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Die Zusammensetzung der Armee beruht auf
dem Gesetz vom Sept. 1900, wonach alle dienst-
fähigen Bürger dienstpflichtig sind. Dienstdauer
je nach der zeitweilig geltenden Verordnung. No-
minelle Stärke des stehenden Heeres 1906 18000
Mann (Kriegsstärke bis zu 150 000 Mann).
Effektive Stärke 1906: 849 Offiziere, 9052
Mann. Reserve: 2350 Offiziere, 31000 Mann.
Die Flotte zählt 1 Panzerschiff, 2 Panzerkreuzer,
4 geschützte Kreuzer, 3 Torpedokreuzer, 6 Tor-
pedojäger, 16 Torpedobootemit zusammen 151300
Pferdekräften, einem Gehalt von 42 555 R.-T.
und einer Bemannung von etwa 4600 Mann.
Im Kriegsfall muß die staatlich unterstützte Com-
pañia Sudamericana de vapores ihre 21 Schiffe
für Transporte zur Verfügung stellen.
Das Wappen der Republik zeigt einen von
blau über rot quergeteilten Schild, der in der
Mitte mit einem silbernen, fünfstrahligen Stern
belegt ist. Schildhalter sind rechts ein Huemul
(Art Reh), links ein Kondor mit goldener Krone;
auf dem Schild stecken drei Straußenfedern. Die
Nationalfarben sind Weiß-Blau-Rot. Die Flagge
ist quergeteilt: der untere Streifen ist rot; der
obere zeigt im ersten, blauen Drittel (am Stock)
einen weißen, fünfstrahligen Stern; im übrigen
ist er weiß.
Das Deutsche Reich ist in Chile vertreten durch
einen außerordentlichen Gesandten und bevoll-
mächtigten Minister, durch Konsuln in Antofa-
gasta, Concepciön, Jquique, Punta Arenas, Sant-
iago, Tacna, Taltal, Valdivia, Valparaiso, und
Vizekonsuln in Pisagua, Coronel, Osorno und
Puerto Montt. Chiles Vertreter in Deutschland
sind ein außerordentlicher Gesandter und bevoll-
mächtigter Minister in Berlin und die Konsuln in
Berlin, Bremen, Dresden, Frankfurt a. M., Ham-
burg, Hannover, Köln, Leipzig, München, Nürn-
berg, Stettin, Stuttgart, Wiesbaden.
4. Staatskirche ist die römisch-katholische,
jedoch gestattet ein Toleranzgesetz vom 27. Juni
1865 Religionsübung und Errichtung von Schu-
len auch für Nichtkatholiken, deren Zahl ver-
schwindend klein ist. Die Vertreibung der Jesuiten
1768 und besonders der Übergang zur republi-
kanischen Staatsform brachten auch hier der Kirche
schwere Verluste. Ihr Eigentum wurde 1824
eingezogen und die Geistlichkeit auf Staatsgehalt
gesetzt; später hob man auch den Zehnten und die
meisten Klöster auf. 1833 wurden die Friedhöfe
unter Laienaufssicht gestellt, 1884 die Zivilehe
eingeführt. Als die Regierung im Jahr 1883
bei Gelegenheit einer Sedisvakanz das Patronats-
recht der vier Bischofssitze beanspruchte, kam es zu
einem längeren Konflikt mit der Kurie, der 1888
durch Besetzung der erledigten Stühle im Sinn
der Kirche beigelegt wurde. — Das Land bildet eine
Kirchenprovinz Santiago de Chile mit dem 1541
gegründeten Erzbistum Santiago, den Suffragan-
bistümern Concepciön, San Carlos de Ancud, La
Serena sowie den Apostolischen Vikariaten Anto-
Chile.
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fagasta und Tarapaca und der Apost. Präfektur
Araucania. Von Orden wirken neben den Fran-
ziskanern die 1843 zurückberufenen Jesuiten, die
auch in den deutschen Kolonien Sibbhiles seit
1859 die Seelsorge versehen und daselbst am
27. April 1883 eine Erziehungs-= und Unterrichts-
anstalt (Franz-Kaverius-Haus) eröffnet haben.
Kier besitzen auch die Schwestern der christlichen
iebe aus Paderborn ein Hospital, Waisenhaus
und Pensionat nebst acht Niederlassungen. Die
Observanten unterhalten in Chile vier Missions-
kollegien; die Kapuziner haben ein Kollegium in
Santiago.
Für die Erziehung ist in Chile mehr geschehen
als in irgend einem Staat Südamerikas. An der
Spitze der Unterrichtsverwaltung (für höheren
Unterricht) steht ein Unterrichtsrat, bestellt von der
Universität und von der Regierung. Die Landes-
universität besteht in Santiago (vier Fakultäten:
Recht, Medizin, Physik-Mathematik, schöne Wissen-
schaften); in den größeren Orten gibt es Gym-
nasien mit sechs= oder dreijährigen Kursen. Der
Volksschulunterricht ist obligatorisch. An sämt-
lichen vom Staat unterhaltenen Schulen ist der
Unterricht unentgeltlich 1893 bestanden 1196
öffentliche Elementarschulen, daneben an 500
private. Es gibt vier bischöfliche Seminare, ein
Seminar zur Ausbildung von Lehrpersonen. An
Fachschulen sind vorhanden: Akademien der schönen
Künste in Santiago, für Bergbau in Copiapö, für
Handel in Quillota, für Marine in Valparaiso,
eine Militärakademie in Santiago, Steuermanns-
schule in San Carlos de Ancud, zwei Kunst= und
Gewerbeschulen, mehrere Bergbauschulen und zwei
Lehrerseminare unter deutscher Leitung.
5. Auch die materielle Kultur steht hoch über
der aller andern amerikanischen Staaten spanischer
Kolonisierung. Haupterwerbszweige sind die
Landwirtschaft und der Bergbau. Erstere
beschäftigt beinahe die Hälfte der Bevölkerung.
Obwohl die Majorate schon seit 1828 aufgehoben
sind, gibt es doch besonders im mittleren Teil des
Landes (wegen der mangelhaften Bewässerungs-
verhältnisseI) noch weite Latifundien. Vielfach
fehlt es auch an Arbeitskräften (die Sklaverei
wurde 1811 aufgehoben), obwohl die Regierung
stets die Einwanderung begünstigte und schon durch
Gesetz vom 18. Nov. 1845 den fremden Ansied-
lern bedeutende Vorteile gewährt hatte. Die
Hauptprodukte sind Weizen und Gerste, dann
Mais, Bohnen und Kartoffeln. Der Tabakbau
hat sich seit Aufhebung des Monopols (1881) be-
deutend entwickelt, der Weinstock liefert ein vor-
zügliches Getränk. Tropische Früchte werden nur
wenig gezogen, dagegen gedeihen die europäischen
Obstarten vorzüglich; Walnüsse werden in großen
Mengen nach Hamburg exportiert. Die großen
Wälder liefern Nutzhölzer, verschiedene Baum-
rinden, Harze, Früchte und Schlingpflanzen von
großem Wert. Von hoher Bedeutung ist die Vieh-
zucht, und in vielen Gegenden bilden die Rind-