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Gründung von Kirchen und Schulen in den fünf
Hafenorten gestattete und den eingebornen Christen
freie Religionsübung garantierte. Auch der Papst
schloß 1848 ein Abkommen mit China.
Alle diese Verträge gewährten den Ausländern
nur wenig Schutz. Der Haß der Chinesen gegen
alles Fremde wurde immer größer und machte sich
in Aufständen Luft. Schließlich wandte sich die
ganze Erbitterung gegen die herrschende Dynastie,
deren Schwäche in dem Krieg gegen die Eng-
länder offen zutage getreten war, und nur mit
Mühe konnte sich Miannings Nachfolger, sein
ältester Sohn Tschu oder Hienfong („Segens-
fülle"“), auf dem Thron behaupten. Geheime Ge-
sellschaften stifteten allenthalben Aufstände und
proklamierten laut den Sturz der fremden Man-
dschu-Dynastie. Die größte Gefahr erwuchs der-
selben aus dem Taiping-Aufstand, welcher,
veranlaßt durch die üble Lage der Bevölkerung in
Kiangsi, von 1849 bis 1866 das Reich in seinen
Grundfesten erschütterte und erst mit Hilfe der
Westmächte unterdrückt werden konnte. Unter
ihrem Führer Hung-Siutsuen aus Kwangtung
bei Kanton, dem Haupt des Bundes der „Gottes-
verehrer“, begannen die Empörer Tempel und
Götzenbilder zu zerstören. Sie wollten die alte
wahre Religion des Schanti wiederherstellen,
predigten außer dem Sturz des Kaiserhauses eine
sozialistisch-demokratische Anderung der Staats-
gesetze und schrieben auf ihre Banner: Taiping
(„allgemeiner Friede“). Schon im Sept. 1851
ließ sich Lung-Siutsuen zum Kaiser ausrufen, am
19. März 1853 besetzten die Empörer Nanking,
machten es zum Mittelpunkt ihres neuen Reichs
und vernichteten alles, was an die frühere Dy-
nastie und Religion erinnerte (z. B. den Porzellan-
turm). Hung-Siutsuen ließ das Alte und Neue
Testament in vielen Exemplaren drucken und
leistete dem Christentum allen Vorschub, obwohl
er selbst es nicht annahm. Da seiner Regierung
jede Ordnung und Disziplin fehlte, machten die
Aufrührer trotz einzelner Erfolge keine Fortschritte,
verloren vielmehr eine Position nach der andern
an die Regierungstruppen und behaupteten sich
nur mit Mühe in Nanking.
Inzwischen war die chinesische Regierung auch
von anderer Seite in harte Bedrängnis geraten.
Die Nichterfüllung des Vertrags von Nanking
und die fortwährende Belästigung der Fremden
in den Traktatshäfen führten zu Streitigkeiten mit
England und zu einer Beschießung Kantons im
Nov. 1856. Darauf veranlaßte die fortgesetzte
Verfolgung aller Europäer im Aug. 1857 ein
gemeinsames Vorgehen der Engländer und
Franzosen, deren vereinigte Flotte am
28. Dez. Kanton einnahm. Da ihre Forderungen
auch jetzt noch kein Gehör fanden, segelten sie im
April 1858 nordwärts in den Golf von Tschili,
drangen in die Mündung des Peiho ein und er-
oberten die Forts von Taku. Darauf bedrohten
sie Tientsin und erzwangen am 27. Juni 1858
China.
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einen Vertrag zu Tientsin, demzufolge europäische
Gesandte in Peking Zutritt erhalten und an Eng-
land 8, an Frankreich 4 Mill. Dollars Kriegs-
kosten gezahlt werden sollten. Tientsin sollte Frei-
hafen werden und die Ausübung des Christentums
ungehindert sein. Schon vorher wurde Rußland
durch den Vertrag von Aigun (12. Mai 1858)
im Besitz des Amurgebiets bestätigt, das es wäh-
rend der Wirren in China in aller Stille besetzt
hatte. Die Haltung der Chinesen brachte jedoch
den Krieg schon im nächsten Jahr wieder zum
Ausbruch. Am 25. Juni 1859 machten die Eng-
länder einen Angriff auf die Forts am Peiho,
welche die Chinesen in der Zwischenzeit stark be-
festigt hatten, — wurden aber zurückgeschlagen.
Diese Niederlage veranlaßte eine neue englisch-
französische Invasion. Am 11. Aug. 1860 lan-
deten 25000 Mann Engländer und Franzosen
bei Peitang, nördlich vom Peiho, erstürmten die
Forts zu beiden Seiten des Flusses, besetzten
Tientsin und rückten gegen Peking vor. Da sich
die Friedensunterhandlunger zerschlugen, besiegten
die Verbündeten die Hauptmacht der Feinde bei
Palikao und rückten vor Peking. Hier besetzten die
Franzosen am 7. Okt. den kaiserlichen Sommer-
palast und plünderten 3 Tage lang mit unerhörtem
Vandalismus diese wunderbare Schatzkammer un-
ersetzlicher Altertümer und Kunsterzeugnisse. Nun
mußte sich China verpflichten, den Traktat von
Tientsin bis zum 23. Okt. zu erledigen und weitere
16 Mill. Dollars an die Verbündeten zu zahlen.
Zur Strafe für die an gefangenen Europäern ver-
übten Grausamkeiten wurden 600 000 Dollars
für deren Angehörige verlangt und der Sommer-
palast am 18. und 19. Okt. niedergebrannt. Im
März 1861 nahmen ein englischer und ein fran-
zösischer Gesandter Wohnsitz in Peking; schon im
Juli desselben Jahrs folgte ein Vertreter der
Vereinigten Staaten von Amerika.
Am 22. Aug. 1861 starb Hienfong; ihm folgte
sein am 5. Sept. 1855 geborner Sohn Kitsiang
oder Tungtschi („vereinigte Ordnung“) unter
einer von seinem Oheim, dem Prinzen Kong,
geleiteten Regentschaft. Da diese schon am 2. Nov.
1861 gestürzt wurde, war Kong alleiniger Regent
und suchte bei seiner Einsicht und Klugheit dem
Nationalhaß seiner Landsleute kräftig entgegen-
zuwirken. China trat in der nächsten Zeit auch
mit andern europäischen Mächten in nähere Ver-
bindung. Schon am 2. Sept. 1861 kam durch
den Grafen Eulenburg ein für alle Zollvereins-
staaten gültiger chinesisch -preußischer Handels-
vertrag auf die Dauer von 10 Jahren zustande.
Ahnliche Verträge folgten 1862 mit Spanien,
Portugal, Belgien und am 10. Juli 1863 mit
Dänemark. Außer den Gesandten Englands,
Frankreichs und der Vereinigten Staaten von
Amerika zogen 1863 auch Vertreter Rußlands und
Spaniens in Peking ein, während ein portugie-
sischer Gesandter zu Macao und ein preußischer am
2. Juni 1864 zu Schanghaiihren Wohnsitznahmen.