Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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— Inzwischen tobte der Taiping-Aufstand noch 
fort und artete in einen wüsten Raub= und Plün- 
derungskrieg aus. Als die Aufständischen am 
9. Dez. 1861 Ningpo einnahmen und im Februar 
des nächsten Jahrs Schanghai bedrohten, traten 
England und Frankreich, deren Handelsinteressen 
dadurch gefährdet schienen, gegen sie auf. Mit 
ihrer Hilfe wurden die Rebellen 1863 zunächst 
aus den Seeprovinzen vertrieben und verloren 
1864 einen festen Platz nach dem andern, zuletzt 
auch Nanking (19. Juli), wo sich der Gegenkaiser 
vor der Übergabe verbrannte. Die völlige Unter- 
drückung der Taiping, die sich nun über das Land 
zerstreuten, kostete der chinesischen Regierung in 
den nächsten Jahren noch viele Mühe. 
Dazu kamen neue Aufstände, so die Empörung 
der Nienfei (nördlichen Rebellen) von 1867 bis 
1870, namentlich in Schantung, und besonders 
ein mohammedanischer Aufstand. Nachdem sich 
schon 1856 in Jünnan die dort zahlreich wohnen- 
den Islamiten (Pansi) erhoben hatten, brach 1862 
in Schensi ein Aufstand der Dunganen aus. 
Schnell verbreitete sich derselbe über Kansu nach 
Westen bis in die Dsungarei, das Ili-Gebiet und 
Ostturkestan, wo Jakub Beg ein selbständiges 
Chanat Kaschgar gründete und Rußland zur Siche- 
rung seiner Grenze am 4. Juli 1871 Kuldscha 
besetzte. Die Empörung in Jünnan wurde 1872 
blutig unterdrückt; im Norden und Westen dauerte 
der Kampf gegen die Rebellen bis gegen 1878. 
Daneben kam es mit England und besonders mit 
Frankreich öfters zu Auseinandersetzungen, die der 
chinesische Pöbel durch blutige Ausschreitungen 
gegen die Christen verschuldete. Prinz Kong, als 
Beschützer der Fremden beim Volk ebenfalls ver- 
haßt, hielt trotz der großen Schwierigkeiten fest an 
den Verträgen und traf sogar neue Abkommen: 
so am 2. Nov. 1865 mit Belgien, im Sept. 1867 
mit Spanien und 1868 durch eine chinesische Ge- 
sandtschaft mit den Vereinigten Staaten, England, 
Frankreich, dem Norddeutschen Bund und Ruß- 
land; dadurch wurden zwei neue Häfen, Wuhn 
und Wentschou, dem Verkehr geöffnet und weit- 
gehende Zugeständnisse bezüglich der Religions- 
und Handelsfreiheit, des Aufenthalts im Land usw. 
gemacht. Der junge Kaiser übernahm im Febr. 
1873 selbst die Regierung, starb aber schon am 
12. Jan. 1875. Mit ihm erlosch der direkte 
Mannesstamm der Tsing-Dynastie. 
Das Los bestimmte zum Nachfolger seinen vier- 
jährigen Reffen Tsaitien oder Kwangsü„Nach- 
folger des Ruhms"). Die Beziehungen zu den 
auswärtigen Staaten wurden immer besser, be- 
sonders seitdem bei den europäischen Großmächten, 
in Neuyork, Birma und Japan ständige Gesandt- 
schaften errichtet worden waren. Verwicklungen 
mit Japan (1874) und England (1875) wurden 
auf diplomatischem Weg beigelegt, ebenso 1876 
ein Konflikt mit Deutschland. Da außer diesem 
auch die Vertragsmächte energische Bekämpfung 
des See= und Strandräuberunwesens an der chine- 
China. 
  
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sischen Küste verlangten und eine Flotte von 
36 Schiffen im März 1876 zur Landung bereit 
lag, leistete China die geforderte Genugtuung und 
erließ eine Strandordnung. Der Vertrag von 
Tschifu vom 17. Sept. desselben Jahrs versprach 
den Ausländern den Schutz der Regierung bei 
Reisen im Innern, eine Zusatzkonvention zum 
deutsch-chinesischen Handelsvertrag vom 20. Aug. 
1880 ordnete verschiedene Einzelheiten und er- 
öffnete neue Häfen. Rußland hatte 1871 das 
Gebiet von Kuldscha besetzt, zugleich aber ver- 
sprochen, dasselbe zurückzugeben, sobald die Grenze 
gesichert sei. Als nun China nach Niederwerfung 
der Mongolenrebellion (1878) wieder Herr Zen- 
tralasiens geworden war, verlangte es unter ge- 
schickter Benutzung der Verwicklung Rußlands in 
den Krieg mit der Türkei die Herausgabe Kul- 
dschas. Ein nach St Petersburg entsandter chine- 
sischer Unterhändler schloß daselbst einen Vertrag, 
den seine Regierung verwarf. Schon drohte ein 
Konflikt — da gelang es dem klugen Auftreten des 
chinesischen Gesandten in London, Marquis Tseng, 
am 14. Febr. 1881 ein beiden Teilen genehmes 
Abkommen zustande zu bringen. Am 22. März 
1882 unterzeichneten Bevollmächtigte beider Staa- 
ten zu Kuldscha ein Protokoll, nach welchem Ruß- 
land das strittige Gebiet mit Ausnahme einiger 
Landstriche am Saissan-Nor und Schwarzen Ir- 
tysch an China zurückgab. 
China schloß 1885 den Frieden zu Tientsin 
mit Frankreich, womit letzteres als Herr von 
Tonkin bestätigt war. Frankreich erhielt das 
wichtige Zugeständnis offener Landesgrenzen für 
seinen Handel nach Jünnan hin, worauf Eng- 
land für das von ihm besetzte Birma ebenfalls 
offenen Grenzverkehr nach China forderte und er- 
hielt. Opium darf auf diesem Weg aber nicht 
in China eingeführt werden. Zur Einschränkung 
des Opiumhandels wurde 1887 außer dem See- 
Eingangszoll noch ein zweiter Zoll für die 
Händler eingeführt. — Übergehen wir zunächst die 
innern Vorgänge, welche mit der Lage der Mis- 
sionen aufs engste verknüpft sind, und wenden 
uns der Auseinandersetzung zwischen China und 
Japan zu. Letzteres hatte sich 1894 in Unruhen 
gemischt, welche auf der Halbinsel Korea aus- 
gebrochen waren. China fand darin einen Rechts- 
bruch, da es die Oberherrlichkeit über Korea bean- 
spruchte, und ließ ein Heer gegen die bereits dort 
befindlichen japanischen Truppen in Korea ein- 
rücken; die Flotte wurde ebenfalls mobil gemacht. 
Die überlegene japanische Flotte schlug die Schiffe 
jedoch in die Flucht. Erst dann (am 2. Aug.) 
erfolgte die Kriegserklärung. Japans Oberfeld- 
herr Yamagata drängte die Chinesen aus Korea 
und schlug sie entscheidend bei Piöngjang 
(15. Sept.). Gleich darauf folgte die völlige 
Niederlage der chinesischen Flotte an der Jalu- 
Mündung (17. Sept.); Yamagata marschierte 
auf Peking zu, Ojama landete auf Liautung und 
nahm Port Arthur (24. Nov.). Im Februar des
	        
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