Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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(Sprachlinie), aufsucht und die von denselben 
ausgehenden Linien bis zu ihrem Schnittpunkt 
verfolgt, so findet man an dieser Stelle den in 
der Chiffreschrift zu substituierenden Buchstaben. 
In dieser Weise fährt man fort, indem man das 
Wahlwort immer von neuem gebraucht. Beim 
Dechiffrieren sucht man dann den ersten Buch- 
staben des Wahlworts in der Wahllinie, den 
ersten der Chiffreschrift in der von jenem aus- 
gehenden Horizontallinie: der über diesem in der 
Sprachlinie stehende ist alsdann der Buchstabe 
der Klarschrift. Eine andere Methode verwendet 
die Vokalchiffretafel. Jeder auszudrückende Buch- 
stabe wird durch jene zwei Vokale bezeichnet, die 
in derselben letzten Reihe links vertikal und über 
ihm horizontal stehen. 
Bei der Schablonenchiffre muß der Dechiffreur 
eine gleiche Schablone besitzen, die er auf den chiff- 
rierten Text auflegt, wodurch er die richtige Auf- 
einanderfolge der Buchstaben findet. Was nicht 
in der Schablone erscheint, bleibt unberücksichtigt. 
Die Silbenchiffre wird in der Weise angewendet, 
daß nur gewisse Silben des Kontextes als geltend 
vereinbart werden. Die Buchchiffre ist zwar um- 
ständlich, jedoch sehr verläßlich. Beide Korrespon- 
denten müssen genau dasselbe Buch haben. Jeder 
Buchstabe besteht aus drei Zahlen, der Seitenzahl, 
Zeilenzahl und Buchstabenzahl. Dieses System 
wurde von der Chiffrier= und Dechiffrierkunst als 
telegraphisches Chiffriersystem vervollständigt (Lexi- 
konchiffren, Chiffrierwörterbücher, Chiffrierappa= 
rate usw.). Das internationale Telegraphenbureau- 
in Bern hat ein eigenes Chiffrierlexikon ausge- 
arbeitet, in welchem jedes Wort sowie jedes 
Schrift= und Zahlenzeichen durch eine Zahlen- 
oder eine Buchstabengruppe bezeichnet wird. Zu- 
folge Vereinbarung der internationalen Tele- 
graphenkonferenz in Rom 1872 wird jedes ein- 
zelne Zeichen einer chiffrierten Depesche als ein 
Wort betrachtet und berechnet, während bei Ge- 
heimtelegrammen, die nur aus Buchstaben oder 
aus Ziffern bestehen, im europäischen Taxierungs- 
verfahren fünf Zeichen als ein Wort gelten. 
Literatur. J.L. Klüber, Krytographik (1809); 
Meißner, Die Korrespondenz in Chiffern (1849); 
Krohn, Buchstaben= u. Zahlensysteme für die Chiff- 
rierung von Telegrammen usw. (1873); Vesin de 
Romani, La Cryptographie dévoilée (1875); 
Niethe, Telegraph. Chiffriersystem (1877); Walter, 
Chiffrier= u. Telegraphiersystem (1877); Fleißner, 
Handbuch der Kryptographik (1881); Katscher, 
Deutsches Chiffrier-Wörterbuch (1889); Groß, 
Handb. für Untersuchungsrichter (711904); Staudt 
u. Hundius, Telegraphenschlüssel, hauptfächlich für 
die kaufmänn. Korrespondenz; Chiffrierbuch für 
Telegramme u. Korrespondenz in Ziffern (1893). 
LLentner.) 
Chile. 1. Geschichte. Chile, Republik an 
der Westküste Südamerikas, wurde von Peru aus 
durch die Spanier entdeckt und erobert; 1535 
unterwarf Diego Almagro die nördlichen Provin- 
zen; am 25. Febr. 1541 gründete Pedro de Val- 
Chile. 
  
1096. 
divia die Stadt Santiago di Nueva Estremadura. 
Er drängte die Araukaner hinter den Biobio und 
legte Kolonien (Valdivia) an, fand aber bei einer 
Empörung der grausam unterdrückten Eingebor- 
nen 1553 den Tod. Sein Nachfolger Mendoza 
schlug den Aufstand nieder und setzte das Er- 
oberungswerk fort: 1559 wurde Chiloé, später 
die Inselgruppe Juan Fernandez entdeckt. Die 
Spanier mußten ihre neubegründete Herrschaft 
nicht nur gegen die Indianer, sondern auch gegen 
die mit jenen verbündeten Engländer (Drake 1578) 
und Holländer verteidigen; auch Flibustier ver- 
wüsteten die Küsten von Juan Fernandez aus, 
wo sie sich eingenistet hatten. Obgleich im Jahr 
1640 ein durch den Jesuiten Valdivia vermittelter 
Vertrag den Biobio als Grenze zwischen dem 
spanischen und dem indianischen Gebiet festsetzte, 
erneuerten die von den Holländern unterstützten 
Araukaner die Befreiungskämpfe immer wieder, 
bis sie im Frieden von 1775 das Recht erhielten, 
in Santiago einen Abgeordneten zu halten, der 
ihre Interessen wahrnehmen sollte. Trotzdem ver- 
suchten sie 1792 sich Valdivias zu bemächtigen, 
wurden aber von dem Gouverneur O“Higgins in 
ihrem eigenen Gebiet angegriffen und zur Ruhe 
gebracht. 
Seit 1797 bildete Chile eine vom Vizekönig- 
reich Peru unabhängige Generalkapitanie mit 
besonderer Verwaltung; aber der Wunsch nach 
völliger Selbständigkeit wurde immer reger und 
ließ eine sog. Patriotenpartei entstehen. In Sant- 
iago trat eine Junta zusammen, welche am 
18. Sept. 1810 das Land für unabhängig 
erklärte und einen Chilenen, den Marquis de la 
Plata, zum Präsidenten wählte. Die spanische 
Regierung hatte jedoch im Klerus und dem niedern 
Volk noch einen starken Rückhalt: nach vierjäh- 
rigem blutigem Bürgerkrieg war sie wieder Herrin 
des Landes. Erst als der General San Martin 
1817 von Buenos Aires her ein Independenten- 
heer über den Paß von Uspallata zu Hilfe ge- 
führt hatte, erlangte die Unabhängigkeitspartei 
durch die Siege im Tal von Chacabuco am 
12. Febr. 1817 und am Maipo (5. April 1818) 
die Oberhand. Der Admiral der Republik, Lord 
Cochrane, eroberte 1820 Valdivia, und den Spa- 
niern blieb schließlich nur noch Chiloé, dessen 
letztes Bollwerk, das Kastell von San Carlos, erst 
1826 fiel. 
Auch Chile blieb in den ersten Jahren seiner 
Selbständigkeit von innern Wirren und äußern 
Verwicklungen nicht verschont, aber im Gegensatz 
zu den übrigen spanisch-amerikanischen Republiken 
gelangte es bald in die Bahn ruhiger Entwicklung. 
An Stelle der ersten Konstitution vom Jahr 1824 
trat 1828 eine zweite, welche schon am 25. Mai 
1833 dahin abgeändert wurde, daf die öffentliche 
Gewalt zwischen der aus dem Präsidenten, dem 
Staatsrat und dem Ministerium gebildeten Re- 
gierung und dem aus Senat und Deputierten- 
kammer bestehenden Kongreß geteilt ward. Als
	        
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