Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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keinem bewußten Gegensatz zueinander, vielmehr 
hatsich eine Art gemeinsamer Volksreligion heraus- 
gebildet, deren Hauptdogmen der Ahnenkult und 
der durch den Buddhismus verbreitete Glaube an 
die Seelenwanderung sind. — Der Islam zählt 
im ganzen an 20 Mill. Anhänger. Juden wohnen 
in den Hafenstädten; im Innern findet sich in 
Kaiföng (Honan) eine kleine Judengemeinde, 
deren Anfänge bis ins 10. Jahrh. v. Chr. zurück- 
reichen sollen. 
Das Christentum kam bereits um die Mitte 
des 7. Jahrh. (636) nach China durch Nestorianer, 
von deren Wirksamkeit noch Marco Polo und der 
Franziskaner Johannesvon Monte Corvino (1292) 
Spuren vorfanden. Im Verein mit seinem Ordens- 
bruder Arnold aus Köln begründeteletzterer die erste 
katholische Gemeinde in Peking und wurde von 
Klemens V. 1307 zum Erzbischof von Chanbalik 
ernannt. Der Sturz der Mongolen vernichtete 
1369 diese erste Mission und mit ihr jede Spur 
des Christentums. Als die Portugiesen 1517 
China wieder entdeckt hatten, begannen alsbald 
neue Versuche, das Christentum dorthin zu ver- 
breiten. Am 27. Dez. 1582 erlangten die Jesuiten 
Roger und Paes und im Sept. 1583 Matteo 
Ricci die Erlaubnis ständigen Aufenthalts; sie 
sind als die Begründer des Katholizismus 
in China zu betrachten. Die gelehrten Jesuiten 
Ricci (gest. 1610), Jakob Rho (gest. 1638) und 
besonders Adam Schall aus Köln (1619/66) ge- 
wannen durch ihre mathematischen und astrono- 
mischen Kenntnisse großen Einfluß am kaiserlichen 
Hof und bekleideten hohe Ehrenstellen. Die große 
Vorsicht und Klugheit der Jesuiten, die Geschick- 
lichkeit, mit der sie den christlichen Gottesbegriff 
der Vorstellungsweise der Chinesen anzupassen 
verstanden, die Duldsamkeit gegenüber den alten 
Gebräuchen des Ahnenkults usw. verschafften der 
christlichen Lehre trotz mannigfacher Verfolgungen 
bald Eingang im Volk. Schon 1611 wurde in 
Nanking die erste Kirche eingeweiht, und 1633 
hatten die Jesuiten in 8 Provinzen 12 Residenzen 
mit 26 Patres. Als die Mandschu-Tataren 1644 
das Land eroberten, wurden die Jesuiten als 
Mathematiker beschützt; besonders unter der Re- 
gierung Kanghis konnte sich das Christentum un- 
gehindert ausbreiten und selbst in die Halbinsel 
Korea und in die Tatarei eindringen; 1664 zählten 
die Jesuiten in 10 Provinzen schon 2570000 Gläu= 
bige, 159 Kirchen, 41 Residenzen und jährlich 
5/6000 Bekehrungen. Infolge der Verdienste 
des P. Gerbillon, der einen günstigen Frieden 
mit Rußland vermittelt hatte, hob der Kaiser 
1692 die älteren Gesetze gegen die christliche Re- 
ligion förmlich auf und gab die Predigt den 
Jesuiten durchaus frei. Nachdem schon Alex- 
ander VIII. am 10. April 1690 die Bistümer 
von Peking und Nanking als Suffraganate von 
Gog errichtet hatte, trennte Innozenz XII. 1696 
eine Reihe von Provinzen ab und schuf acht Apo- 
stolische Vikariate, die nach und nach (bis 1762) 
  
China. 
  
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in drei vereinigt wurden. Somit bestanden von 
1762 bis 1838 in China drei Bistümer: Peking, 
Nanking, Macho (seit 1575), und drei Apostolische 
Vikariate: Fukiön, Setschwan und Schensi. 
Inzwischen war leider durch Streitigkeiten 
unter den Katholiken selbst (Akkommodationsstreit, 
entschieden 1742) im Fortgang des Bekehrungs- 
werks eine bedauernswerte Unterbrechung ein- 
getreten. Da auch der Eifer der Europäer, in 
China festen Fuß zu fassen, den Argwohn der 
Chinesen gegen die Fremden erweckt hatte, erklärte 
sich der Nachfolger Kanghis, Jongtsing, überhaupt 
gegen alle Missionen, ließ 1724 die christlichen 
Priester nach Peking und Kanton bringen, die 
Kirchen niederreißen und die christliche Religion 
verbieten. Von da ab begannen die grausamen 
Christenverfolgungen in China, in denen 
nur zeitweise Pausen eintraten; besonders heftig 
waren sie unter Kianlung in der Zeit von 1747 
bis 1772. Nachdem Joseph de Almeida, der letzte 
Jesuit, am 12. Nov. 1805 in Peking gestorben 
war, brach unter Kiaking eine neue heftige Ver- 
folgung aus. Die katholische Mission wurde fast 
ganz vernichtet und 1815 sogar der Bischof 
Dufresse, Apostolischer Vikar von Setschwan, 
hingerichtet. In demselben Jahr verbot ein kaiser- 
liches Edikt den katholischen Missionären den Zu- 
tritt ins Reich und allen Chinesen das Bekenntnis 
der katholischen Religion bei Todesstrafe, ohne 
daß es durchgeführt werden konnte, weil Mis- 
sionäre insgeheim das Land betraten und durch- 
wanderten und die bekehrten Chinesen dem Glauben 
treu blieben. Der Krieg mit den Westmächten 
übte auf das Missionswesen einen nachteiligen 
Einfluß aus; Kaiser Hienfong erneuerte sogar 
trotz der mit Frankreich 1844 und dem Papst 
1848 zugunsten der Christen abgeschlossenen Ver- 
träge die alten Gesetze gegen sie. Reichlicher als 
je zuvor floß das Blut der mutigen Bekenner, 
und auch der Vertrag von Tientsin (27. Juni 
1858) brachte nur leere Versprechungen. 
Erst der Friede von Peking (25. Okt. 1860) 
bewirkte endlich eine wesentliche Besserung und 
gewährte der katholischen Kirche Restitution und 
Freiheit der Missionen im ganzen Reich. Schon 
am 29. Okt. wurde die seit 1825 geschlossene 
Kathedrale von Peking eröffnet und nach ihrer 
Restauration am Weihnachtsfest 1861 der erste 
Gottesdienst darin abgehalten. Trotz der Trak- 
tatsbestimmungen gaben der Haß der Bevölkerung 
gegen die Europäer und die Erbitterung der Ge- 
lehrten häufig Veranlassung zu blutigen Verfol- 
gungen. Bei der Machtlosigkeit der Regierung 
wüteten in den Provinzen bald hier bald dort 
Rebellen und Pöbel unter geheimer Billigung der 
Mandarine gräßlich gegen die Christen; Hun- 
derte von Gemeinden wurden zerstört, die Be- 
wohner ausgeplündert, vertrieben, gefoltert, ermor- 
det. Der Ausbruch der Feindseligkeiten mit Frank- 
reich 1882 war für die Mission von den schlimmsten 
Folgen begleitet, besonders in den Provinzen
	        
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