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in der Angelegenheit der Städte seine Hauptstütze
gegen Papst und Fürsten. Die Staufer haben
ihre mit dem Städtewesen in Italien gemachten
Erfahrungen auf Deutschland übertragen und,
auf die Hilfe der Fürsten angewiesen, manches
städtefeindliche Gesetz erlassen. So eiferte der
Wormser Reichstag von 1231 gegen die Aus-
dehnung städtischer Gerichtsbarkeit und das Pfahl-
bürgertum, gegen Ratsobrigkeiten ohne Einwilli-
gung des Stadtherrn, gegen die coniurationes
der Handwerker usw. Später erwiesen sich die
Staufer den Städten günstig. Die in Schwaben
wurden unmittelbar Kaiser und Reich unterstellt.
Die Städte am Nhein und an der Donau wurden,
da die Bischöfe meist auf päpstlicher Seite standen,
mit Freibriefen beschenkt, damit sie in den bürger-
lichen Kämpfen gegen die Stadtherren zur kaiser-
lichen Partei hielten. Die Städte rissen die Amter
an sich, so daß den Bischöfen höchstens ein Be-
stätigungsrecht blieb. Oft benutzten die Städte
auch die durch dieselben Kriege und Zwistigkeiten
herbeigeführte Geldnot der Herrscher zur Erwer-
bung von Handfesten, denn die politische Bedeu-
tung der Städte beruhte hauptsächlich auf ihrer
finanziellen Ubermacht. Die erschütterte Rechts-
ordnung im 13. Jahrh. veranlaßte die Städte, mit
den Waffen in der Hand ihre Interessen, ihren
Verkehr zu schützen und zahlreiche Fehden mit dem
Adel, sei es allein, sei es in Städtebündnissen ver-
einigt, auszutragen.
Die in den Zunftkämpfen erfolgte Ausgleichung
der sozialen Gegensätze verschaffte den süddeutschen
städtischen Republiken dem Adel gegenüber große
Widerstandskraft. Die Versöhnung der Stände,
die Bildung gemischter Verfassungen gab den
Städten die Ruhe und Sicherheit des Auftretens
wieder, so daß man noch für das 15. Jahrh. be-
haupten kann, Fürsten und Ratsherren rangen da-
mals um den Vortritt der politischen Führung der
Nation. Wie schon oben angedeutet, wurde das
Pfahlbürgertum zu einem heftigen Kampfobjekt
zwischen Fürsten und Städten. Auf Antrag der
Herrschaften schritten die Kaiser gegen das Pfahl-
bürgertum ein, so schon 1231, dann in der Gol-
denen Bulle von 1356 c. 16, in den Reichs-
abschieden von 1529, 1544, 1555. Anderseits
versprachen auch die Städte mitunter, das In-
stitut einschränken zu wollen. So erklärten 1254
im Rheinischen Bund die Städte, nur jene als
Pfahlbürger anerkennen zu wollen, welche das
ganze Jahr Feuer und Rauch in der Stadt hielten
und sich höchstens für die Zeit der Weinlese auf
eine bestimmte Zeit aufs Land begaben. Auch
beim Städtekrieg von 1388 war ein Hauptgrund
die Frage, ob die Städte ihre Annexionen in Form
des ritterlichen Ausbürgertums fortsetzen dürften,
während sie selbst oft genug unberechtigt entwichene
Untertanen den Herrschaften vorenthielten („Luft
macht frei“, für Jahr und Tag anerkannt im Land-
friedenvon 1281) und deshalb häufig mit dem sie zu-
rückfordernden Adel in Fehden verwickelt wurden.
Bürgerstand.
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Schon die Ereignisse des Jahrs 1388 hatten
das Wachstum der Städte den Landesherren
gegenüber gehemmt. Der Städtekrieg von 1449
und 1450 leitete den Rückgang der städtischen
Macht ein. Die Landeshoheit wurde aus-
schließlich Grundlage der deutschen Verfassung.
Anderseits hatten aber auch die Fürsten nicht ver-
mocht, die Städte in den Kreis ihrer Landeshoheit
mit hineinzuziehen. In dem Maß, wie diese ihrer
Vollendung entgegenschritt, entwickelten sich die
Städte zu selbständigen kleinen Freistaaten. Sie
fügten sich den größeren Territorien als Territo-
rien von minderer Bedeutung ein, in welchen die
Landeshoheit den Städteobrigkeiten zustand. Auf
dem Reichstag erhielten die Reichsstädte Vertre-
tung (dritte Bank, — Anfänge davon schon unter
Rudolf von Habsburg), in den Territorien die
Landstädte, indem in den Landständen die Bürger-
chaft als geschlossener Stand der Ritterschaft an
die Seite trat. Wie seinerzeit die Reichsstädte von
der Reichsgewalt, so erhielten die Landstädte von
der Landeshoheit Privilegien als Lohn für ihren
Beistand in den Kämpfen mit den Feudalherren
und Dynasten. Die Privilegien bezogen sich regel-
mäßig auf ausschließlichen Betrieb vieler Gewerbe
und Erweiterung der Bannmeile (Vorrecht, wo-
nach städtische Gewerbe, namentlich Brauerei,
außer der Stadt in dem Umkreis von einer Meile
nicht geduldet wurden). Die Aussicht, daß Städte
und Reichsritterschaft als Unterhaus dem fürst-
lichen Oberhaus ein Gegengewicht hätten bilden
können, war, wie bemerkt, zerstört. Ubrigens hat
nicht das Ringen mit dem hohen und niedern Adel
die Städtemacht gebrochen, sondern die Gestaltung
der auswärtigen Verhältnisse, das seit dem Sinken
des Kaisertums mächtige Aufblühen der National-
staaten. Endlich aber brach die Umgestaltung des
Welthandels die merkantile Kraft der großen deut-
schen Plätze und lähmte damit auch ihre politische
Widerstandsfähigkeit.
Daß nänllich die deutschen Städte zu Ausgang
des Mittelalters eine so bedeutende Rolle spielten,
der zufolge sie mit den Fürsten um den Vortritt
in der politischen Führung der Nation rangen,
hängt (außer mit dem Verfall des Kaisertums, der
überhaupt die Verdrängung der Monarchie durch
eine Oligarchie mit monarchischer Spitze seit 1356
erklärt) mit äußern und innern, insbesondere
wirtschaftlichen Verhältnissen zusammen. Weder
England noch Frankreich hatten über ihre Grenzen
hinaus eine solche Kette von Verkehrsplätzen ge-
schoben, wie die deutsche Kaufmannschaft nach
Norden und Osten jenes Netz von Märkten und
Städtekolonien, das die Kräfte und Erträgnisse
ferner Handelsgelegenheiten von einem gewissen
Punkt ab weniger dem Reich als den Städten des
Reichs zuführte, so daß die übermäßige Entwick-
lung des einen Organs die Gesamtentwicklung
verschob. Die gewaltige Stellung der Hansa kehrte
von Anfang an den innerdeutschen Interessen fast
ganz den Rücken. Sie vergaß über der Verfol-
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