1125
Kwangtung, Setschwan und Jünnan, wo 1883
ein furchtbarer Aufruhr gegen die Christen wütete,
dem unter andern auch P. Terasse zum Opfer fiel.
Aus Anlaß dieser Verfolgungen richkete der Hei-
lige Vater 1885 einen Brief an den Kaiser von
China, in welchem er um Schutz für die Christen
bat. Auf die entgegenkommende Antwort des
Kaisers sandte der Papst ein zweites Schreiben,
welches den Wunsch des Kaisers zur Folge hatte,
mit dem Heiligen Stuhl in nähere diplomatische
Beziehungen zu treten. Die Absicht des Heiligen
Vaters, in Peking eine unmittelbare Vertretung
zusschaffen, ist nicht verwirklicht worden, da Frank-
reich seine Ansprüche auf das Protektorat über die
Katholiken Ostasiens und die damit verbundenen
Vorteile nicht aus der Hand geben will. Vor allem
habenjedoch das Deutsche Reich (s. oben) und Italien
dieses Protektorat durchbrochen und den Anstoß
dazu gegeben, daß die Priester und Bischöfe eine
angesehene, amtlich anerkannte Stellung (Manda-
rinat) erhielten, während Frankreich ein verall-
gemeinerndes Edikt hierüber erwirkte (1899). Im
Jahr 1908 wurde den katholischen Geistlichen aller-
dings der Beamtencharakter wieder abgesprochen.
Nach der statistischen Beilage zu dem „Kathol. Mis-
sionsatlas“ (1906) sind an dem katholischen
Missionswesen in China beteiligt: das Pariser
Missionsseminar, die Lazaristen, Jesuiten, Fran-
ziskaner, Dominikaner, Augustiner, das Römische
Missionsseminar, das Pariser und das Mailän-
der Missionsseminar, die Gesellschaft in Scheutveld
(Belgien), die Steyler Missionäre. Diese Gesell-
schaften usw. sind in 42 Bezirken tätig. Über die
Anzahl der katholischen Christen gibt ein Be-
richt über eine Bischofskonferenz in Singan vom
1. März 1908 Auskunft. Sämtliche Missionen
Chinas (38 Apostolische Vikariate und 4 Aposte-
lische Präfekturen) werden in fünf sog. Regionen
eingeteilt. Die Gesamtzahl der Christen Chinas
hat nunmehr eine Million erreicht (1042 196),
das bedeutet also auf ungefähr 400 Heiden einen
Christen. Europäische Priester arbeiten in China
1346, einheimische 585. Es gibt 434 8 Kirchen
und Kapellen, 47 Priesterseminare mit 869 Alum-
nen, 47 höhere Knabenschulen, ferner eine Anzahl
Gewerbe= und landwirtschaftliche Schulen, Ele-
mentarschulen und Waisenhäuser; daneben werden
zahlreiche Waisen auf Kosten der Missionen in
Familien verpflegt. Ferner bestehen einige hundert
Wohltätigkeitsanstalten für Kranke, Greise. Arme.
Die evangelische Mission begann 1807
der Engländer Robert Morrison; derselbe eröff-
nete zunächst seine Tätigkeit unter den ausgewan-
derten Chinesen auf Malakka durch eine Reihe von
Übersetzungen aus der Bibel und begründete dann
ein anglo-chinesisches Kollegium in Macao, wel-
ches 1843 nach Hongkong verlegt wurde. Unter
seinen Nachfolgern machte sich besonders der
Deutsche Gützlaff (seit 1831) um die Kunde von
Land und Leuten verdient. Um 1900 zählte man
etwa 200 000 evangelische Christen, darunter
China.
1126
Kongregationalisten, Presbyterianer, Metho-
disten, Baptisten, Anglikaner, Deutsch = Evan-
gelische (Basel und Barmen), Reformierte, zur
China-Inlandmission Gehörende. Zahl der Mis-
sionäre 1099, der Missionärinnen 713, der Statio-
nen 748. — Die russische Kirche unterhält seit
dem 17. Jahrh. eine geistliche Mission unter einem
Archimandriten.
Obwohl kein Schul zwang stattfindet und
staatliche Elementarschulen nicht vorhanden sind,
hat doch auch das kleinste Dorf seine Unterrichts-
anstalt, die entweder von der Gemeinde oder von
Privaten unterhalten wird. Daher lernen auch
von der Landbevölkerung 10⅝% lesen und
schreiben, was bei der Schwierigkeit der chine-
sischen Sprache auch bei großem Fleiß fünf Jahre
in Anspruch nimmt. Befähigtere gehen aus dem
Elementarunterricht in die jedem Landeskind ohne
Ausnahme zugänglichen Gouvernementsschulen
über. Diese werden durch Stiftungen oder vom
Staat unterhalten, stehen in jeder Provinz unter
einem besondern Beamten und zerfallen in Unter-
distrikts-, Distrikts-, Kreis= und Bezirksschulen.
Die Versetzung in die höheren Stufen erfolgt auf
Grund von Prüfungen, deren Abhaltung durch
bis ins kleinste gehende Bestimmungen geregelt
ist. Dann geht der Schüler nach peinlicher Vor-
bereitung an die Erwerbung der drei Grade, von
denen der erste, Tsinse (vorrückender Literat), in
den gelehrten Stand einführt, der zweite, Kenjin
(beförderter Mann), den Zutritt zu den Staats-
ämtern eröffnet und der dritte, Sientsan (blühen=
des Talent), zu den höchsten Ehrenämtern des
Reichs befähigt. Das erste und zweite Examen
wird unter dem Vorsitz eines aus Peking ent-
sandten Regierungskommissärs jährlich in einem
besondern Prüfungspalast der Bezirkshauptstadt,
das dritte nur alle drei Jahre unter dem Vorsitz
des Kaisers in Peking abgehalten. Von 5000 bis
6000 Prüflingen erlangen etwa 270 den höchsten
Rang; die übrigen Kandidaten werden Schul-
lehrer, Schreiber, Notare usw. Neuerdings macht
sich auch auf diesem Gebiet der Einfluß des
Auslands geltend: 1867 wurde in Peking eine
„Hochschule für das Erlernen der abendländischen
Wissenschaften“ gegründet, und seit 1872 schickt
die Regierung von Zeit zu Zeit eine Anzahl junger
Chinesen zur Ausbildung nach Amerika und
Europa.
Der gesellschaftlichen Stellung nach
unterscheidet man die Bevölkerung in einen ehren-
werten Teil (Lipang) und einen unehrlichen (Ziu),
der außer den Sklaven, Dienstboten und allen
dem Vergnügen des Publikums dienenden Per-
sonen (Schauspieler, Gaukler usw.) auch den zahl-
reichen Stand der Landstreicher (Mau) umfaßt.
Die Lipang gliedern sich in vier Stände: Adel,
Bauern, Kaufleute und Schiffer, Künstler und
Handwerker. Der Adel ist zunächst erblich; diesem
gehören alle Mitglieder und Abkömmlinge der
kaiserlichen Familie sowie die Nachkommen des
36“