ordnung im 13. Jahrh. veranlaßte die Städte, mit 
den Waffen in der Hand ihre Interessen, ihren 
Verkehr zu schützen und zahlreiche Fehden mit dem 
Adel, sei es allein, sei es in Städtebündnissen ver- 
einigt, auszutragen. 
Die in den Zunftkämpfen erfolgte Ausgleichung 
der sozialen Gegensätze verschaffte den süddeutschen 
städtischen Republiken dem Adel gegenüber große 
Widerstandskraft. Die Versöhnung der Stände, 
die Bildung gemischter Verfassungen gab den 
Städten die Ruhe und Sicherheit des Auftretens 
wieder, so daß man noch für das 15. Jahrh. be- 
haupten kann, Fürsten und Ratsherren rangen da- 
mals um den Vortritt der politischen Führung der 
Nation. Wie schon oben angedeutet, wurde das 
Pfahlbürgertum zu einem heftigen Kampfobjekt 
zwischen Fürsten und Städten. Auf Antrag der 
Herrschaften schritten die Kaiser gegen das Pfahl- 
bürgertum ein, so schon 1231, dann in der Gol- 
denen Bulle von 1356 c. 16, in den Reichs- 
abschieden von 1529, 1544, 1555. Anderseits 
versprachen auch die Städte mitunter, das In- 
stitut einschränken zu wollen. So erklärten 1254 
im Rheinischen Bund die Städte, nur jene als 
Pfahlbürger anerkennen zu wollen, welche das 
ganze Jahr Feuer und Rauch in der Stadt hielten 
und sich höchstens für die Zeit der Weinlese auf 
eine bestimmte Zeit aufs Land begaben. Auch 
beim Städtekrieg von 1388 war ein Hauptgrund 
die Frage, ob die Städte ihre Annexionen in Form 
des ritterlichen Ausbürgertums fortsetzen dürften, 
während sie selbst oft genug unberechtigt entwichene 
Untertanen den Herrschaften vorenthielten („Luft 
macht frei“, für Jahr und Tag anerkannt im Land- 
friedenvon 1281) und deshalb häufig mit dem sie zu- 
rückfordernden Adel in Fehden verwickelt wurden. 
  
  
Bürgerstand. 
  
1068 
Schon die Ereignisse des Jahrs 1388 hatten 
das Wachstum der Städte den Landesherren 
gegenüber gehemmt. Der Städtekrieg von 1449 
und 1450 leitete den Rückgang der städtischen 
Macht ein. Die Landeshoheit wurde aus- 
schließlich Grundlage der deutschen Verfassung. 
Anderseits hatten aber auch die Fürsten nicht ver- 
mocht, die Städte in den Kreis ihrer Landeshoheit 
mit hineinzuziehen. In dem Maß, wie diese ihrer 
Vollendung entgegenschritt, entwickelten sich die 
Städte zu selbständigen kleinen Freistaaten. Sie 
fügten sich den größeren Territorien als Territo- 
rien von minderer Bedeutung ein, in welchen die 
Landeshoheit den Städteobrigkeiten zustand. Auf 
dem Reichstag erhielten die Reichsstädte Vertre- 
tung (dritte Bank, — Anfänge davon schon unter 
Rudolf von Habsburg), in den Territorien die 
Landstädte, indem in den Landständen die Bürger- 
chaft als geschlossener Stand der Ritterschaft an 
die Seite trat. Wie seinerzeit die Reichsstädte von 
der Reichsgewalt, so erhielten die Landstädte von 
der Landeshoheit Privilegien als Lohn für ihren 
Beistand in den Kämpfen mit den Feudalherren 
und Dynasten. Die Privilegien bezogen sich regel- 
mäßig auf ausschließlichen Betrieb vieler Gewerbe 
und Erweiterung der Bannmeile (Vorrecht, wo- 
nach städtische Gewerbe, namentlich Brauerei, 
außer der Stadt in dem Umkreis von einer Meile 
nicht geduldet wurden). Die Aussicht, daß Städte 
und Reichsritterschaft als Unterhaus dem fürst- 
lichen Oberhaus ein Gegengewicht hätten bilden 
können, war, wie bemerkt, zerstört. Ubrigens hat 
nicht das Ringen mit dem hohen und niedern Adel 
die Städtemacht gebrochen, sondern die Gestaltung 
der auswärtigen Verhältnisse, das seit dem Sinken 
des Kaisertums mächtige Aufblühen der National- 
staaten. Endlich aber brach die Umgestaltung des 
Welthandels die merkantile Kraft der großen deut- 
schen Plätze und lähmte damit auch ihre politische 
Widerstandsfähigkeit. 
Daß nänllich die deutschen Städte zu Ausgang 
des Mittelalters eine so bedeutende Rolle spielten, 
der zufolge sie mit den Fürsten um den Vortritt 
in der politischen Führung der Nation rangen, 
hängt (außer mit dem Verfall des Kaisertums, der 
überhaupt die Verdrängung der Monarchie durch 
eine Oligarchie mit monarchischer Spitze seit 1356 
erklärt) mit äußern und innern, insbesondere 
wirtschaftlichen Verhältnissen zusammen. Weder 
England noch Frankreich hatten über ihre Grenzen 
hinaus eine solche Kette von Verkehrsplätzen ge- 
schoben, wie die deutsche Kaufmannschaft nach 
Norden und Osten jenes Netz von Märkten und 
Städtekolonien, das die Kräfte und Erträgnisse 
ferner Handelsgelegenheiten von einem gewissen 
Punkt ab weniger dem Reich als den Städten des 
Reichs zuführte, so daß die übermäßige Entwick- 
lung des einen Organs die Gesamtentwicklung 
verschob. Die gewaltige Stellung der Hansa kehrte 
von Anfang an den innerdeutschen Interessen fast 
ganz den Rücken. Sie vergaß über der Verfol- 
—
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.