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archalischer Despotismus, der sich auf eine Ver-
göttlichung des Herrschers gründet, wie sie in den
Staatsgrundgesetzen der ersten vier Bücher des
Konfutse ausgesprochen ist. Staatsoberhaupt ist
der Kaiser, Tientsi („Sohn des Himmels“),
Hoangti („der Hocherhobene“), der Vater des Vol-
kes, der scheinbar unumschränkter Alleinherrscher
ist, tatsächlich aber durch die zahlreiche Gelehrten-
und Beamtenaristokratie in seiner Machtvollkom-
menheit wesentlich beschränkt wird. Er vereinigt in
sich die höchste priesterliche, richterliche und kriege-
rische Gewalt, wird in abgöttischer Weise verehrt
und erscheint stets in Begleitung eines ungeheuern
Trosses von Garden und Beamten. Und doch hat
er, der unumschränkte Gebieter über Leben und
Tod, noch einen Richter über sich: die Stimme des
Volkes. „Die Kunst, die Herrschaft zu erhalten,
besteht darin, die Gemüter des Volkes sich zu be-
wahren; die Kunst, die Gemüter des Volkes sich
zu bewahren, darin, des Volkes Wünsche und
Bedürfnisse zu erfüllen.“ Landplagen und Em-
pörungen sind die Strafen des erzürnten Himmels
für eine schlechte Regierung: reuig muß der Kaiser
in grobem Kleid Buße tun, um erstere abzuwen-
den. Siegt die Empörung, so hat der Himmel
gesprochen, und alles Volk hängt ihr an. Daher
sind Rebellionen in China alte, oft geübte Mittel,
einer schlechten Herrschaft oder Gesetzgebung ein
Ende zu machen. — Der Kaiser hat eine recht-
mäßige Gemahlin, die den Titel Kaiserin führt;
außerdem noch zwei Nebengemahlinnen (Königin-
nen) und eine große Anzahl anderer Frauen. Den
Anspruch auf den Thron gibt kein Geburtsrecht,
sondern der Wille des Kaisers ernennt aus den
Söhnen der ersten drei Frauen den Nachfolger.
Dieser nimmt beim Regierungsantritt einen neuen
Titel an; nach seinem Tod erhält er wieder einen
andern Namen, unter welchem er in den Staats-
dokumenten erscheint. Die Glieder der kaiserlichen
Familie sind sehr zahlreich, zerfallen in 12 Klassen
und stehen unter dem Ministerium des kaiserlichen
Hauses. Sie genießen von seiten des Staates nur
geringe Auszeichnung, und ihre Einkünfte sind
dementsprechend karg bemessen.
Symbol der kaiserlichen Familie und zugleich
Staatswappen ist ein Drache mit 5 Klauen; die
Prinzen dürfen jedoch nur 4 Klauen im Wappen
führen. Für besondere Verdienste verleiht der
Kaiser den Orden vom kostbaren Stern, den
Zivilverdienstorden, den Drachenorden und den
Orden vom doppelten Drachen. — Die legis-
lative Gewalt übt, ebenso wie die exekutive, der
Kaiser aus: erstere allerdings unter Initiative der
Minister. Ebenso tragen alle Verordnungen und
Regierungsakte seine Unterschriftunderlangen durch
Veröffentlichung in dem Regierungsanzeiger, der
täglich in Peking erscheint und überallhin versandt
wird, Gesetzeskraft.
Die Staatsverwaltung war bis zu dem
Kaiserlichen Edikt vom 6. Nov. 1906 geordnet
nach den Vorschriften des Tatsing-Huitien, eines
China.
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Staatshandbuchs in 920 Bänden. Das Edikt
odnete die Zentralregierung neu. Die beiden ober-
sten Staatskörperschaften sind der Staatsrat
(Kiunkitschu) und das Große Sekretariat (Neko).
Die Mitglieder des ersteren bestehen aus den Prin-
zen, den Mitgliedern des Großen Sekretariats,
dem Ministerpräsidenten und den sonstigen Ver-
waltungschefs; das Großsekretariat aus 6 hohen
Würdenträgern, diese sind je zur Hälfte Chinesen
und Mandschu, während sonst der bisherige Unter-
schied zwischen beiden Stämmen bei der Besetzung
von Stellen aufgehoben wurde. Der früher selb-
ständige Reichsrat wurde 1907 mit dem Großen
Sekretariat verschmolzen.
Diesen höchsten Reichsbehörden untergeordnet
sind die 9 Ministerien (Liupu) oder exekutiven
Departements: das aus dem Tsungli Jamen her-
vorgegangene Departement des Auswärtigen
(Waiwupuy, das Departement der Zivilverwaltung
(Lipu), das Departement des Innern (Mintscheng-
pu), das Finanzministerium (Hupu), das Kultus-
ministerium oder Zeremonienamt (Lipu) mit dem
Musikdepartement oder der kaiserlichen Kapelle,
das Kriegsministerium (Pingpu), das Justizmini-
sterium (Hsingpu), das Departement für Land-
wirtschaft, Handel und Industrie (Nungkung-
schangpu), das Departement für Kolonien (Löfan-
pu). Jedes dieser Kollegien besteht aus 1 Präsi-
denten, 2 Vizepräsidenten und 24 Mitgliedern und
ist innerhalb seines Ressorts von den andern un-
abhängig. Neben diesen Behörden sind noch in
Tätigkeit: das Verkehrsministerium, Unterrichts-
ministerium, das Ministerium des keaiserlichen
Hauses, das Ministerium des kaiserlichen Haus-
haltes, das Zensoramt. Die 60 Mitglieder des
Zensoramts, welches unter 2 Präsidenten steht,
haben das Recht, gegen jede politische und wirt-
schaftliche Maßregel der Regierung Einspruch zu
erheben und selbst dem Kaiser Vorstellungen zu
machen. Dieser „Rat der öffentlichen Zensoren“
hat seine Vertreter in jeder Provinz; dieselben
wohnen teils den Sitzungen der Provinzialbehörden
bei, teils bereisen sie die Landschaften, um über ihre
Wahrnehmungen an den Rat zu berichten. — Min-
der bedeutende und weniger umfangreiche Behörden
sind außerdem der Revisionshof, das Astronomische
Amt, die kaiserliche Akademie der Wissenschaften
(Hanlinyüan) mit zwei Präsidenten, die kaiserliche
Bibliothek, das Bureau der Geschichtschreiber des
Hofs und das der Geschichtschreiber des Reichs,
die Intendantur der Opfer, das kaiserliche astro-
nomische Observatorium u. a.
Behufs der innern Verwaltung zerfällt das
chinesische Reich in 3 Abteilungen. I. Die Man-
dschurei. Das Stammland der regierenden Dy-
nastie ist administrativ in 3 Provinzen geteilt,
Schengking mit Mukden, Kirin und Holung-
kiang. Diese 3 Provinzen haben 1907 neu kon-
stituierte Regierungen erhalten, denen die übri-
gen Provinzialregierungen nachgebildet werden
sollen. II. Das eigentliche China. Die Provinzen