Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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der General Santa Cruz Bolivia und Peru ver- 
einigt hatte und das Inkareich wiederherstellen 
wollte, erklärte ihm Chile im Verein mit Argen- 
tinien den Krieg, der 1889 mit dem Sturz des 
„Pazifikators“ endete. Unter der Präsidentschaft 
des Generals Bulnes wurde Chile endlich am 
25. April 1844 von Spanien als unabhängiger 
Freistaat anerkannt. Durch günstige Handelsver- 
träge mit Spanien und Neugranada 1844, mit 
Belgien und Frankreich 1847 und mit Peru 1848 
hob Chile seinen Handel und seinen Einfluß in 
Südamerika. Auch unter der konservativen Verwal- 
tung von Manuel Montt 1851/61 blieb es von 
den Wirren der übrigen südamerikanischen Repu- 
bliken verschont, und Ackerbau, Bergbau, Handel 
und Schiffahrt blühten auf. Das Land erhielt 
ein Zivilgesetzbuch, Handelsgerichte, Gemeinde- 
verwaltung und Geldinstitute zur Hebung des 
Handels und der Industrie; der Zehnt wurde in 
eine Grundsteuer für Kirche und Schule verwan- 
delt und mit England am 30. Nov. 1856 ein 
Vertrag auf Grundlage gegenseitiger Handels- 
freiheit geschlossen. 
Unter dem nächsten Präsidenten Perez entstan- 
den Verwicklungen mit dem Ausland. Zunächst 
kam es 1864 zu Auseinandersetzungen mit Boli- 
via wegen der Guano= und Salpeterlager an der 
Küste von Atacama, dann aber zu einem offenen 
Krieg mit Spanien, welches den Chilenen feind- 
liches Verhalten in seinem Zwist mit Peru zum 
Vorwurf machte. Ein spanisches Geschwader er- 
schien im Herbst 1865 an der Küste und bombar- 
dierte am 31. März des nächsten Jahrs Valpa- 
raiso. Erst im Juli 1869 wurde unter Vermitt- 
lung der Vereinigten Staaten und unter Fest- 
setzung eines Schadenersatzes für das Bombarde- 
ment ein Waffenstillstand auf zwei Jahre ge- 
schlossen, dem 1871 der Friede folgte. 
Den Ausschwung, den die innere Entwicklung 
in den nächsten Jahren nahm, unterbrach 1879 
ein Krieg mit Bolivia und Peru, der die Lei- 
stungsfähigkeit des Landes auf eine harte Probe 
stellte. Durch einen Vertrag von 1874 hatte Chile 
auf die Küste von Caracoles und Antofagasta ver- 
zichtet, dagegen hatte ihm Bolivia das Recht zu- 
gestanden, die dortigen Guano= und Salpeter- 
lager sowie Silberbergwerke auszubeuten, und 
versprochen, innerhalb 25 Jahren keine neuen 
Steuern aufzulegen. Die glänzenden Erfolge des 
chilenischen Betriebs erregten jedoch bald den Neid 
Perus und besonders des Präsidenten Daza von 
Bolivia, der Anfang 1879, gestützt auf ein Bünd- 
nis mit Peru, die chilenischen Werke und Fabriken 
mit hohen Steuern belegte, und als diese nicht 
sofort bezahlt wurden, die Anlagen konfiszierte. 
Chile besetzte daher die Plätze Antofagasta, Me- 
jillones, Cobija und Tocopilla, beanspruchte alles 
Gebiet bis zum 28. Breitegrad als Eigentum und 
erklärte am 5. April 1879 Peru und Bolivia 
den Krieg. Die Chilenen landeten im südlichen 
Peru, erstürmten nach den Siegen bei Dolores 
Chile. 
  
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(19. Nov. 1879) und Tacna (27. Mai 1880) 
am 7. Juni Arica und besetzten im Jan. 1881 
die Hauptstadt Lima und den Hafen Callao. So 
endete dieser sog. „Salpeterkrieg“ nach 21mona- 
tiger Dauer zugunsten Chiles; ein definitiver 
Friede konnte aber bei dem Mangel einer aner- 
kannten Regierung in den besiegten Ländern erst 
nach vielen Schwierigkeiten und neuen Kämpfen 
mit Peru am 30. Okk 1883 und mit Bolivia 
am 4. April 1884 vereinbart werden. Peru trat 
die Provinz Tarapaca ab (50 000 qkm mit 
45 086 Einwohnern) und überließ Tacna und 
Arica (22 500 qkm mit 29 523 Einwohnern) auf 
10 Jahre an Chile, nach deren Ablauf eine Volks- 
abstimmung über ihre Zugehörigkeit entscheiden 
und der zurückstehende Teil eine Entschädigung 
von 10 Mill Silberdollars erhalten sollte. Von 
Bolivia erhielt es Antofagasta (158 000 qkm mit 
21 213 Einwohnern). Während des Kriegs war 
auch ein alter Grenzstreit mit Argentinien 
wegen Patagoniens durch Vertrag vom 23. Juli 
1881 geschlichtet worden: Chile erhielt den west- 
lich von den Kordilleren gelegenen schmalen Küsten- 
saum mit den vorliegenden Inseln und den west- 
lichen Teil des Feuerlands, 195 000 qkm mit 
2085 Einwohnern. Der Vertrag schuf aber keine 
endgültigen Rechtsverhältnisse, vielmehr kam man 
erst 1895 bezüglich des Feuerlands zu einem 
dauernden Besitzstand. Die Grenze in den nörd- 
licheren Teilen wurde jahrelang von Kommissionen 
ergründet, die, je nachdem sie Argentinien oder 
Chile vertraten, ihrem Land günstige Aufstellungen 
machten. 1896 einigte man sich auf schiedsgericht- 
liche Erledigung, die 1899 zum Abschluß kam. Im 
Juli 1888 nahm die chilenische Regierung von 
der einsam im Stillen Ozean gelegenen Osterinsel 
Besitz. Unter dem Präsidenten José Manuel 
Balmaceda brach infolge diktatorischer Behand- 
lung des Kongresses, durch diesen veranlaßt, 1891 
ein Aufstand aus. Das Kongreßheer schlug die 
Regierungstruppen in mehreren Schlachten, haupt- 
sächlich dank der Führung durch den deutschen 
Instruktor Körner. Balmaceda, der in der letzten 
Zeit wie ein Tyrann gewirtschaftet hatte, wurde 
so bedrängt, daß er sich selbst den Tod gab. Hier- 
auf wurde Jorge Montt Präsident. Ein Ma- 
trosenzank in Valparaiso führte beinahe einen 
Konflikt mit den Vereinigten Staaten herbei 
(1892). Die wegen der Provinzen Tacna und 
Tarapacá für 1894 angesetzte Vertragsreglung 
mit Peru steht noch aus; mit Bolivia wurde zwar 
1895 Friede geschlossen, doch kam es mit diesem 
Land unter dem Präsidenten Errdzuriz (1896 bis 
1901) sowie mit Peru zu neuen Streitigkeiten 
wegen der Bestimmung des Friedens von 1884. 
Mit Argentinien drohte 1901 Krieg, doch machte 
der Schiedsspruch des Königs von England 1903 
dem Konflikt eine Ende. Beide Teile beschlossen 
auch eine vorbildliche Einschränkung der Rüstungen 
zur See, doch hielt das nicht lange an. Von 1901 
bis 1906 war Riesco Präsident; ihm folgte Pedro
	        
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