Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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gezahlt. Ein Teil der Staatseinkünfte bleibt in 
den Provinzen für Besoldungen und Vorrats- 
häuser zurück; das übrige wird an den Hof nach 
Peking geliefert, wohin Tausende von Kanal= 
booten, mit Reis und Getreide beladen, beständig 
unterwegs sind. Von der höchsten Wichtigkeit für 
die Zentralregierung ist das 1854 geschaffene In- 
spektorat der Seezölle. Als nämlich während 
der Taipingrebellion die Regierung zu ohnmächtig 
war, selbst die Zölle einzuziehen, setzten die West- 
mächte eine Kommission in Schanghai ein, welche 
die Abgaben provisorisch für China erhob; später 
überwachte dieselbe Kommission den Eingang der 
Zolleinnahmen, welche zur Sicherheit für die Be- 
zahlung der Kriegsschuld dienen sollten. Dieses 
Institut nun hat China beibehalten, bedeutend 
vergrößert und einem in Peking residierenden 
fremden Generalinspektor unterstellt. Unter ihm 
fungieren 19 Inspektorate, die alle von Auslän- 
dern (Amerikanern, Engländern, Deutschen, Fran- 
zosen und Russen) geleitet werden. Die Ein- 
nahmen dieser Zollbehörden, die 1858 nur 
379000 Haikwan-Tasls betrugen, ergaben im 
Jahr 1906: Einfuhrzölle 16 100 954, Ausfuhr- 
zölle 9825706, Küstenhandel 2208 192, Tonnen- 
gelder 1326 619, Transitzölle 2277041, Opium- 
steuer 4 330 083, im ganzen 36 068 595. 
Die Staatsschuld hat sich infolge des 
Kriegs mit Japan bedeutend vermehrt. Anleihen 
von 1874, 1878, 1884, 1886, 1887 (deutsche 
Anleihe) von insgesamt 6 236 951 Pfund Ster- 
ling. Dann 1894 7 %/ige Silberanleihe von 
1 635.000 Pf. St., 6 /%ige Goldanleihe 1895: 
3000.000 Pf. St.; daneben 1.000000 verschie- 
dener 6% iger Anleihen. 4 %ige Anleihe von 
1895: 15 820 000 Pf. St., innere Anleihe 
5000 000. 1896 englisch-deutsche Anleihe (5 %) 
16000000 Pf. St.; 1898 (4½% ) 16000000, 
1899 (5%) 2 300000; Entschädigungen 1901 
(4%) 640000 000, Anleihe 1905 (4½ %) 
1000000 Pf. St. 
7. Das Militär wesen ist sehr mangelhaft, ob- 
wohl die Kriege mit den Westmächten die Not- 
wendigkeit einer besseren Organisation und Be- 
waffnung zeigten und seit 1854 schon viel daran 
gebessert worden ist. Früher setzte sich das Heer 
zusammen aus der Provinzialarmee, den 24 Ban- 
nern und der kaiserlichen Garde, welche nur zum 
Schutz der Residenzen und der kaiserlichen Familie 
auf Reisen diente. Die Bannertruppen, die Haupt- 
stütze der Mandschu-Dynastie, bestanden aus je 
acht mandschurischen, mongolischen und chinesischen 
Abteilungen, welche nur zum Teil mit Gewehren 
bewaffnet waren, in den großen Stüädten aller 
Provinzen in besondern Militärvierteln wohnten 
und im Frieden den Polizeidienst versahen. Die 
Provinzialarmee oder das Heer der „Grünen 
Fahnen“ (Lüjing), ausschließlich aus Chinesen 
zusammengesetzt, bildete für jede Provinz ein in 
mehrere Divisionen zu je fünf Lagern geteiltes 
Armeekorps; sie war der an Zahl stärkste Heeres- 
China. 
  
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teil und führte alle neueren Kriege. Die gesamte 
Armee sollte eine Stärke von 800 000 Chinesen 
und 270000 Mandschus haben, war jedoch kaum 
zur Hälfte vorhanden. Sie rekrutierte sich durch 
freiwilligen Eintritt und durch Nachwuchs aus 
den Soldatenfamilien. War der Soldat nicht im 
Dienst, so trieb er ein bürgerliches Geschäft in 
seiner eigenen Wohnung, so daß von einem stehen- 
den Heer in unserem Sinn keine Rede war. Als 
1880 wegen Kuldscha ein Krieg mit Rußland 
drohte, wurde ein Reorganisationsplan aufgestellt, 
demzufolge das Heer in fünf Abteilungen (Man- 
dschurei, Mongolei, Turkestan, Peking und Küsten- 
provinzen) über das Reich verteilt, die Truppen 
nicht mehr ansässig sein und eine taktische Gliede- 
rung erhalten sollten. Die Friedensstärke dieser 
neu formierten Armee sollte 300.000, die Kriegs- 
stärke annähernd eine Mill. Mann betragen. 
Die Unzulänglichkeit des chinesischen Heerwesens 
hat sich neuerdings den Japanern gegenüber und 
im Boxeraufstand erwiesen. Eine neue Wehr- 
ordnung wurde Sept. 1901 erlassen. Sie macht 
die Anwerbung in den einzelnen Provinzen zur 
Grundlage der neu zu bildenden Provinzial- 
truppen. Dienstzeit 10 Jahre, davon 3 bei der 
Truppe, 3 in der Reserve uud 4 in der Land- 
wehr. Bis 1912 sind vorgesehen 36 Divisionen 
der Landarmee, jede Division zu 9000 Mann 
und 54 Geschützen (2 Infanteriebrigaden zu je 
2 Regimentern mit je 3 Bataillonen zu 4 Kom- 
pagnien, 1 Regiment Kavallerie, 1 Regiment Artil- 
lerie, 1 Pionier= und 1 Trainbataillon). Effektiv- 
stärke 1907: Nordarmee 60 500 Mann mit 360 
Geschützen, Südarmee 22 500 mit 84 Geschützen, 
Armee der Hu-Provinzen 17,000 mit 90 Ge- 
schützen. Dazu je 1 japanische Brigade in Fukiên 
und Kwangtung mit 3500 und 4000 Mann bzw. 
18 und 24 Geschützen. Die einheimische Truppen- 
macht Tibets besteht aus Tanguten; außerdem 
sind mehrere tausend Mann chinesischer Truppen, 
unter direktem Befehl der chinesischen Residenten, 
in einer Anzahl von Garnisonen über das Land 
zerstreut. — Die unzähligen als Festungen auf- 
geführten Städte sind meist nur mit Wall und 
Graben umgeben; das großartigste Befestigungs- 
werk, die etwa 3000 ktmlange Mauer, welche 
der Kaiser Schihoangti (246/206) zum Schutz 
gegen die Einfälle der nördlichen Mongolen auf- 
geführt haben soll, hat seine Bedeutung schon 
längst verloren und ist teilweise zerfallen. Neuer- 
dings ist die Peihomündung stark befestigt worden; 
die Takuforts gelten bei guter Verteidigung für 
uneinnehmbar von der See aus, und die sieben 
detachierten Forts von Tientsin beherrschen bei 
gehöriger Armierung die Küste vollständig. — 
Die Flotte zählte 1907 4 Kreuzer, 2 Torpedo- 
kreuzer, 2 Torpedoavisos, 8 ältere Kreuzer von 
zusammen 36 890 R.-T. mit 84000 Pferdekräften 
und 122 Geschützen, dazu 5 Hochseetorpedoboote 
sowie See= und Flußkanonenboote. —Die Flagge 
Chinas bildet ein Dreieck und zeigt auf gelbem
	        
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