Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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an die Einheit des Reichs bereits so gefestigt, daß 
auf Betreiben der geistlichen Fürsten eine förmliche 
Wahl durch sämtliche deutsche Stämme zustande 
kam, die auf Konrad II. von Franken fiel. Vor 
allem darauf bedacht, die Krone in seinem Hause 
erblich zu machen, trat dieser dem Widerstand 
der größeren Vasallen kräftig entgegen (Ernst von 
Schwaben) und schwächte ihre Macht dadurch, 
daß er die Erblichleit der kleineren Lehen in Italien 
gesetzlich festlegte, in Deutschland zugab. Mit Er- 
folg brachte er in Oberitalien das königliche An- 
sehen wieder zur Geltung und vereinigte 1032 
das Königreich Burgund mit Deutschland. Unter 
seinem Sohn Heinrich III. (1039/56) erreichte 
das Kaisertum den Höhepunkt seiner Macht: von 
der Rhöne bis zur Aluta, von der Eider bis zum 
Tiber reichte die deutsche Herrschaft. Der Gottes- 
friede schränkte das Fehdewesen zum Nutzen der 
städtischen und ländlichen Bevölkerung ein, und 
die vollständige Durchführung des Lehnswesens 
regelte die Pflichten und Rechte der königlichen 
Vasallen. Durch Hebung des Papsttums aus sei- 
nem Verfall sicherte Heinrich III. die bedrohte 
Einheit der abendländischen Christenheit und übte 
einen Einfluß auf die Besetzung des päpstlichen 
Stuhls wie kein Kaiser vor ihm noch nach ihm. 
Auf die kräftigste Handhabung der Herrscherge- 
walt folgte die Schwäche einer vormundschaftlichen 
Regierung für seinen unmündigen Sohn Hein- 
rich IV. (1056/1106). Die deutschen Fürsten 
konnten wieder ungehindert ihre Pläne verfolgen. 
Zur Selbstregierung gelangt, begann der junge 
König sofort mit Ungestüm und Leidenschaft den 
Kampf gegen die fürstlichen Sonderinteressen. 
Sein Übermut schuf ihm in Gregor VII. einen 
neuen Gegner, seine Unbeständigkeit raubte ihm 
bald jeden Halt. Zu Forchheim wählten die 
Fürsten 1077 den ersten deutschen Gegenkönig, 
Rudolf von Schwaben, der ausdrücklich ihr freies 
Wahlrecht anerkennen mußte. Er wie ein zweiter 
Gegenkönig, Hermann von Salm (1081/88), 
vermochten keine dauernde Macht im Reich zu er- 
ringen. Aber auch Heinrichs Kraft erlahmte in 
dem endlosen Kampf und erlag schließlich der Em- 
pörung der eigenen Söhne. Sittliche Kraft und 
Stärke des Willens, die hervorstechenden Eigen- 
schaften seines großen Gegners Gregor VII., fehl- 
ten dem unglücklichen Herrscher, unter dessen Re- 
gierung die Errungenschaften seiner beiden Vor- 
gänger wieder verloren gingen. Sein Sohn Hein- 
rich V. (1106/25) zeigte sich bald als rücksichts- 
losen Verfechter der ererbten Politik seines Hauses. 
Schließlich mußte er in dem den langwierigen In- 
bestiturstreit beendigenden Wormser Konkordat 
(1122) doch auf die Laieninvestitur verzichten, 
wenn er auch mehr erreichte, als Gregor VII. 
hatte zugestehen wollen. , 
Die Schwierigkeit des Ausgleichs kirchlicher 
und politischer, deutscher und italienischer Interessen 
trat noch schärfer hervor in dem unglückseligen 
Streit zwischen den Welfen und Hohenstaufen, 
Deutsches Reich. 
  
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der unter Lothar III., dem Sachsen (1125/37), 
seinen Anfang nahm. Unter der Regierung Kon- 
rads III. (1137/52), des ersten Staufers, sank 
das ohnehin geschwächte Ansehen der Krone in 
Deutschland und noch mehr in seinen Neben- 
ländern immer tiefer. Seinem großen Neffen, 
Friedrich I. Barbarossa (1152/90), gelang es, 
einen festen Plan zur Neugestaltung des Reichs 
wenigstens teilweise durchzuführen und Deutsch- 
land noch einmal vorübergehend zur ersten Macht 
des Abendlands zu erheben. Der Versuch, das 
verlorene kaiserliche Ansehen den während der 
Wirren der letzten Jahrzehnte mächtig gewordenen 
lombardischen Städten gegenüber wiederherzu- 
stellen, mißglückte hauptsächlich infolge seines 
Streits mit dem Papsttum, auf welches er einen 
ebenso entscheidenden Einfluß ausüben wollte wie 
einst Heinrich III. Dagegen gelang es ihm, das 
Übergewicht der Reichsgewalt in Deutschland zu 
erneuern; den mächtigsten seiner Vasallen, Heinrich 
den Löwen, vernichtete er durch Teilung Sachsens, 
des letzten großen Stammesherzogtums. Damit 
bahnte er eine Umwandlung der innern Verhält- 
nisse Deutschlands an, die sich unter seinen Nach- 
folgern rasch vollzog: es entstand nach Besei- 
tigung der großen Vasallen eine neue, zahlreichere 
Reichsaristokratie, die sich aus Herzogen, Pfalz-, 
Land= und Markgrafen, aus Erzbischöfen, Bi- 
schöfen und Abten zusammensetzte und gegen Gra- 
fen und Herren streng abschloß, so daß fortan die 
Reichsfürstenwürde besonders verliehen wurde. 
Lerin liegt die Ursache der späteren Zersplitterung 
eutschlands, die im 12. Jahrh. notwendig schien, 
um die kaiserliche Macht zu heben, in der Folge- 
zeit aber unendlichen Schaden für die Entwicklung 
des deutschen Volks nach sich zog. Die Vermählung 
des Sohnes und Nachfolgers Barbarossas mit 
der Erbin von Neapel und Sizilien eröffnete dem 
greisen Kaiser die Aussicht, sein Ziel in Italien 
auf friedlichem Weg zu erreichen, ohne zu ahnen, 
daß er dadurch mittelbar den tragischen Untergang 
seines Geschlechts herbeiführte. Heinrich VI. (1190 
bis 1197) verfolgte hochfliegende Pläne, Erblich- 
keit der deutschen und sizilischen Krone und Welt- 
herrschaft, ohne die großartige Kraft seiners Vaters 
zu besitzen. Sein früher Tod war ein schwerer 
Schlag für das Reich, welches vom Gipfel seiner 
politischen und geistigen Entwicklung in Ohnmacht 
und Zerrüttung zurücksank. Die Unmündigkeit 
seines Sohnes, die Doppelwahl in Deutschland, 
die Überlegenheit eines Papstes wie Innozenz III. 
und der neue Kampf zwischen Kaiser= und Papst- 
tum hatten nicht nur das Sinken der kaiserlichen 
Macht, sondern eine immer weiter um sich greifende 
Zersplitterung des Reichs zur Folge. 
Nach der Ermordung Philipps von Schwaben 
(1198/1208) wurde zwar der Welfe Otto IV. 
allgemein anerkannt; aber seine Absicht, Sizilien 
mit dem Reich zu vereinigen, entzweite ihn bald 
mit dem Papst, welcher die deutschen Fürsten be- 
wog, die frühere Wahl des Sohnes Heinrichs VI.
	        
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